Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. nachgeburtliches Einkommen. Durchschnittsberechnung. alleinige Heranziehung von Bezugsmonaten mit positiven Einkünften. Möglichkeit der Begrenzung des Elterngeldantrags auf Bezugsmonate ohne Einkommenszufluss. monatsbezogene Betrachtungsweise. strenges Zuflussprinzip für alle Einkommensarten. Gleichbehandlung. Verfassungsrecht. Auszahlung für Urlaubs- und Gleitzeitabbau. keine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum. Nichtberücksichtigung von sonstigen Bezügen. endgültige Elterngeldfestsetzung. Ermittlung der tatsächlich zugeflossenen Einkünfte durch die Elterngeldbehörde. sozialgerichtliches Verfahren. Möglichkeit der Teilanfechtung eines ändernden Elterngeldbescheids. betragsmäßige Teilbarkeit. Änderung der (vorläufigen) Elterngeldbewilligung durch das Gericht. Verpflichtung der Elterngeldbehörde zur teilweisen Rückerstattung von bereits gezahlten Erstattungsbeträgen der Elterngeldberechtigten
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung des Elterngelds aus der Differenz zwischen dem vorgeburtlichen Einkommen und dem nachgeburtlichen Einkommen sind Bezugsmonate ohne oder nur mit negativen Einkünften der elterngeldberechtigten Person nicht zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Es liegt im Rahmen der Dispositionsfreiheit der Elterngeldberechtigten, den Elterngeldantrag nur auf diejenigen Bezugsmonate zu begrenzen, in denen keine positiven Einkünfte erzielt werden.
2. Auch in der Bezugszeit ist entscheidend, dass die elterngeldberechtigte Person die tatsächliche Verfügungsmacht über die Einnahme erlangt hat und sie darüber bestimmen kann ("strenges Zuflussprinzip", vgl BSG vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R = SozR 4-7837 § 2c Nr 8).
3. In dem Umstand, dass die Berücksichtigung des Einkommens von dem Geburtstag des Kindes und dem Überweisungstag des Gehalts abhängt, liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG, zumal die Anwendung des "strengen Zuflussprinzips" bei allen Einkommensarten gerade zu einer Gleichbehandlung führt.
4. Einer bloßen Auszahlung für Urlaubs- und Gleitzeitabbau in einem Elterngeldbezugsmonat liegt keine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit zugrunde, wenn die elterngeldberechtigte Person für diese Gegenleistung im Bezugszeitraum keine Arbeit verrichtet hat (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R = SozR 4-7837 § 1 Nr 3).
5. Zugleich kann es sich bei einer solchen Auszahlung allerdings um einen sonstigen Bezug handeln, der - vorbehaltlich einer Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers - nach § 2c Abs 1 S 2 BEEG als Einnahme gänzlich außer Betracht bleibt (vgl BSG vom 25.6.2020 - B 10 EG 3/19 R = BSGE 130, 237 = SozR 4-7837 § 2c Nr 7).
6. Für eine endgültige Bewilligung von Elterngeld muss die Elterngeldbehörde ermitteln, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt die elterngeldberechtigte Person tatsächlich (hier die zunächst nur angekündigten) Einkünfte erhalten hat.
7. Ein Bescheid zur Änderung einer vorläufigen Elterngeldbewilligung ist auch hinsichtlich der Höhe der gesamten vorläufigen Bewilligung teilweise anfechtbar, weil er betragsmäßig teilbar ist (vgl BSG vom 16.12.2021 - B 9 SB 6/19 R = SozR 4-1300 § 48 Nr 40).
8. Wird die Festsetzung des (hier vorläufigen) Elterngelds von einem Gericht rechtskräftig geändert, ist die Elterngeldbehörde als Trägerin des öffentlichen Rechts verpflichtet, der elterngeldberechtigten Person die insoweit überzahlte Erstattungssumme wieder zurückzuerstatten.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 1 S. 3, § 2c Abs. 1 Sätze 2-3, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 6, §§ 7, 8 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Fassung: 2015-01-27; EStG § 38a Abs. 1 S. 2 Hs. 1; SGB I § 42 Abs. 2 S. 2; SGB X § 20; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR 2015 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5; LStR R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 8; LStR 2015 R 39 b. 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 8; LStR R 39 b. 5 Abs. 4 S. 1; LStR 2015 R 39 b. 5 Abs. 4 S. 1; BGB § 611a; BRAO § 46; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, §§ 77, 83, 78 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. August 2020 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. November 2019 geändert. Die Klage gegen den Bescheid vom 27. September 2018 wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Revision mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das vorgenannte Urteil des Landessozialgerichts der Klägerin nur vorläufig Elterngeld zugesprochen hat.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung des ihr vorläufig bewilligten Elterngelds.
Die Klägerin ist Mutter einer 2018 geborenen Tochter. Sie lebte mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreute und erzog dieses. Vom 6.5.2018 bis zum 12.8.2018 erhielt sie Mutterschaftsgeld und einen Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld. Sie war privat krankenversichert.
Vor der Geburt ihrer Tochter war die Klägerin als Syndikusrechtsanwältin bei einem Unternehmen tätig und daneben als Rechtsanwältin zugelassen. Im Kalenderjahr 2017 erzielte sie aus beiden Tätigkeiten Einkünfte nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrags von insgesamt monatlich durchschnittlich 5815,98 Euro.
