Leitsatz (amtlich)
a) Die Bestimmung des § 9 DurchfVO von 1943, wonach die Vorschriften dieser Verordnung nicht im voraus zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgedungen werden können, ist dahin zu verstehen, daß keine Vorausverfügung über Einzelansprüche zugelassen ist, die im Augenblick der Vereinbarung nicht einmal dem Grunde nach entstanden
b) Die allgemeine Rückwirkungsklausel des § 43 ArbErfG kann nicht zur nachträglichen Heilung einer Vorausverfügung des Arbeitnehmers führen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme nach § 9 DurchfVO von 1943 unwirksam war.
c) Die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 ArbErfG findet keine Anwendung, wenn der Arbeitgeber die Patentanmeldung nach Erlaß des Bekanntmachungsbeschlusses zurücknimmt, nachdem er den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bereits vorher voll erfüllt hatte.
d) Zur Anpassung einer Pauschalvergütung an eine veränderte Geschäftsgrundlage (§ 12 Abs. 6 ArbErfG).
Normenkette
ArbnErfG § 12 Abs. 6, § 17 Abs. 2, § 43
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.01.1961) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 27. Januar 1961 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. April 1953 bis zum 31. Mai 1955 als Chemiker beschäftigt. Er war an einer Neuentwicklung beteiligt, die zu der Patentanmeldung C 9969 IV c/12 q führte. Der Erfindungsanteil des Klägers wurde von der Beklagten auf 30 % festgesetzt. Vor dem Ausscheiden des Klägers teilte ihm die Beklagte durch Schreiben vom 25. Mai 1955 folgendes mit:
„Wie Ihnen der Rechtsunterzeichnete bereits vor längerer Zeit mitteilte, besteht in unserem Werk die Übung, Erfindervergütungsansprüche von Angestellten, die aus unseren Diensten ausscheiden, durch eine einmalige Zahlung abzufinden. Die Patentkommission unseres Werkes, die sich mit dieser Frage beschäftigt, hält in Ihrem Fall für Ihre anteilsmäßige Beteiligung an Erfindungen Beträge in folgender Höhe für angemessen:
O.Z. 813 (C 9 063) |
DM |
500,– |
855 (C 9 969) |
" |
7.000,– |
886 (C 10458) |
" |
350,– |
904 (C 10882) |
" |
350,– |
906 (C 10976) |
" |
500,– |
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DM 8.700,– |
Wir bitten Sie, Ihr Einverständnis zu dieser Regelung auf dem beiliegenden Durchschlag zu erklären.”
Der Kläger erhob zunächst Einwendungen wegen der Höhe der vorgenommenen Bewertung; im Anschluß an eine mündliche Unterredung mit dem Vorstandsmitglied Dr. Z. erklärte er jedoch schriftlich sein Einverständnis mit dem Vorschlag der Beklagten. Ferner unterzeichnete er am 31. Mai 1955 eine Erklärung, die folgenden Schlußsatz enthielt:
„Außerdem erkläre ich, an die C. W. H. A.G. keinerlei Ansprüche mehr zu haben.”
Im Jahre 1958 teilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Wunsch noch folgende Einzelheiten bezüglich der Berechnungsgrundlagen der ihm für seinen 30 %igen Anteil an der Patentanmeldung C 9969 gezahlten Abfindung mit: Bei der Errechnung nach den Richtlinien der Beklagten sei angenommen worden, daß die Erfindung angewendet werde und ihre Anwendung Ersparnisse bringe. Die für den Anteil des Klägers errechnete jährliche Erfindervergütung betrage 1.333,– DM und die Kapitalisierung der sechsfachen Jahreserfindervergütung 6.770,35 DM, die auf 7.000,– DM aufgerundet worden seien.
Die Beklagte hat die fragliche Patentanmeldung nach dem am 18. November 1955 erlassenen, aber nicht ausgeführten Bekanntmachungsbeschluß des Deutschen Patentamts zurückgezogen.
Der Kläger erstrebt mit der vorliegenden Klage eine angemessene Erhöhung der erhaltenen Erfindervergütung, da die ursprünglich auf 100 to veranschlagte Monatsproduktion bald auf mindestens das Doppelte gestiegen sei, so daß die Beklagte an der Erfindung jährlich über 1,7 Millionen DM erspare. Der Kläger hat beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft darüber zu erteilen, für welche verkaufsfähigen Produkte und/oder für welche Zwischenprodukte die unter Mitwirkung des Klägers gemachte Erfindung C 9969 IV c/12 q von der Beklagten seit der Erfindungsanmeldung verwendet worden sei und welche Ersparnisse und/oder welchen Umsatz die Beklagte dadurch erzielt habe, und zwar aufgeschlüsselt nach Vierteljahren, unter gleichzeitiger Angabe, welche Berechnungsfaktoren die Beklagte der durch Schreiben an den Kläger von 25.5.1955 erfolgten Festsetzung der Vergütung zugrunde gelegt habe;
II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, an den Kläger die sich aus der Auskunftserteilung gemäß dem Klageantrag zu Ziff. I ergebende angemessene Erfindervergütung abzüglich von bereits gezahlten 7.000,– DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, daß der Kläger mit Rücksicht auf die vereinbarte Kapitalabfindung keine Neufestsetzung der Erfindervergütung verlangen könne. Überdies habe er keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände im Sinne des § 12 Abs. 6 ArbErfG dartun können.
