Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Unanwendbarkeit auf die in Art. 2 der Richtlinie 89/665/EWG genannten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und Nachprüfungsverfahren mangels Auslandsbezugs. Gleichstellung einer Rahmenvereinbarung mit einem Vertrag im Sinne von Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665. Unmöglichkeit der Vergabe eines neuen öffentlichen Auftrags, wenn die in der Rahmenvereinbarung festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind. Nationale Regelung, die die Entrichtung von Gebühren für den Zugang zu den Verwaltungsgerichten im Bereich der öffentlichen Aufträge vorsieht. Obliegenheit, die Gebühren für den Zugang zu den Gerichten zu bestimmen und zu entrichten, bevor das Gericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder einen Nachprüfungsantrag entscheidet. Intransparentes Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz. Praktische Wirksamkeit. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Nationale Regelung, die die Zurückweisung einer Klage bei Nichtzahlung der Gebühren für den Zugang zu den Gerichten vorsieht. Bestimmung des geschätzten Wertes eines öffentlichen Auftrags
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 89/665/EWG Art. 1-2, 2a; Richtlinie 2014/24/EU Art. 33
Beteiligte
EPIC Financial Consulting |
EPIC Financial Consulting Ges.m.b.H |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer gemäß Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG dem Abschluss des in Art. 2a Abs. 2 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung genannten Vertrags entspricht.
2. Art. 33 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Vergabe eines neuen Auftrags nicht mehr auf eine Rahmenvereinbarung, bei der die darin festgelegte Höchstmenge und/oder der darin festgelegte Höchstwert der betreffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen bereits erreicht worden ist bzw. sind, stützen kann, es sei denn, die Vergabe dieses Auftrags führt zu keiner wesentlichen Änderung der Rahmenvereinbarung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie.
3. Der Äquivalenzgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Nachprüfungsanträge in Vergabeverfahren Verfahrensvorschriften vorsieht, die sich von denjenigen unterscheiden, die u. a. für Zivilverfahren gelten.
4. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der es dem Rechtsuchenden obliegt, in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung oder in seinem Nachprüfungsantrag das betreffende Vergabeverfahren und die von ihm beanstandete gesondert anfechtbare Entscheidung zu benennen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung noch nicht veröffentlicht worden ist.
5. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2014/23 geänderten Fassung ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen,
- dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Gericht, das mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit dem Beschaffungen des öffentlichen Auftraggebers verhindert werden sollen, befasst ist, ausschließlich zum Zweck der Berechnung der Pauschalgebühren – die der Antragsteller insofern zwingend zu entrichten hat, als sonst sein Antrag allein aus diesem Grund zurückgewiesen werden könnte – vor der Entscheidung über diesen Antrag die Art des betreffenden Vergabeverfahrens, den (geschätzten) Wert des fraglichen Auftrags sowie die Summe der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bzw. allenfalls auch die Lose aus dem betreffenden Vergabeverfahren ermitteln muss, wenn sich der öffentliche Auftraggeber für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entschieden hat und die Vergabebekanntmachung zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Aufhebung einer E...