Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten Projekten. Verwertung von Abfällen. Errichtung der ‚dritten Linie’. der Abfallverbrennungsanlage von Brescia. Publizität des Genehmigungsantrags. Richtlinien 75/442/EWG, 85/337/EWG und 2000/76/EG

 

Beteiligte

Kommission / Italien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Italienische Republik

 

Tenor

1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 geänderten Fassung verstoßen, dass sie das Projekt der Errichtung der dritten Linie der der Firma ASM Brescia SpA gehörenden Verbrennungsanlage vor der Erteilung der Baugenehmigung nicht der in den Art. 5 bis 10 dieser Richtlinie vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen hat.

2. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen verstoßen, dass sie die Erklärung über die Aufnahme der Tätigkeit der dritten Linie der Verbrennungsanlage nicht lange genug vorher an einem oder mehreren der Öffentlichkeit zugänglichen Orten ausgelegt hat, um der Öffentlichkeit vor der Entscheidung der zuständigen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, und dass sie die diese Erklärung betreffenden Entscheidungen mit einer Abschrift der Genehmigung der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht hat.

3. Die Italienische Republik trägt die Kosten.

4. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 16. Juni 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Konstantinidis als Bevollmächtigten im Beistand von F. Louis und A. Capobianco, avocats, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von M. Fiorilli, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch T. Harris als Bevollmächtigten im Beistand von J. Maurici, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter P. Kūris, J. Makarczyk (Berichterstatter), L. Bay Larsen und J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 Abs. 1 und 4 Abs. 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 (ABl. L 73, S. 5) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337) und aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die Verbrennung von Abfällen (ABl. L 332, S. 91) verstoßen hat, dass sie

  • das Projekt einer „dritten Linie” der der Firma ASM Brescia SpA gehörenden Verbrennungsanlage (im Folgenden: dritte Linie der Verbrennungsanlage), die eine Anlage nach Anhang I der Richtlinie 85/337 ist, vor Erteilung der Baugenehmigung keiner Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Art. 5 bis 10 dieser Richtlinie unterzogen hat und
  • weder den Antrag auf Betriebsgenehmigung der dritten Linie der Verbrennungsanlage für einen angemessenen Zeitraum an einem oder mehreren der Öffentlichkeit zugänglichen Orten zur Einsichtnahme ausgelegt hat, um der Öffentlichkeit vor der Entscheidung der zuständigen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, noch der Öffentlichkeit die Entscheidung und ein Exemplar der Genehmigung zugänglich gemacht hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Die Richtlinie 75/442/EWG

2 Art. 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) in der durch die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 (ABl. L 135, S. 32) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 75/442) bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

a) ‚Abfall’: alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

d) ‚Bewirtschaftung’: das Einsammeln, die Beförderung, die Verwertung und die Beseitigung der Abfälle, einschließlich der Überwac...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge