Verfahrensgang
LG Oldenburg (Vorlegungsbeschluss vom 28.09.2010; Aktenzeichen 1 O 755/10) |
Tenor
Die Vorlage ist unzulässig.
Tatbestand
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob § 21 Satz 2 des Gesetzes für den Freistaat Oldenburg betreffend die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg (Staatsbank) vom 22. September 1933 in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1937 (Nds. GVBl. Sb II, S. 751), geändert durch § 78 Abs. 3 des Gesetzes vom 2. Juni 1982 (Nds. GVBl. S. 139), insofern mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als der Antrag der Kreditanstalt im Zwangsvollstreckungsverfahren den vollstreckbaren Titel ersetzt.
I.
In dem zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren geht die Klägerin im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung einer Darlehensforderung durch die Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg (fortan: Beklagte) vor. Die Klägerin vertritt dort unter anderem die Auffassung, § 21 Satz 2 des Gesetzes für den Freistaat Oldenburg betreffend die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg (Staatsbank) sei verfassungswidrig, weil er gegen das Gebot der Normenklarheit und gegen Art. 3 GG verstoße. Es fehle daher an dem für die Zwangsvollstreckung notwendigen Titel.
Das Landgericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 21 Satz 2 des Gesetzes für den Freistaat Oldenburg betreffend die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg (Staatsbank) insofern mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als ein Antrag der Kreditanstalt den vollstreckbaren Titel ersetzt. Den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss hat der originäre Einzelrichter der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts gefasst (§ 348 ZPO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist unzulässig. Der Einzelrichter war hier gehindert, allein (gemäß § 348 Abs. 1 ZPO) über eine Normenkontrollvorlage zu entscheiden.
Im Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht den Gerichten vorbehalten (Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG). „Gericht” kann in einem Kollegialgericht auch der Einzelrichter sein, soweit er nach der jeweiligen Prozessordnung dazu berufen ist, die anstehende Entscheidung allein zu treffen (vgl. BVerfGE 54, 159 ≪163 f.≫). Das ist hier nicht der Fall.
Der Einzelrichter hätte den Rechtsstreit aufgrund des für ihn maßgeblichen Verfahrensrechts zunächst der Zivilkammer zur Übernahme vorlegen müssen. Das sieht § 348 Abs. 3 ZPO für den Fall vor, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Hält der Einzelrichter eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig, auf deren Geltung es ankommt, und will er sie deshalb mit dem Ziel der Normverwerfung dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen, so muss er – aus seiner Sicht – der Rechtssache zwingend grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 348 Abs. 3 Nr. 2 ZPO beimessen. Jede andere Bewertung wäre schlechterdings unvertretbar (vgl. zu § 348 Abs. 4 ZPO a.F.: Ulsamer, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand März 2010, § 80 Rn. 210).
Der Zuständigkeit des Einzelrichters für die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht steht weiter der auch für das Verfahren der konkreten Normenkontrolle geltende Gedanke der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit entgegen. Die Verfahrensordnung des Ausgangsverfahrens ist, sobald es um die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes geht, nicht mehr allein, sondern in ihrem Zusammenhang mit den Bestimmungen des Normenkontrollverfahrens zu sehen (vgl. BVerfGE 47, 146 ≪155≫). Zu diesen zählt die Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit. Die mit dem Normenkontrollverfahren verbundene Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und weiterer oberster Verfassungsorgane des Bundes und der Länder (vgl. § 82 BVerfGG) lässt sich nur rechtfertigen, wenn sie zur Entscheidung eines konkreten Verfahrens unerlässlich ist (vgl. etwa BVerfGE 11, 330 ≪334 f.≫; 34, 118 ≪127≫; 47, 146 ≪154 f., 159≫; 79, 256 ≪265≫). Der Einzelrichter, der eine seiner Auffassung nach entscheidungserhebliche Norm für verfassungswidrig hält, hat daher im Blick auf Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 80 ff. BVerfGG eine Entscheidung der Kammer herbeizuführen. Bei dieser Verfahrensweise erübrigt sich eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht möglicherweise deshalb, weil die Kammer in ihrer Mehrheit die Verfassungsmäßigkeit der Norm bejaht oder deren Entscheidungserheblichkeit verneint. Der Grundsatz der Subsidiarität soll zudem gewährleisten, dass der Streitstoff und die Rechtslage in einfachrechtlicher wie in verfassungsrechtlicher Hinsicht von den Fachgerichten umfassend und eingehend erörtert werden (vgl. BVerfGE 74, 69 ≪74≫; 86, 382 ≪386, 388≫). Die Gewähr hierfür bietet die Kammer als Kollegialorgan in deutlich höherem Maße als ein Einzelrichter (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 5. Mai 1998 – 1 BvL 23/97 –).
Den Beteiligten des Ausgangsverfahrens werden ihre Rechte dadurch nicht verkürzt. Fasst die Kammer keinen Vorlagebeschluss, so ist es ihnen nach Erschöpfung des Rechtswegs unbenommen, Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen