Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis für eine negative und zum Teil vorbeugende Feststellungsklage zum Geltungsbereich der GSA Fleisch. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 24/21)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 6b Abs. 1 GSA Fleisch weist die Kontrolle der Vorgaben des § 6a GSA Fleisch den Behörden der Zollverwaltung und für § 6a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1a GSA Fleisch der Bundesagentur für Arbeit zu. § 6b Abs. 2 GSA Fleisch nimmt hinsichtlich der Befugnisse der Kontrollbehörde, den Mitwirkungspflichten des Unternehmers und dem Rechtsschutz auf die Vorschriften des SchwarzArbG Bezug. Nach § 23 SchwarzArbG ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Verwaltungshandeln der Behörden der Zollverwaltung nach diesem Gesetz der Finanzrechtsweg gegeben.

2. Die Frage, ob ein Betrieb in den Geltungsbereich des GSA Fleisch in der Fassung zum 01.01.2021 oder 01.04.2021 fällt, sowie die Frage ob eine illegale Beschäftigung vorliegt und der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt ist, stellt kein Recht oder keine Verpflichtung gegenüber dem HZA dar, sondern stellt ein grundsätzliches Verbot einer bestimmten Verhaltensweise dar.

3. Die Klärung bußgeldrechtlicher Fragen, kann nicht im finanzgerichtlichen Verfahren erreicht werden.

4. Eine ausnahmsweise zulässige vorbeugende Feststellungsklage gegenüber einem drohenden künftigen Verwaltungsakt oder sonstigen nachteiligen Verwaltungshandeln kommt nicht in Betracht, wenn sich die beklagte Verwaltungsbehörde (hier das HZA) noch keine abschließende Meinung gebildet hat.

 

Normenkette

FGO § 41 Abs. 1-2; AEntG § 6 Abs. 9; SchwarzArbG § 23

 

Tatbestand

Streitig ist vorrangig, ob die Klägerin unter den Anwendungsbereich des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) fällt.

Die Klägerin ist Teil der Firmengruppe A, die an mehreren Standorten voneinander unabhängige Produktionsbetriebe unterhält. Am Standort 1 werden vor allem das Kernprodukt "Bratwürste" aber auch andere Convenience-Produkte hergestellt. Sie beschäftigt in 1 ca. 215 Mitarbeiter, darunter 100 Zeitarbeiter, die von einem Personaldienstleister entliehen werden.

Das beklagte Hauptzollamt (HZA) ist in seinem örtlichen Bereich zuständig für die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des§ 6a GSA Fleisch und hat entsprechende Befugnisse nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG).

Die Klägerin hat am 16.02.2021 Feststellungsklage beim Finanzgericht München erhoben, die mit Beschluss vom 23.03.2021 an das Finanzgericht Nürnberg verwiesen wurde.

Die Klägerin trägt vor, dass sie nicht unter das GSA Fleisch falle, weil sie keinen Betrieb und keine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) unterhalte, hilfsweise einzelne Betriebsbereiche nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung gemäߧ 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfielen und im Übrigen § 6a GSA Fleisch wohl verfassungswidrig sei.

Es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für die negative und zum Teil vorbeugende Feststellungsklage, da das Verbot des Einsatzes von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft in seiner Reichweite unklar sei, so dass die Klägerin als "klassischer" Wurstproduzent dringend Rechtssicherheit benötige.

§ 2 Abs. 1 GSA Fleisch nehme auf § 6 Abs. 9 AEntG Bezug, in dem der Betrieb der Fleischwirtschaft definiert werde. Entscheidend sei, ob in dieser Regelung die Portionierung und Verpackung sich auf den letzten Verarbeitungsschritt am Fleischprodukt oder auch noch auf das hergestellte Nahrungsmittel beziehe. Im Anschluss an diese Abgrenzung müsse entschieden werden, ob in diesem Betrieb oder der selbständigen Betriebsabteilung überwiegend Fleisch verarbeitet werde. Hierfür sei auf die anfallenden Arbeitsstunden abzustellen.

Der Produktionsprozess bei der Klägerin reiche von der Produktionsplanung, dem Wareneingang (vorzerlegtes rohes Fleisch), der Chargierung, der Gewürzabteilung, der Kutterei, der Füllerei mit Kesselhaus/Räucherei, der Verpackung bis zum Versand. Im Bereich Convenience würden bereits gefertigte Fleischerzeugnisse mit sonstigen Produkten kombiniert bzw. vermischt. Daneben bestünden Abteilungen für Kistenwäsche, Technik, Kantine, Betriebsleitung und Azubis. Die Arbeitszeit am rohen Fleisch betrage weniger als 7,1% der Gesamtarbeitszeit (19.822 h von 280.055 h). Sofern man die Füllerei sowie Kesselhaus/Räucherei noch der Fleischverarbeitung zuordne, erhöhe sich der Anteil auf ca. 21% der Gesamtarbeitszeit.

Im Einzelnen stelle sich das für die Arbeitsstunden im Jahr 2020 wie folgt dar:

Bereich

Stunden

Wareneingang Fleisch

Wareneingang TK Rohstoffe

Chargierung

Kutterei

Füllerei, Kessel/Räucherei

Gewürzabteilung

Verpackung

Versand

Kistenwäsche

Betriebsleitung

Azubi

Technik

Produktionsplanung

Kantine

Convenience

Gesamt

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