Leitsatz (amtlich)
Für Familienangehörige mit einem Arbeitsverdienst über der Versicherungspflichtgrenze (RVO § 165 Abs 1 Nr 2) besteht kein Anspruch auf Familienhilfe (Fortführung von BSG 1970-10-02 3 RK 91/67 = BSGE 32, 13).
2.Hat eine KK einer Krankenhausaufnahme zugestimmt, so ist sie bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus an ihre bisherige Zustimmung nicht mehr gebunden; sie hat vielmehr die Voraussetzungen der Krankenhauspflege neu zu prüfen.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1970-12-21, § 184 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1970-12-21, § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1945-03-17, § 184 Abs. 1 Fassung: 1973-12-19, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1975-08-28
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Mai 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf Familienhilfe.
Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) befand sich seine Ehefrau zur Durchführung einer Bandscheibenoperation vom 22. Oktober bis 3. November 1971 in einem M Klinikum. Anschließend begab sie sich in das Krankenhaus K (K), wo sie bis zum 22. November 1971 behandelt wurde. Die Beklagte zahlte im Rahmen der Familienhilfe dem Klinikum die Kosten des dortigen Krankenhausaufenthaltes, ohne sich vorher dem Kläger gegenüber zur Kostentragung verpflichtet zu haben. Sie erfuhr aus der Aufnahmeanzeige des Krankenhauses K., daß die Frau des Klägers als Buchhalterin beschäftigt war, und ermittelte, daß deren Gehalt mit monatlich 1.800,- DM die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritt. Sie lehnte deshalb die Übernahme der in diesem Krankenhaus entstandenen Kosten ab und teilte dem Kläger durch Bescheid vom 15. Dezember 1971 mit, Familienhilfeleistungen könnten ihm für seine Frau wegen der Höhe ihres Arbeitsverdienstes nicht gewährt werden. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das LSG hat ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Familienhilfe, weil seine Frau wegen ihres Arbeitsverdienstes nicht krankenversicherungspflichtig gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb schon die Kosten des Klinikums ohne Rechtsgrund übernommen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor, weil die Beklagte vorher dem Kläger gegenüber nicht zum Ausdruck gebracht habe, daß sie für die weitere Krankenhilfe aufkomme. Auf § 183 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) könne der Kläger seinen Anspruch nicht stützen, denn weder er noch seine Frau seien aus der Versicherung ausgeschieden. Auch ein Schadenersatzanspruch komme nicht in Betracht; dem Kläger sei kein Schaden entstanden, denn nicht er, sondern seine Frau habe die Krankenhauskosten zu tragen. Schließlich falle der Beklagten auch keine Pflichtverletzung aus dem Versicherungsverhältnis zur Last, weil ihr vor der Aufnahme der Frau des Klägers in das Krankenhaus K. nicht bekannt gewesen sei, daß diese ein die Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteigendes Gehalt bezog.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger Verletzung des § 205 Abs. 1 RVO. Er meint, die stationäre Behandlung seiner Frau in dem Klinikum und im Krankenhaus K. sei als ununterbrochener Krankenhausaufenthalt anzusehen. Zwar sei die Behandlung wegen der Bandscheibenoperation am 3. November 1971 beendet gewesen. Eine endgültige Entlassung aus "stationärer Behandlungsbedürftigkeit" habe insoweit jedoch nicht vorgelegen, als durch Überweisung in das Krankenhaus K. zur weiteren Behandlung wegen desselben Leidens fortlaufend stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei. Habe die Beklagte aber Leistungen für Krankenpflege bis zum 3. November 1971 zuerkannt, so müsse ihre Leistungspflicht deshalb auch für die Zeit bis zum 22. November 1971 bejaht werden.
Der Kläger beantragt,
alle Vorentscheidungen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die im Krankenhaus K. entstandenen Behandlungskosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, die Revision sei nicht formgerecht eingelegt worden, weil die Revisionsschrift keine ladungsfähige Anschrift der Revisionsbeklagten enthalte. Im übrigen hält sie die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält die Revisionsschrift auch deren ladungsfähige Anschrift. Die Beklagte ist in der Revisionsschrift zwar lediglich als "Allgemeine Ortskrankenkasse M" bezeichnet. Das aber reicht insoweit aus; denn in M gibt es nur eine AOK und diese ist infolge ihrer Größe und des sich daraus ergebenden Erfordernisses, ständig ein eigenes Postfach zu unterhalten, auch postalisch allgemein bekannt.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Familienhilfe (§ 205 RVO) die durch den Aufenthalt der Ehefrau des Klägers im Krankenhaus K. entstandenen Pflegekosten zu tragen. Dem Kläger steht insoweit kein Anspruch auf Familienhilfe zu. Ein Versicherter erhält für seinen berufstätigen Ehegatten dann keine Familienhilfe, wenn dessen regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst - wie das bei der Ehefrau des Klägers der Fall war - die Krankenversicherungspflichtgrenze für Angestellte (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) überschreitet. Der Senat hat diese Rechtsfrage bereits für einen Fall der freiwilligen Mitgliedschaft in einer Ersatzkasse entschieden (BSG 32, 13). Die Rechtslage ist aber bei der freiwilligen Mitgliedschaft in einer RVO-Kasse nicht anders (siehe dazu die Ausführungen des Senats aaO S. 14 unten, 15 f).
Zu Unrecht meint der Kläger, die Beklagte müsse im Rahmen der Familienhilfe die für die Behandlung seiner Frau im Krankenhaus K. erwachsenen Pflegekosten deshalb tragen, weil sie in diesem Rahmen bereits die für den vorangegangenen Aufenthalt seiner Frau in dem M Klinikum entstandenen Pflegekosten übernommen habe und die Behandlung in beiden Krankenanstalten aus medizinischer Sicht als ein einheitlicher ununterbrochener Krankenhausaufenthalt anzusehen sei. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat eine Verlegung der Ehefrau des Klägers von dem einen in das andere Krankenhaus nicht stattgefunden. Das Gegenteil läßt sich auch den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen. In der formularmäßigen "Austrittsbescheinigung" des Münchener Klinikums ist vielmehr lediglich angegeben: "Entlassen am 3. November 1971"; der vorgedruckte Vermerk: "Verlegt nach Krankenhaus/Sanatorium ..." ist gestrichen. Selbst wenn die Frau des Klägers aber von dem M Klinikum in das Krankenhaus K. verlegt worden wäre, hätte das die Beklagte nicht gehindert, ihre Leistungspflicht neu zu prüfen. Aus ihrer lediglich dem Klinikum gegenüber abgegebenen Verpflichtungserklärung zur Übernahme der in diesem Krankenhaus entstandenen Behandlungskosten ergibt sich kein Rechtsanspruch des Klägers auf Übernahme auch der Kosten, die durch eine Fortsetzung der Behandlung seiner Ehefrau in einem anderen Krankenhaus entstehen. Auch das hat der erkennende Senat bereits entschieden (BSG 16, 84 = SozR Nr. 12 zu § 184 RVO).
Allerdings hat ein Versicherter der Krankenkasse gegenüber grundsätzlich einen Anspruch auf (Fortsetzung einer) Krankenhauspflege, solange die Notwendigkeit dieser Leistungsform andauert (§ 184 RVO). Bei einer ohne Zustimmung der Kasse durchgeführten Verlegung in ein anderes Krankenhaus ist diese aber berechtigt, die medizinische Notwendigkeit der weiteren Behandlung in diesem Krankenhaus zu überprüfen (BSG 16, 84, 89 = SozR Nr. 12 zu § 184 RVO). Ebenso hat sie in einem solchen Fall aus dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das Recht und die Pflicht, das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die weitere Kostenübernahme neu zu prüfen. Es ist nicht vertretbar, ihr zu Lasten der Versichertengemeinschaft nur deshalb die Übernahme weiterer Kosten aufzubürden, weil sie - wie im vorliegenden Fall - bereits die Kosten für die in dem ersten Krankenhaus durchgeführte Behandlung ohne Rechtsgrund übernommen hat. Einen Anspruch auf Beibehaltung rechtswidrigen Verwaltungshandelns gibt es nicht (siehe Randelzhofer, JZ 1973, 536 ff).
Da die Beklagte sich dem Kläger gegenüber vor der Aufnahme seiner Ehefrau in das M Klinikum weder in einem Verwaltungsakt noch auf andere Weise verpflichtet hat, die Kosten für die stationäre Behandlung seiner Frau zu übernehmen, steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auch weder aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes noch aus irgendeinem anderen Rechtsgrund, etwa dem des Vertrauensschutzes, zu. Letzterer Grundsatz könnte - wenn er überhaupt sinngemäß auf den vorliegenden Fall anzuwenden wäre - allenfalls die Auffassung stützen, daß für die Vergangenheit, d. h. für die Zeit bis zur Entdeckung des Umstandes, daß kein Anspruch auf Familienhilfe besteht, von einer Rückforderung der bisherigen Leistungen (Zahlung der Kosten für den Aufenthalt im Klinikum) durch die Beklagte abzusehen ist (vgl. Urt. des Senats vom 26. Juni 1975 - 3 RK 70/74 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Frage ist hier jedoch nicht streitig.
Der mit der Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1971 ist nach alledem nicht zu beanstanden. Beide Vorinstanzen haben mithin der Klage zu Recht den Erfolg versagt. Die Revision des Klägers ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen