Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Kindergeld. Begriff ‚Familienangehörige’. Ausschluss des Kindes des Ehegatten von gebietsfremden Arbeitnehmern. Unterschiedliche Behandlung im Vergleich zum Kind des Ehegatten gebietsansässiger Arbeitnehmer. Rechtfertigung

 

Normenkette

AEUV Art. 45; Verordnung (EU) Nr. 492/2011 Art. 7 Abs. 2; Richtlinie 2004/38/EG Art. 2 Nr. 2; EGV 883/2004 Art. 1 Buchst. i

 

Beteiligte

Caisse pour l'avenir des enfants

Caisse pour l'avenir des enfants (Zukunftskasse)

FV

GW

 

Tenor

1. Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass Kindergeld, das an die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eines Grenzgängers in einem Mitgliedstaat geknüpft ist, eine soziale Vergünstigung im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

2. Art. 1 Buchst. i und Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 und mit Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass sie Bestimmungen eines Mitgliedstaats entgegenstehen, wonach Grenzgänger ein an die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in diesem Mitgliedstaat geknüpftes Kindergeld nur für ihre eigenen Kinder und nicht für die Kinder ihres Ehegatten beziehen können, die in keinem Abstammungsverhältnis zu ihnen stehen, für deren Unterhalt sie aber aufkommen, während alle in diesem Mitgliedstaat wohnenden Kinder Anspruch auf dieses Kindergeld haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil supérieur de la sécurité sociale (Oberstes Schiedsgericht der Sozialversicherung, Luxemburg) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 2018, in dem Verfahren

Caisse pour l'avenir des enfants (Zukunftskasse)

gegen

FV,

GW

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, der Richterin C. Toader und des Richters N. Jääskinen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund der schriftlichen Erklärungen

  • der Zukunftskasse, vertreten durch R. Jazbinsek und A. Rodesch, avocats,
  • von FV und GW, vertreten durch P. Peuvrel, avocat,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Valero als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV, von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, und Berichtigung ABl. 2004, L 229, S. 35), von Art. 1 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, und Berichtigungen ABl. 2004, L 200, S. 1, und ABl. 2015, L 213, S. 65) sowie von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zukunftskasse (Luxemburg) (im Folgenden: CAE) einerseits und FV, einem Grenzgänger, sowie seiner Ehefrau GW andererseits über die Weigerung der Zukunftskasse, für das Kind von GW aus erster Ehe Kindergeld zu gewähren, da dieses Kind in keinem Abstammungsverhältnis zu FV stehe.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/38

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 2004/38 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

  1. ‚Unionsbürger’ jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;
  2. ‚Familienangehöriger’

    1. den Ehegatten;
    2. den Lebenspartner, mit dem der Unionsbürger auf der Grundlage der Rechtsvorschriften eines Mitglieds...

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