Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeugung
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 26. Mai 1999 wird verworfen.
Die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei tateinheitlichen Fällen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen freigesprochen. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft – die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten wird – hat keinen Erfolg.
Der Angeklagte hat als Staatsanwalt in Dresden im Jahre 1988 – als Vertreter in der politischen Abteilung, der er selbst nicht angehörte – zwei ausreisewillige DDR-Bürger, die mehrere Tage lang ein auffallendes Symbol „A” im PKW des einen öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt, weiterhin gemeinsam am Altmarkt in Dresden an einer Ansammlung Ausreisewilliger teilgenommen hatten, wegen Vergehen nach § 214 StGB-DDR angeklagt. Ferner hat er mit Anklageerhebung die Fortdauer der Untersuchungshaft gegen die Betroffenen beantragt und in der Hauptverhandlung – einem Strafvorschlag der Dezernentin folgend – Freiheitsstrafen von einem Jahr und drei bzw. fünf Monaten beantragt. Das Gericht hat gegen beide Betroffene jeweils ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe verhängt.
Der Freispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend annimmt, fehlt es angesichts des wiederholten Vorgehens der Betroffenen und des Umstandes, daß ihnen im zweiten Fall qualifiziertes gemeinschaftliches Vorgehen (§ 214 Abs. 3 StGB-DDR) angelastet wurde, hinsichtlich der Verhängung von Untersuchungshaft nach Maßgabe bislang vom Bundesgerichtshof entschiedener Fälle aus dem Bereich des politischen Strafrechts der DDR (vgl. nur BGHR StGB § 336 – DDR-Recht 28) jedenfalls aus subjektiven Gründen an den Voraussetzungen für die Annahme von Rechtsbeugung. Das hohe Strafmaß betreffend liegt ein Grenzfall vor.
Zwar sind in beiden Fällen bei objektiver Überdehnung der DDR-Strafgesetze dem DDR-Staat politisch mißliebige Personen aus rechtsstaatlicher Sicht unvertretbar inhaftiert und insbesondere zu unerträglich hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Zu den genannten beiden Fallbesonderheiten kommt aber hier hinzu, daß sich der Angeklagte mit seinem Tatverhalten als nicht auf politische Strafsachen spezialisierter Staatsanwalt an der üblichen Vorgehensweise seiner entsprechend spezialisierten Kollegen orientiert hat. Angesichts dieser Umstände führen der nach dem Rechtsstaatsgebot zu beachtende Vertrauensschutz und letztlich der Grundsatz, daß sich Zweifel zugunsten der Angeklagten auswirken, dazu, daß der Senat die Bewertung des Landgerichts, die Rechtsanwendung des Angeklagten sei noch keine wissentlich gesetzwidrige Entscheidung, also keine direkt vorsätzliche Rechtsbeugung im Sinne von § 244 StGB-DDR, hinnimmt und im Ergebnis nicht beanstandet (vgl. BGHR StGB § 339 – Vorsatz 1 m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 5 StR 580/98 –).
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Tepperwien, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 556905 |
NJ 2000, 208 |