Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verkehr. Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft. Betreiber der Infrastruktur. Organisatorische und entscheidungsbezogene Unabhängigkeit. Holdingstruktur. Entgeltbemessung auf der Grundlage der unmittelbaren Kosten. Wegeentgelte. Unmittelbare Kosten. Gesamtkosten. Fehlen von Anreizen zur Kostenreduzierung. Regulierungsstelle. Befugnisse

 

Normenkette

Richtlinie 91/440/EG Art. 6 Abs. 3, Art. 10 Abs. 7; Richtlinie 2001/14/EG Art. 4 Abs. 2, Art. 14 Abs. 2, Art. 7 Abs. 3, Art. 8 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 30 Abs. 4

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

Europäische Kommission

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

3. Die Tschechische Republik und die Italienische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 26. November 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte im Beistand von R. Van der Hout, advocaat,

Beklagte,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Očková und T. Müller als Bevollmächtigte,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferinnen,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel und der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klageschrift beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 3 und Anhang II der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 (ABl. L 75, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440), aus den Art. 4 Abs. 2 und 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14), aus den Art. 6 Abs. 2, 7 Abs. 3 und 8 Abs. 1 dieser Richtlinie sowie aus Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie 2001/14 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 verstoßen hat,

  • indem sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Stelle, die mit der Ausübung der wesentlichen Funktionen nach Anhang II der Richtlinie 91/440 betraut ist, von dem die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringenden Unternehmen unabhängig ist,
  • indem sie keine Anreize zur Kostensenkung gegeben hat,
  • indem sie nicht dafür gesorgt hat, dass die in der Richtlinie 2001/14 enthaltenen Bestimmungen über die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur ordnungsgemäß umgesetzt werden, und
  • indem sie der in Art. 30 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen Regulierungsstelle bestimmte Befugnisse zur Erlangung von Auskünften und zur Verhängung von Sanktionen nicht verliehen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 91/440

Rz. 2

Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 91/440 lautet:

„Die künftige Entwicklung und eine wirtschaftliche Nutzung des Eisenbahnnetzes können durch eine Trennung zwischen der Erbringung der Verkehrsleistungen und dem Betrieb der Eisenbahninfrastruktur erleichtert werden. Dies setzt voraus, dass beide Bereiche in jedem Fall ein getrenntes Rechnungswesen erhalten und getrennt verwaltet werden.”

Rz. 3

Art. 6 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen für die Erbringung von Verkehrsleistungen durch Eisenbahnunternehmen einerseits und für den Betrieb der Infrastruktur andererseits erstellt und veröffentlicht werden. Öffentliche Gelder zugunsten eines dieser beiden Tätigkeitsbereiche dürfen nicht auf den anderen übertragen werden.

Dieses Verbot muss auch in der Rechnungsführung der beiden Bereiche zum Ausdruck kommen.

(2) Die Mitgliedstaaten können ferner vorsehen, dass diese beiden Tätigkeiten in organisch voneinander getrennten Unternehmensbereic...

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