Die Klägerin beantragte Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter und legte eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vor, wonach sie für den Zeitraum vom 13.8.2018 bis zum 9.9.2018 als Urlaubs- und Gleitzeitabbau einen Betrag von 6592,64 Euro ausgezahlt bekommen werde. Mit Bescheid vom 27.9.2018 gewährte ihr die beklagte Landeskreditbank vorläufig Elterngeld. Unter Anrechnung von Mutterschaftsleistungen und des auf zwölf Monate verteilten voraussichtlichen Einkommens im Bezugszeitraum bewilligte sie im ersten und zweiten Lebensmonat kein Elterngeld, im dritten Lebensmonat 1442,68 Euro und im vierten bis zwölften Lebensmonat je 1490,77 Euro (insgesamt 14 859,61 Euro).
Im März 2019 zeigte die Klägerin der Beklagten an, ab 12.4.2019 (dem elften Lebensmonat ihrer Tochter) ihre Arbeit als Syndikusrechtsanwältin im Umfang von 28 Stunden pro Woche wieder aufzunehmen. Nach der Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 11.4.2019 sollte sie für die Zeit vom 12.4.2019 bis zum 11.6.2019 insgesamt ein Einkommen von 9987,86 Euro erhalten.
Die Zulassung der Klägerin als Rechtsanwältin blieb auch nach der Geburt ihrer Tochter bestehen. Aus dieser Tätigkeit erzielte sie indes im gesamten Bezugszeitraum des Elterngelds wegen fortlaufender Ausgaben für eine Berufshaftpflichtversicherung, Kammerbeiträge und Gebühren für die Karte des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nur negative Einkünfte.
Mit Änderungsbescheid vom 25.4.2019 bewilligte die Beklagte vorläufig Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes iHv 1028,60 Euro und dessen vierten bis zwölften Lebensmonat iHv monatlich 1062,89 Euro (insgesamt 10 594,61 Euro). Die Einkünfte der Klägerin im Bezugszeitraum aus der Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin verteilte sie auf zwölf Monate. Das überzahlte Elterngeld forderte sie zurück.
Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Umlegung ihrer Einkünfte auf zwölf Lebensmonate. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.6.2019 zurück.
Auf die Klage hat das SG mit Urteil vom 15.11.2019 die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 27.9.2018 und 25.4.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2019 verurteilt, der Klägerin vorläufig Elterngeld für die Zeit vom 12.8.2018 bis zum 11.9.2018 (dritter Lebensmonat des Kindes) und vom 12.4.2019 bis zum 11.6.2019 (elfter und zwölfter Lebensmonat des Kindes) iHv monatlich 312,99 Euro sowie für den Zeitraum vom 12.9.2018 bis zum 11.4.2019 (vierter bis zehnter Lebensmonat des Kindes) iHv monatlich 1800 Euro zu zahlen (insgesamt 13 538,97 Euro). Die positiven Einnahmen der Klägerin im dritten, elften und zwölften Lebensmonat ihrer Tochter aus der Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin seien bei der Durchschnittsbildung nur auf diese Monate umzulegen. Im vierten bis zehnten Lebensmonat des Kindes sei kein Einkommen zu berücksichtigen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin vorläufig Elterngeld für den dritten Lebensmonat des Kindes iHv 290,32 Euro und für den elften und zwölften Lebensmonat iHv 300 Euro sowie für den vierten bis zehnten Lebensmonat iHv monatlich 1800 Euro zu gewähren (insgesamt 13 490,32 Euro). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. In die Berechnung des Durchschnittseinkommens im Bezugszeitraum seien nach dem Gesetzeswortlaut nur die Monate einzubeziehen, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit habe. Monate ohne Erwerbseinkommen seien vollständig auszuklammern. Für die Durchschnittsberechnung sei zunächst jede Einkommensart für sich zu betrachten. Die sich aus der selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin ergebenden negativen Einkünfte wirkten sich auf die weitere Elterngeldberechnung nicht aus. Als Syndikusrechtsanwältin sei die Klägerin nicht durchgehend tätig gewesen. Vielmehr habe sie die Arbeit erst zum 12.4.2019 wieder aufgenommen. Die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis hätten während der Elternzeit geruht, sodass als Bezugsmonate mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit für die Durchschnittsberechnung lediglich der dritte, elfte und zwölfte Lebensmonat des Kindes zu berücksichtigen seien. Nicht entscheidend für die Durchschnittsberechnung sei, ob das in diesen Lebensmonaten erwirtschaftete Arbeitsentgelt der Klägerin auch in diesen Monaten tatsächlich zugeflossen sei. Vielmehr würden alle regelmäßigen Gehaltszahlungen für diesen Zeitraum unabhängig vom jeweiligen konkreten Überweisungstag erfasst (Urteil vom 18.8.2020).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 2 Abs 1 und 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Das von der Klägerin im dritten, elften und zwölften Lebensmonat ihrer Tochter als Syndikusrechtsanwältin bezogene Einkommen sei auf alle zwölf Monate des Bezugszeitraums gleichmäßig zu verteilen. Dies folge daraus, dass die Klägerin sowohl ihre selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin als auch ihre Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin während des gesamten Bezugszeitraums fortgeführt habe, weil sie ihre Zulassung als Rechtsanwältin und Syndikusrechtsanwältin beibehalten und auch keinen Antrag auf Befreiung von der Kanzleipflicht gestellt habe. Dass die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin im Bezugszeitraum nur negative Einkünfte erzielt habe, sei unerheblich. Nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum BEEG seien Monate, in denen die Erwerbstätigkeit zu Null- oder Negativeinkünften geführt habe, elterngeldrechtlich als Monate mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu behandeln. Etwas Anderes gelte nur, wenn der Elterngeldberechtigte - anders als die Klägerin - ausschließlich negative Einkünfte erzielt habe. Aus der Summe der positiven Einkünfte aller Einkunftsarten seien für die einzelnen Lebensmonate des Kindes, in denen die Klägerin erwerbstätig gewesen sei, unabhängig von der Höhe der darin jeweils erzielten Einkünfte, Durchschnittswerte aus allen Einkunftsarten zu bilden. Eine gesonderte Betrachtung einerseits der summierten Einnahmen aus der Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin nach § 2 Abs 3 BEEG und andererseits der summierten Einnahmen aus der selbstständigen Rechtsanwaltstätigkeit nach § 2 Abs 1 BEEG sei nicht zulässig. Es widerspreche Sinn und Zweck des Elterngelds als steuerfinanzierte Sozialleistung und der Eigenverantwortung der Elterngeldberechtigten, wenn höherverdienende Elterngeldberechtigte in einzelnen Monaten neben dem Erwerbseinkommen den Mindestbetrag des Elterngelds und in den übrigen Monaten den Höchstbetrag des Elterngelds erhielten, obwohl sie aufgrund ihres Einkommens in der Lage wären, Rücklagen für Zeiten des Einkommensausfalls zu bilden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18.8.2020 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.11.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Der Klägerin steht vorläufig Elterngeld in der vom LSG zugesprochenen Höhe zu. Nur soweit das LSG den Bescheid vom 27.9.2018 abgeändert hat, ist die Revision erfolgreich, weil die Klage gegen diesen bestandskräftigen Bescheid unzulässig ist.
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Gewährung höheren als des von ihr der Klägerin bewilligten Elterngelds für den dritten bis zwölften Lebensmonat des Kindes durch das LSG.
B. Die zulässige Revision der Beklagten ist nur begründet, soweit das SG den Bescheid vom 27.9.2018 abgeändert und das LSG diese Abänderung bestätigt hat (dazu unter 1.). Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen, weil der Klägerin vorläufig Elterngeld in der vom LSG zugesprochenen Höhe zusteht (dazu unter 2. - 5.).
1. Zu Unrecht ist mit dem angefochtenen Urteil auch der Ausgangsbescheid vom 27.9.2018 geändert worden. Die Klage auf Abänderung dieses Bescheids (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) war mangels Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG) unzulässig und deshalb abzuweisen. Denn die Klägerin hatte gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt (§ 83 SGG). Dadurch ist dieser Bescheid nach § 77 SGG hinsichtlich der vorläufigen Bewilligung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass eines endgültigen Verwaltungsakts bindend geworden (vgl BSG Urteil vom 22.3.2006 - B 12 KR 14/05 R - BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5, RdNr 12 mwN), soweit ihn die Beklagte mit Bescheid vom 25.4.2019 nicht abgeändert hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 7a), hier also soweit die vorläufige Bewilligung des Elterngelds im dritten bis zwölften Lebensmonat des Kindes in der Höhe unverändert geblieben ist.
2. Zutreffend hat das LSG hingegen die Klage gegen den Änderungsbescheid der Beklagten vom 25.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2019 (§ 95 SGG) als zulässig angesehen. Diese ist als reine Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) statthaft. Bereits durch die teilweise Anfechtung kann die Klägerin die Absenkung des ihr ursprünglich von der Beklagten gewährten höheren Elterngelds beseitigen und damit ihr Rechtsschutzziel eines höheren Elterngelds vollständig erreichen. Der Änderungsbescheid ist auch hinsichtlich der Höhe der gesamten Bewilligung teilweise anfechtbar, weil er betragsmäßig teilbar ist (vgl BSG Urteil vom 16.12.2021 - B 9 SB 6/19 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 40 ≪vorgesehen≫ - juris RdNr 25 f).
Die bisher nur vorläufige Gewährung von Elterngeld durch die Beklagte steht einer gerichtlichen Entscheidung über die Höhe des Anspruchs nicht entgegen. Die Bewilligung vorläufiger Leistungen nach § 8 Abs 3 BEEG ist ein eigenständiger Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X, der gesondert mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann (stRspr; zB BSG Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 6/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 15 RdNr 13 mwN).
3. Die Teilanfechtungsklage der Klägerin gegen den Änderungsbescheid der Beklagten vom 25.4.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.6.2019 (§ 95 SGG) ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die vorläufige Bewilligung von Elterngeld in der vom LSG zugesprochenen Höhe. Der anderslautende Änderungsbescheid der Beklagten ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten.
Zwar war die Beklagte grundsätzlich nach § 8 Abs 3 Nr 3 BEEG befugt, die Bewilligung durch Bescheid vom 27.9.2018 mit dem Änderungsbescheid vom 25.4.2019 wegen der voraussichtlichen Einkünfte der Klägerin im Bezugszeitraum herabzusetzen. Bis zum Zeitpunkt einer endgültigen Entscheidung umfasst § 8 Abs 3 BEEG und der darauf gestützte Vorbehalt der Vorläufigkeit auch die Rechtsgrundlage für eine Abänderung der vorläufigen Bewilligung (vgl BSG Urteil vom 8.3.2018 - B 10 EG 8/16 R - BSGE 125, 162 = SozR 4-7837 § 2c Nr 3, RdNr 20; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 13/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 29 RdNr 14). Die Herabsetzung des Elterngelds im von der Beklagten vorgenommenen Umfang konnte aber keinen Bestand haben; insoweit war der Bescheid vom 25.4.2019 abzuändern (dazu sogleich unter 4.).
4. Die Klägerin erfüllt die Grundvoraussetzungen des Elterngeldanspruchs (dazu unter a). Der Bemessungssatz des Elterngelds beträgt 65 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ihrer Tochter (dazu unter b). Die Bemessungsgrundlage für ihr Elterngeld ergibt sich für den dritten, elften und zwölften Lebensmonat des Kindes aus § 2 Abs 3 BEEG, für dessen vierten bis zehnten Lebensmonat aus § 2 Abs 1 BEEG(dazu unter c) .
a) Die Klägerin war dem Grunde nach zum Bezug von Elterngeld berechtigt. Ihr Anspruch richtet sich nach dem BEEG in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutzrechts vom 23.5.2017 (BGBl I 1228).
Wie von § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 6 BEEG vorausgesetzt, hatte die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit der von ihr selbst betreuten und erzogenen Tochter und übte im Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit im Umfang von mehr als durchschnittlich 30 Wochenstunden aus. Als selbstständige Rechtsanwältin war die Klägerin noch nicht wieder aktiv tätig. Die angezeigte Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin ab 12.4.2019 im Umfang von 28 Stunden pro Woche durfte prognostisch einer vorläufigen Bewilligung zugrunde gelegt werden. Der angekündigten Auszahlung für Urlaubs- und Gleitzeitabbau im dritten Lebensmonat lag keine anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit zugrunde, weil die Klägerin für diese Gegenleistung im Bezugszeitraum keine Arbeit verrichtet hat (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3 RdNr 26 ff).
b) Ausgehend von dem berücksichtigungsfähigen Einkommen der Klägerin vor der Geburt ihrer Tochter ergibt sich als Ausgangspunkt für die Berechnung des Elterngelds ein Bemessungssatz von 65 Prozent. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld iHv grundsätzlich 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes sowie abhängig von der Einkommenshöhe nach weiterer Maßgabe des gleitenden Bemessungssatzes aus § 2 Abs 2 Satz 2 BEEG bis zu einem Höchstbetrag iHv 1800 Euro monatlich und einem Mindestbetrag iHv 300 Euro monatlich gezahlt (§ 2 Abs 1 Satz 2, Abs 4 Satz 1 BEEG). Diese gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte zutreffend umgesetzt. Zu Recht hat sie dabei gemäß § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG als Bemessungszeitraum das Kalenderjahr 2017 zugrunde gelegt, weil die Klägerin im Jahr 2017 auch Einkommen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin bezogen hatte.
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten bestimmte sich die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld der Klägerin lediglich im dritten, elften und zwölften Lebensmonat ihrer Tochter nach der vom LSG auch rechnerisch richtig angewendeten Vorschrift des § 2 Abs 3 BEEG(dazu unter aa) , im vierten bis zehnten Lebensmonat des Kindes dagegen nach § 2 Abs 1 BEEG(dazu unter bb) .
aa) § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass die berechtigte Person in Monaten nach der Geburt des Kindes ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen vor der Geburt. Aussicht auf ein solches nachgeburtliches Einkommen hatte die Klägerin lediglich im dritten, elften und zwölften Lebensmonat ihrer Tochter.
Für den Begriff des "Einkommens aus Erwerbstätigkeit" verweist § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG auf die Definition des § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG(vgl BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 18/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 23 RdNr 31), die am Ende ausdrücklich auch die Bezugszeit von Elterngeld einschließt. Danach errechnet sich das voraussichtliche Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum aus der Summe ihrer positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus selbstständiger Arbeit gemindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG.
Zu berechnen ist dieses Einkommen des Elterngeldberechtigten in den Monaten der Bezugszeit in drei Schritten. In einem ersten Schritt ist dessen Einkommen getrennt nach den vom Gesetz genannten Einkunftsarten zu ermitteln und um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG zu mindern. Vom Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit ist gemäß § 2c Abs 1 Satz 1 BEEG monatlich ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags abzuziehen. Dabei sind als Rechenposten auch negative Einkünfte je Einkunftsart zu berücksichtigen (dazu unter ≪1≫). In einem zweiten Schritt sind die positiven Beträge der verschiedenen Einkunftsarten zu summieren (dazu unter ≪2≫), um danach in einem letzten - dritten - Schritt den vom Gesetz verlangten monatlichen Durchschnitt allein aus den Monaten zu bilden, aus denen Einkommen in die Summe positiver Einkünfte eingeflossen ist (dazu unter ≪3≫). Diese Berechnungsmethode hat das LSG zutreffend angewandt (dazu unter ≪4≫).
(1) Diese im ersten Schritt nach Einkommensarten getrennte Berechnungsweise ergibt sich schon aus Wortlaut und Aufbau des § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG und der dortigen, auch für § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG maßgeblichen Begriffsbestimmung des "Einkommens aus Erwerbstätigkeit". § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG ist untergliedert in getrennte, mit den Gliederungsziffern "1." und "2." versehene Gruppen von Einkunftsarten, verbunden durch das Wort "sowie". Bereits diese Untergliederung legt eine schrittweise Berechnung nahe.
Systematisch spricht für eine nach Einkunftsarten getrennte Ermittlung die steuerliche Unterscheidung dieser Einkunftsarten, der das Elterngeld steuerrechtsakzessorisch folgt. Dies spiegelt sich insbesondere im unterschiedlichen Regime der Einkommensermittlung in § 2c BEEG einerseits und § 2d BEEG andererseits wider. Die getrennte Ermittlung beugt im Fall ausschließlich negativer Einkünfte aus einer Einkunftsart einem vertikalen Verlustausgleich vor. Diesen wollte der Gesetzgeber sowohl im Bemessungs- als auch im Bezugszeitraum ausdrücklich ausschließen, um einerseits steuerliche Gestaltungsoptionen einzuschränken und andererseits ein übermäßiges Absinken des Elterngelds durch negative Einkünfte vor der Geburt zu vermeiden (BSG Urteil vom 27.6.2013 - B 10 EG 2/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 21 RdNr 32 mwN).
Danach hatte die Klägerin nach dem ersten Berechnungsschritt lediglich im dritten, elften und zwölften Bezugsmonat (= Lebensmonat des Kindes) überhaupt mit dem Zufluss von Einnahmen und zwar aus nichtselbstständiger Arbeit zu rechnen. Nach der Einkommensprognose der Beklagten hatte die Klägerin für diese Monate Aussicht auf Einnahmen von insgesamt 16 580,50 Euro aus ihrer Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin. Nach den vorgelegten Bescheinigungen ihres Arbeitgebers sollte sie aufgrund ihrer Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin im Zeitraum vom 13.8.2018 bis zum 9.9.2018 einen Betrag von 6592,64 Euro für Urlaubs- und Gleitzeitabbau und für die Zeit vom 12.4.2019 bis zum 11.6.2019 ein Gehalt iHv 9987,86 Euro für ihre in Teilzeit wieder aufgenommene Arbeit erhalten. Mit negativem Einkommen aus dieser Beschäftigung war nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Bezugszeitraum nicht zu rechnen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die für Urlaubs- und Gleitzeitabbau angekündigte Vergütung statt als laufender Arbeitslohn als sonstiger Bezug zu bewerten ist, der dann gemäß § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG als Einnahme außer Betracht bleibt (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 3/19 R - BSGE 130, 237 = SozR 4-7837 § 2c Nr 7, RdNr 20 ff). Aus der Einordnung als sonstiger Bezug würde aber lediglich folgen, dass der Klägerin weniger Einkommen im Bezugszeitraum zugeflossen wäre. Daraus ergäbe sich für sie insgesamt ein höherer Elterngeldanspruch. Insoweit ist die Beklagte als Revisionsführerin allerdings nicht beschwert.
Die hier relevanten Einnahmen aus der nichtselbstständigen Arbeit der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin sind gemäß § 2c Abs 1 Satz 1 BEEG monatlich um ein Zwölftel des maßgeblichen Arbeitnehmer-Pauschbetrags und die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG zu vermindern.
Als selbstständige Rechtsanwältin hatte die Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in sämtlichen Bezugsmonaten lediglich negative Einkünfte zu erwarten. Auf die zwischen den Beteiligten diskutierte Frage, ob die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin und als Syndikusrechtsanwältin allein wegen des Beibehaltens ihrer Anwaltszulassung während des gesamten Bezugszeitraums weiter fortgeführt habe, kommt es dagegen nicht entscheidend an. Denn § 2 Abs 1 und 3 BEEG stellen allein auf die Summe der positiven Einkünfte aus Erwerbstätigkeit ab, die die elterngeldberechtigte Person erhalten hat (BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 8 RdNr 38; BSG Urteil vom 13.12.2018 - B 10 EG 9/17 R - juris RdNr 29). Der Umstand der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und deren für einen Elterngeldanspruch unschädlicher Umfang wird dagegen in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4 iVm Abs 6 BEEG geregelt.
(2) Im zweiten Berechnungsschritt sind nach § 2 Abs 3 Satz 1 iVm § 2 Abs 1 Satz 3 BEEG die positiven Einkünfte des Elterngeldberechtigten aus nichtselbstständiger und selbstständiger Arbeit im Bezugszeitraum zu addieren. Für die Klägerin ergeben sich positive Einkünfte nur aus ihrer nichtselbstständigen Arbeit als Syndikusrechtsanwältin.
(3) Im dritten Schritt der Berechnung ist gemäß § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG zu ermitteln, ob das nachgeburtliche Einkommen im Bezugszeitraum durchschnittlich geringer ist als das vorgeburtliche Einkommen im Bemessungszeitraum.
In diese Durchschnittsbildung sind nach dem Gesetzeswortlaut lediglich solche Monate nach der Geburt des Kindes einzubeziehen, "in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat". Das Einkommen im Bezugszeitraum wird daher errechnet, indem die ermittelte Summe der positiven Einkünfte durch die Anzahl der Monate, aus denen Einkommen in diese Summe eingeflossen ist, geteilt wird.
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist § 2 Abs 3 BEEG aus systematischen Gründen und wegen des Zwecks der Gewährung von Elterngeld als Einkommensersatz unanwendbar, wenn der Elterngeldberechtigte während des Anspruchszeitraums nur negative Einkünfte hat und ihm damit keine eigenen Mittel zur Verfügung stehen (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 18/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 23 RdNr 29 ff). Dies ist dahingehend fortzuentwickeln, dass eine Differenzberechnung nach § 2 Abs 3 BEEG auch für solche Monate nicht erfolgt, aus denen kein Einkommen in die Summe positiver Einkünfte eingeflossen ist. Auszunehmen von der Durchschnittsbildung sind daher Bezugsmonate ohne Einkommen und Monate mit ausschließlich negativen Einkünften, das oder die nicht in die Ermittlung der positiven Einkünfte einer Einkunftsart als Rechenposten eingeflossen ist bzw sind. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut (dazu unter ≪a≫) sowie dem Sinn und Zweck der Norm, wie er insbesondere in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (dazu unter ≪b≫).
