Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Soziale Sicherheit. Familienleistungen. Familienbeihilfen. Erziehungszulage. Elterngeld. Kindergeld. Berechnung des Unterschiedsbetrags
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71; Verordnung (EWG) Nr. 574/72
Beteiligte
Caisse nationale des prestations familiales |
Tenor
Art. 1 Buchst. u Ziff. i und Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, wie sie durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 geändert worden ist, sowie Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung sind dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens bei der Berechnung des einem Wanderarbeitnehmer in seinem Beschäftigungsmitgliedstaat eventuell zu zahlenden Unterschiedsbetrags nicht sämtliche an die Familie des Wanderarbeitnehmers nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats gezahlten Leistungen als gleichartige Familienleistungen zu berücksichtigen sind, da – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen – das nach deutschem Recht vorgesehene Elterngeld keine Leistung gleicher Art im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1408/71 ist wie das nach deutschem Recht vorgesehene Kindergeld und die nach luxemburgischem Recht vorgesehenen Familienzulagen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Luxemburg) mit Entscheidung vom 12. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2012, in dem Verfahren
Caisse nationale des prestations familiales
gegen
Ulrike Wiering,
Markus Wiering
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas (Berichterstatter), D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Caisse nationale des prestations familiales, vertreten durch A. Rodesch und R. Jazbinsek, avocats,
- von Frau und Herrn Wiering, vertreten durch G. Pierret und S. Coï, avocats,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juli 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Buchst. u Ziff. i, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h und Art. 76 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, wie sie durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) geändert worden ist (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), sowie von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Caisse nationale des prestations familiales (Nationale Familienleistungskasse; im Folgenden: CNPF) einerseits und Frau und Herrn Wiering, die in Deutschland wohnen und dort bzw. in Luxemburg arbeiten, andererseits wegen der Weigerung der CNPF, ihnen den Unterschiedsbetrag zwischen den Familienleistungen für ihre Kinder zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1, 5, 8 und 10 der Verordnung Nr. 1408/71 haben folgenden Wortlaut:
„Die Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit gehören zur Freizügigkeit von Personen und sollen zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen.
…
Bei dieser Koordinierung ist innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer und Selbständige, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, sowie ihre Angehörigen und Hinterbliebenen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gleichbehandelt werden.
…
Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mit...