(a) Schon die Untergliederung von § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG in einen Hauptsatz und zwei aneinandergereihte Relativsätze ("für Lebensmonate …, in denen die berechtigte Person ein Einkommen … hat, das durchschnittlich …") legt nahe, zunächst die Bezugsmonate mit Einkommen zu bestimmen und erst anschließend den Durchschnitt dieser Monate zu bilden. Der von § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG verwendete Begriff des Durchschnitts beschreibt nach dem allgemeinen Wortverständnis den aus mehreren vergleichbaren Größen errechneten Mittelwert (siehe Stichwort "Durchschnitt" auf Duden online, unter https://www.duden.de/Rechtschreibung/Durchschnitt, abgerufen am 27.10.2022). Fließt daher aus einem Monat kein Einkommen in die Summe ein, so enthält dieser Monat keine vergleichbare Größe für die Berechnung des Mittelwerts.
(b) Von diesem Wortverständnis gehen auch die Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 3 BEEG aus. Danach soll für alle Bezugsmonate, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, ein Gesamtdurchschnitt des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gebildet werden, auch wenn die betreffenden Monate zeitlich nicht aneinander anschließen (BT-Drucks 17/9841 S 18 zu Doppelbuchstabe aa; ebenso Gräf in Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 2. Aufl 2018, § 4 BEEG RdNr 97). Des Weiteren wird in den Materialien darauf hingewiesen, dass bei der Ermittlung des Elterngelds während der Bezugszeit ausdrücklich zwischen Zeitabschnitten mit und ohne Einkommen zu unterscheiden ist (BT-Drucks 18/2583 S 24 zu Nr 2).
Es entspricht auch systematisch der monatsbezogenen Betrachtungsweise des Elterngelds, die Frage, welcher Monat überhaupt mit Einkommen belegt ist, vor der Durchschnittsbildung zunächst gesondert für jeden Bezugsmonat einzeln zu beantworten. Zudem würde bei einer regelmäßigen Durchschnittsbildung über sämtliche Monate des Bezugszeitraums bereits Einkommen in einem einzigen Monat ausreichen, um sämtliche Bezugsmonate mit Einkommen zu belegen und in die Differenzberechnung einzubeziehen. Für die von § 2 Abs 3 BEEG getroffene Unterscheidung nach Monaten mit und ohne Einkommen bliebe dann praktisch kein Anwendungsbereich mehr.
Nach der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers soll Maßstab für die Höhe des Elterngelds im Fall der Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum der tatsächliche Einkommensausfall sein (BT-Drucks 16/1889 S 20 zu Abs 3). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; vgl auch BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 18/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 23 RdNr 33). Die tatsächlichen und individuellen Verhältnisse werden jedoch nicht zutreffend abgebildet, wenn das Einkommen von Elterngeldberechtigten im Durchschnitt auch auf Bezugsmonate verteilt wird, in denen kein Einkommen vorhanden ist. Damit würde die Einkommensersatzfunktion des Elterngelds abgeschwächt (vgl Schnell in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 3. Aufl 2021, § 2 BEEG RdNr 32). Zwar relativiert im Fall der Klägerin auch die Durchschnittsbildung zwischen dem dritten, elften und zwölften Lebensmonat des Kindes den Ausgleich der tatsächlichen finanziellen Einbußen. Dies ist aber vom Gesetzgeber durch den Begriff des Durchschnitts ausdrücklich normiert, im Gegensatz zu der Durchschnittsbildung über sämtliche Bezugsmonate.
Eine von der Beklagten angenommene Obliegenheit der Klägerin, das für andere Bezugsmonate erhaltene Einkommen "anzusparen", ist dagegen nicht normiert. Sie wäre auch systemwidrig. Ein hohes Einkommen bewirkt erst unter den Voraussetzungen des § 1 Abs 8 BEEG einen Anspruchsausschluss. Das BEEG schließt ansonsten auch höherverdienende Elterngeldberechtigte in Monaten ohne Einkommen nicht von der Gewährung des Elterngeld-Höchstbetrags aus (vgl zu § 1 Abs 8 BEEG: BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 13/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 29).
Soweit die Beklagte anführt, es dürfe nicht günstiger sein, nur für Lebensmonate, in denen negative Einkünfte vorliegen, Elterngeld zu beantragen, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Denn das negative Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit fließt nach dem aufgezeigten Rechenweg auch bei einer Begrenzung des Elterngeldantrags auf den vierten bis zehnten Lebensmonat des Kindes nicht als Rechenposten in die Summe positiver Einkünfte ein, weil die Klägerin aus dieser Einkunftsart (auch) in diesem Zeitraum nur negative Einkünfte hatte. Im Übrigen läge diese Begrenzung des Antrags auf Elterngeld im Rahmen der Dispositionsfreiheit der Elterngeldberechtigten.
(4) Die beschriebene, von § 2 Abs 3 BEEG geforderte Berechnungsweise hat das LSG für den dritten, elften und zwölften Lebensmonat des Kindes zutreffend angewandt. Das nach § 2 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 3 BEEG ermittelte voraussichtliche Einkommen der Klägerin aus Erwerbstätigkeit in diesen Bezugsmonaten belief sich auf deutlich über 2770 Euro (= ein Drittel der Einkünfte iHv 16 580,50 Euro = 5526,83 Euro abzüglich des anteiligen Arbeitnehmerpauschbetrags gemäß § 9a Satz 1 Nr 1 Buchst a Einkommensteuergesetz ≪EStG≫ in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 22.12.2014 ≪BGBl I 2417≫ und der Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG) und war nicht durchschnittlich geringer als ihr Einkommen vor der Geburt. Darüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht auch kein Streit. Gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 BEEG war vorgeburtlich ein maximales Durchschnittseinkommen von 2770 Euro zugrunde zu legen, obwohl das tatsächliche Durchschnittseinkommen der Klägerin höher lag. Da auch das durchschnittliche Einkommen der Klägerin im dritten, elften und zwölften Lebensmonat ihrer Tochter den monatlichen Vergleichshöchstbetrag von 2770 Euro übersteigt, verbleibt in diesen Monaten kein Unterschiedsbetrag. Elterngeld ist der Klägerin damit für die genannten Bezugsmonate nur in Höhe des Mindestbetrags von 300 Euro monatlich nach § 2 Abs 4 Satz 1 BEEG zu gewähren. Im dritten Lebensmonat der Tochter sind zudem Mutterschaftsleistungen gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BEEG abzuziehen. Da der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Mutterschutzgesetz in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 23.5.2017 (BGBl I 1228) der Klägerin nur bis zum 12.8.2018 und damit nur für einen Teil des Lebensmonats des Kindes zustand, ist er gemäß § 3 Abs 1 Satz 2 BEEG nur auf den entsprechenden Teil des Elterngelds, der auf den 12.8.2018 entfällt, anzurechnen. Dies entspricht im dritten Lebensmonat des Kindes, der 31 Tage umfasst, 1/31, also ausgehend von 300 Euro 9,68 Euro, sodass ein Betrag von 290,32 Euro für den dritten Lebensmonat des Kindes verbleibt.
bb) Die Bemessungsgrundlage für den vierten bis zehnten Lebensmonat des Kindes ergibt sich aus § 2 Abs 1 Satz 1 und 3 iVm § 2 Abs 2 Satz 2 und § 2b Abs 3 Satz 1 BEEG. Danach ist der Klägerin Elterngeld iHv 65 Prozent des um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu gewähren (= 65 Prozent von dem um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Einkommen der Klägerin im Jahr 2017 iHv durchschnittlich monatlich 5815,98 Euro, vorliegend also 3511,97 Euro x 0,65 = 2282,78 Euro). Über diese Berechnung besteht zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig Streit wie darüber, dass die sich daraus ergebende Summe auf den Elterngeld-Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich zu begrenzen ist (§ 2 Abs 1 Satz 2 BEEG).
5. Das so berechnete Elterngeld war nach § 8 Abs 3 Satz 1 Nr 3 BEEG lediglich vorläufig zuzusprechen. Die Prognose möglichen Einkommens in der Bezugszeit ist bisher nicht entkräftet, und die Beklagte ist durch die lediglich vorläufige Bewilligung auch nicht beschwert.
6. Bei der noch ausstehenden endgültigen Bewilligung des Elterngelds wird die Beklagte Folgendes zu berücksichtigen haben:
a) Hinsichtlich der Beschäftigung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin hat das LSG lediglich den Inhalt der vorgelegten Bescheinigungen des Arbeitgebers festgestellt, die Einnahmen der Klägerin für die Zukunft ankündigen, nicht dagegen, ob, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt sie tatsächlich diese Einkünfte erhalten hat. Diese Feststellung wird die Beklagte bei der endgültigen Bewilligung nachzuholen haben.
b) In diesem Rahmen wird die Beklagte auch zu prüfen haben, ob die Zahlung für den Urlaubs- und Gleitzeitabbau der Klägerin als laufender Arbeitslohn oder als sonstiger Bezug zugeflossen ist. Denn nach § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG sind solche Einnahmen nicht zu berücksichtigen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den allein maßgeblichen lohnsteuerlichen Vorgaben - hier insbesondere nach der Lohnsteuerrichtlinie (LStR) 2015 R 39b.2 Abs 2 Satz 2 Nr 5 und 8 - als sonstige Bezüge zu behandeln sind (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 3/19 R - BSGE 130, 237 = SozR 4-7837 § 2c Nr 7, RdNr 20 ff). Dabei wird die Beklagte die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers und deren Ausnahmen zu beachten haben (vgl BSG Urteil vom 25.6.2020 aaO, RdNr 28 ff).
c) Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung der Einkünfte zu den Bezugsmonaten wird die Beklagte entgegen der Ansicht des LSG schließlich zu ermitteln haben, wann der Klägerin das Einkommen genau zugeflossen ist. Dies folgt aus der Geltung des strengen Zuflussprinzips im Elterngeldrecht. Die vom Senat diesbezüglich bei der Berücksichtigung von Einkommen des Elterngeldberechtigten aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum entwickelten Grundsätze (vgl BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 1/18 R - BSGE 128, 235 = SozR 4-7837 § 2 Nr 33, RdNr 19 ff) gelten bei Einkommen im Bezugszeitraum entsprechend. Danach ist auch in der Bezugszeit entscheidend, dass der Elterngeldberechtigte die tatsächliche Verfügungsmacht über die Einnahme erlangt hat und er darüber bestimmen kann (BSG Urteil vom 25.6.2020 - B 10 EG 2/19 R - SozR 4-7837 § 2c Nr 8 RdNr 37). Denn die Fiktionen des § 38a Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG und der LStR R 2015 39b.5 Abs 4 Satz 1 enthalten keine abweichenden Vorgaben für das Elterngeldrecht zur zeitlichen Zuordnung von laufendem Arbeitslohn zum Bemessungsentgelt (BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 10 EG 1/18 R - BSGE 128, 235 = SozR 4-7837 § 2 Nr 33, RdNr 28 ff). Nach der gesetzgeberischen Abkehr vom modifizierten Zuflussprinzip (vgl BSG Urteil vom 27.6.2019 aaO RdNr 23) fehlt jedenfalls vor der hier noch nicht anwendbaren Einfügung des § 2c Abs 1 Satz 3 BEEG mit Wirkung vom 29.5.2020 durch das Gesetz für Maßnahmen im Elterngeld aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 20.5.2020 (BGBl I 1061) ein Anknüpfungspunkt im Gesetz, der für regelmäßige Gehaltszahlungen eine Ausnahme vom Erfordernis der Verfügungsmacht über die konkrete Einnahme zulässt.
Mit dem Zuflusszeitpunkt lässt sich das Einkommen genau einem Lebensmonat des Kindes zuordnen. Das gilt hier insbesondere für die möglicherweise erst Ende Juni 2019 und damit außerhalb des Bezugszeitraums zugeflossene Vergütung, die von der Beklagten im Rahmen der vorläufigen Bewilligung dem zwölften Lebensmonat der Tochter (12.5.2019 bis zum 11.6.2019) zugeordnet worden ist. Folge des strengen Zuflussprinzips ist, dass noch nicht zugeflossenes Gehalt bei der Elterngeldberechnung außer Betracht bleibt. Dem steht nicht entgegen, dass Gehaltsmonate und Lebensmonate des Kindes, für die monatsbezogen das Elterngeld festgesetzt wird (§ 4 Abs 2 Satz 1 BEEG), im Bezugszeitraum regelmäßig auseinanderfallen, sofern das Kind nicht zufällig am ersten Tag des Monats geboren wurde, und es deshalb vom Zufall abhängt, ob der Gehaltszufluss während des Bezugszeitraums exakt in den jeweiligen Lebensmonaten des Kindes erfolgt (vgl Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 15.8.2019 - L 1 EG 7/16 - juris RdNr 35). Dies ist unter Geltung des strengen Zuflussprinzips hinzunehmen.
Soweit das LSG dafür einen hinreichenden sachlichen Grund vermisst (vgl auch Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 15.8.2019 - L 1 EG 7/16 - juris RdNr 37), gilt Folgendes: In dem Umstand, dass die Berücksichtigung des Einkommens von dem Geburtstag des Kindes und dem Überweisungstag des Gehalts abhängt, liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG(zum diesbezüglichen Maßstab: BSG Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R - BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2, RdNr 40; BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 72 f, jeweils mwN) . Der Gesetzgeber hat im Bereich des Elterngeldrechts einen weiten Gestaltungsspielraum und braucht nicht die gerechteste und zweckmäßigste Lösung zu wählen (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 13.12.2018 - B 10 EG 9/17 R - juris RdNr 30; BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 19 RdNr 78). Die Entscheidung, bei allen Einkommensarten einheitlich das strenge Zuflussprinzip anzuwenden, führt zudem gerade zu einer Gleichbehandlung aller Einkunftsarten. Diese Gleichbehandlung ist ausgehend von dem Zweck des § 2 Abs 3 BEEG, bei Ausübung einer anspruchsunschädlichen Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum die Höhe des Elterngelds am tatsächlichen Einkommensausfall im Vergleich zum vorgeburtlichen Einkommen im Bemessungszeitraum auszurichten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 20 zu Abs 3), sachlich gerechtfertigt. Denn unabhängig von der Einkunftsart stehen die Mittel den Elterngeldberechtigten erst mit dem Zufluss tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung.
d) Der aus der Änderung des Bescheids vom 27.9.2018 resultierende Erstattungsanspruch der Beklagten für das vorläufig und mit dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlte Elterngeld (§ 42 Abs 2 Satz 2 SGB I; vgl hierzu BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 4/13 R - juris RdNr 36 mwN) fällt entsprechend geringer aus. Zwar ist dies vom LSG im Urteil nicht ausgesprochen worden und die Beklagte als Revisionsführerin insoweit auch nicht beschwert. Ihr obliegt es jedoch, als Träger öffentlichen Rechts, der Klägerin die von ihr hiernach überzahlte Erstattungssumme zurückzuerstatten.
C. Soweit das LSG der Klägerin Elterngeld zugesprochen hat, bedarf der Urteilstenor der Klarstellung. Wie sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergibt, hat das LSG die Beklagte lediglich zur vorläufigen Elterngeldgewährung verurteilt.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Unterliegen der Beklagten Rechnung. Der Erfolg der Revision im Hinblick auf die Aufhebung des Bescheids vom 27.9.2018 und der geringe Grad des Obsiegens der Beklagten in der Berufung fallen dabei nicht wesentlich ins Gewicht.
Kaltenstein Ch. Mecke Othmer
Fundstellen
Haufe-Index 15615714 |
DStR 2023, 16 |
NJW 2023, 3188 |
NZS 2023, 715 |
SGb 2023, 45 |