Das Landgericht hat dem Auskunftsbegehren teilweise stattgegeben, indem es die Beklagte durch Teilurteil vom 15. Oktober 1959 verurteilt hat, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Berechnungsfaktoren sie der durch Schreiben vom 25.5.1955 erfolgten Festsetzung der Vergütung für die streitige Erfindung zugrunde gelegt habe. Die von der Beklagten gegen dieses Teilurteil eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht durch Urteil vom 27. Januar 1961 zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt, mit der sie ihren Abweisungsantrag weiterverfolgt, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hält den auf Auskunft gerichteten Hilfsanspruch aus dem Grunde für gerechtfertigt, weil das Vorliegen eines Hauptanspruchs auf Neufestsetzung schlüssig dargetan oder jedenfalls nicht unwahrscheinlich sei und weil diesem Hauptanspruch auch keine begründeten Einwendungen entgegenstünden.
I. Für den Auskunftsanspruch sei es bei der gegebenen Sachlage ausreichend, daß zwischen den Parteien überhaupt ein Rechtsverhältnis – in Gestalt des § 12 Abs. 6 ArbErfG – bestehe, kraft dessen der geltend gemachte Leistungsanspruch an sich zur Entstehung gelangen könne. Zur Begründung dieses Anspruchs auf Neufestsetzung der Erfindervergütung habe der Kläger schlüssig zumindest in einem Punkte eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Umstände vorgetragen, indem er sich darauf berufen habe, daß die Produktion nach dem erfindungsgemäßen Verfahren gegenüber den Anfangserwartungen auf das Doppelte gestiegen sei. Dieser von der Beklagten nicht substantiiert bestrittene Vortrag reiche zur Stützung des Auskunftsanspruchs aus, da der Kläger ohne eigenes Verschulden außerstande sei, einen genauen Nachweis zu führen. Zudem sei die Beklagte unschwer in der Lage, die begehrte und ihr zumutbare Auskunft zu erteilen, welche gerade die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung, ob wirklich ein Leistungsanspruch gegeben sei, abgeben solle.
Dieser rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsurteils ist von der Revision nicht angegriffen worden. Er steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, wonach der Anspruch auf Auskunftserteilung oder auf Rechnungslegung gemäß § 242 BGB auch in Fällen gegeben sein kann, in denen der Berechtigte im Ungewissen nicht allein über den Umfang, sondern sogar über das Bestehen seines Anspruchs ist (vgl. RGZ 108, 7; 158, 379; BGHZ 10, 387). So ist es insbesondere gesicherte Rechtsprechung des erkennenden Senats, daß für den Auskunftsanspruch in Wettbewerbs- und Warenzeichensachen, welcher einen Schadensersatzanspruch vorbereiten soll, die Darlegung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ausreicht (vgl. BGH GRUR 1954, 457 – Irus/Urus; 1957, 222, 224 – Bierbezugsvertrag; I ZR 95/60 vom 13.2.1962 (S. 35/36)).
Dem angefochtenen Urteil ist ferner zunächst insoweit beizutreten, als es überhaupt § 12 Abs. 6 ArbErfG – und nicht § 5 Abs. 5 der früher geltenden DurchfVO von 1943 – als Rechtsgrundlage des Hauptanspruchs auf Neufestsetzung angesehen hat. § 12 Abs. 6 erleichtert die Geltendmachung des Anrechts auf anderweitige Regelung der Erfindervergütung insofern, als er sich mit einer wesentlichen Änderung der für die Feststellung oder Festsetzung maßgeblichen Umstände begnügt, während nach früherem Recht durch nachträgliche Veränderung der Umstände eine „offenbare Unbilligkeit” eingetreten sein mußte. Die neue Gesetzesregelung muß gemäß § 43 Abs. 1 ArbErfG rückwirkend auch auf die Rechtsbeziehungen der Parteien angewendet werden. – Weiterhin begegnet das angefochtene Urteil, wie dargelegt, insoweit keinen Rechtsbedenken, als es sich im Rahmen seiner Entscheidung über den Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung mit der bloßen Wahrscheinlichkeit, dem Kläger könne aus § 12 Abs. 6 ArbErfG ein Hauptanspruch auf Neufestsetzung erwachsen sein, begnügt hat.
Demgegenüber bezeichnet es die Revision ohne Erfolg als ungerechtfertigt, daß sich das Berufungsgericht als Grundlage für die Verurteilung der Beklagten zur Auskunftsleistung mit einer bloßen Behauptung des Klägers begnügt habe. Zumindest hätte vom Kläger zur Stütze seines Hilfsanspruchs vorgetragen werden müssen, daß der Festsetzung seiner Vergütung eine Monatsproduktion von 100 Tonnen als maßgebend zugrunde gelegt worden sei.
Diese Revisionsrüge erscheint auf den ersten Blick als in sich widersprüchlich; denn unmöglich kann von dem Kläger ein substantiierter Vortrag über Berechnungsfaktoren erwartet werden, die er gar nicht kennt und über die er mittels seines Auskunftsantrages erst Aufklärung erhalten möchte.
Indessen steckt in dieser Rüge insofern ein richtiger Kern als bei einer durch Vereinbarung festgestellten Erfindervergütung (vgl. § 12 Abs. 1) normalerweise derjenige Vertragsteil, welcher eine Neuregelung nach § 12 Abs. 6 verlangt, imstande und verpflichtet sein wird, als „maßgebend” zugrunde gelegt worden sind. Verborgen bleiben können dem Diensterfinder die maßgebenden Umstände im Regelfall eigentlich nur, wenn die Vergütung aufgrund einer einseitigen Festsetzung durch den Arbeitgeber (§ 12 Abs. 3) beziffert wird, ohne dar der Arbeitgeber (§ 12 Abs. 3) beziffert wird, ohne daß der Arbeitgeber dabei seine Berechnungsfaktoren im einzelnen offenbart hätten.
Im vorliegenden Falle ist eine Art Mittelweg zwischen einverständlicher Feststellung und einseitiger Festsetzung der Vergütung beschritten worden, indem die Beklagte eine in ihrem Betrieb errechnete Summe genannt und dem Kläger, ohne ihn über deren Zustandekommen aufzuklären, nur die Wahl zwischen ungeprüfter Annahme oder Ablehnung gelassen hat. Nachdem sich der Kläger auf diese Art des Vorgehens eingelassen hat, könnte es – unter Zugrundelegung des heutigen Rechts – durchaus zweifelhaft sein, ob die dem Kläger seinerzeit vorenthaltenen Berechnungsfaktoren überhaupt als für die Feststellung der Abfindungssumme „maßgebliche Umstände”, d.h. als Geschäftsgrundlage, gewertet werden dürfen. Desgleichen würde es erörterungsbedürftig sein, ob nicht der Kläger dadurch auf die Aufdeckung der einseitig bei der Beklagten durchgeführten Einzelberechnung verzichtet hat, daß er das Pauschalangebot ohne Rückfragen angenommen hat.
Derartige Überlegungen können indessen nicht für die bereits im Jahre 1955 durchgeführte Pauschalabfindung des Klägers Platz greifen. Denn damals galt noch die Bestimmung des § 9 der DurchfVO von 1943, nach der die Vorschriften über Erfindervergütungen nicht im voraus zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgedungen werden konnten. Diese Vorschrift machte es dem Kläger, wie später auszuführen sein wird, rechtlich unmöglich, auf das Recht, unter gewissen Umständen eine Neuregelung zu verlangen, zu verzichten. Folglich konnte von ihm auch kein rechtswirksamer Verzicht auf Offenlegung der „maßgebenden Umstände”, also der Berechnungsfaktoren für seine Pauschalabfindung, ausgesprochen werden, weil das in der Sache einem Verzicht auf das Recht selbst, nämlich eine Neuregelung zu verlangen, gleichgekommen wäre.
Der Kläger hat also den Auskunftsanspruch, welcher ihm nach § 242 BGB im Jahre 1955 zustand, bis heute nicht verloren und kann deshalb Aufklärung darüber verlangen, aufgrund welcher Monatsproduktion der seinerzeit angebotene Pauschalbetrag errechnet worden ist. Ohne diesen Berechnungsfaktor bliebe die ihm bereits vor Klagerhebung gegebene Auskunft, man habe eine Jahresvergütung des Klägers von 1.333,– DM zugrunde gelegt, für ihn unverständlich.
II. Das Berufungsgericht legt weiterhin dar, daß dem Hilfsanspruch auf Auskunft dann nicht stattgegeben werden könnte, wenn dem Hauptanspruch begründete Einwendungen entgegenstünden. Das wird jedoch vom Berufungsgericht verneint.
a) Es prüft in erster Linie den von der Beklagten erhobenen Einwand, der Kläger habe anläßlich der ursprünglichen Feststellung der Vergütung auf deren etwaige Erhöhung verzichtet. Einen derartigen Verzicht auf eine Neufestsetzung behandelt das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 22 ArbErfG zwar als rechtsgrundsätzlich zulässig, es sieht ihn indes im Streitfall als tatsächlich nicht erwiesen an.
In diesem Punkte kann dem Berufungsgericht nur im Ergebnis und nicht in der Begründung beigetreten werden. Bei Zugrundelegung des § 22 ArbErfG sind die Vorschriften dieses Gesetzes zu Ungunsten des Arbeitnehmers solange unabdingbar, bis eine Meldung der Diensterfindung erfolgt ist. Im Anschluß an die Erfindungsmeldung sind hingegen Vereinbarungen über Diensterfindungen – vorbehaltlich der Unbilligkeitsklausel des § 23 – auch insoweit statthaft, als sie sich zu Ungunsten des Arbeitnehmers auswirken. Das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen ist aber erst am 1. Oktober 1957 in Kraft getreten. Es legt sich zwar in § 43, soweit es sich nicht um die Regelung der Inanspruchnahme handelt, rückwirkende Kraft auch hinsichtlich solcher Arbeitnehmer-Erfindungen bei, die vor seinem Inkrafttreten gemacht worden sind. Diese Rückwirkungsklausel kann indessen ihrem Schutzzweck entsprechend nur sinngemäß ausgelegt werden (vgl. BGH GRUR 1958, 334, 336 – Mitteilungs- und Meldepflicht; GRUR 1962, 305, 307 – Federspannvorrichtung). Insbesondere kann sie nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers dazu führen, daß eine von ihm vorgenommene, aber nach früherem Recht unwirksame Vorausverfügung über Vergütungsansprüche nachträglich geheilt würde.
Infolgedessen kann die Frage nach der Rechtswirksamkeit des angeblich gemäß Schreiben vom 25. Mai 1955 ausgesprochenen Verzichts auf Neuregelung nicht nach § 22 ArbErfG, sondern allein nach § 9 der DurchfVO vom 20. März 1943 beurteilt werden. Dieser bestimmte, daß die damals geltenden Vorschriften schlechthin nicht im voraus zu Ungunsten des Gefolgschaftsmitgliedes abgedungen werden konnten. Infolge dieser Bestimmung waren die damaligen Möglichkeiten der Beteiligten, eine frühzeitige Generalregelung im Hinblick auf eine Diensterfindung vorzunehmen, sogar stärker als nach heute geltendem Recht eingeschränkt. Denn durch das Verbot von Vorausverfügungen zum Nachteil des Diensterfinders unterband die Durchführungsverordnung jede Schlechterstellung seinerseits im Hinblick auf solche Einzelansprüche, die im Augenblick der Vereinbarung nicht einmal dem Grunde nach entstanden waren. Zwar wurde im älteren Schrifttum zu § 9 DurchfVO der Standpunkt vertreten, die Unabdingbarkeit der Erfindung ende, „sobald die Erfindung fertig vorliegt” (vgl. Riemschneider/Barth, Die Gefolgschaftserfindung, S. 201; Müller/Pohle, GRUR 1950; 184). Dieser Auslegung, der sich offenbar das Berufungsgericht anschließen wollte, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Denn sie berücksichtigt nicht die Besonderheit des auch im früheren Recht vorgesehenen Anspruchs auf anderweite Festsetzung der Vergütung. Dieser entstand gemäß § 5 Abs. 5 DurchfVO nicht mit der Vollendung, Anmeldung oder Inanspruchnahme der Diensterfindung, sondern erst nachträglich unter der Bedingung, daß neue Umstände eintraten, „die eine festgelegte oder festgesetzte Vergütung als offenbar unbillig erscheinen lassen.” Mit Rücksicht auf die soziale Abhängigkeit des Arbeitnehmererfinders wäre ein Vorausverzicht auf diese ungewisse Zukunftsanwartschaft mit dem Schutzzweck des § 9 DurchfVO ebenso unvereinbar gewesen wie etwa eine Vorausverfügung über noch gar nicht gemachte Diensterfindungen. Die Tragweite der durch § 9 DurchfVO eingeführten Unabdingbarkeit „im voraus” kann daher nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur dahin abgegrenzt werden, daß der Arbeitnehmer lediglich über bereits entstandene Ansprüche verfügen durfte (so auch Reimer, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 2. Aufl. S. 53; Volmer, Anm. 41 zu § 22 ArbErfG).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es mithin für die Frage, ob in der Vereinbarung vom 25. Mai 1955 ein Verzicht des Klägers auf den Neufestsetzungs-Anspruch erblickt werden kann, gar nicht auf die Begleitumstände und die Auslegung der damaligen Willenserklärung an. Denn im damaligen Zeitpunkt war die neuerdings behauptete Veränderung der maßgeblichen Berechnungsfaktoren noch gar nicht eingetreten, so daß der Kläger nach seinerzeit geltendem Recht überhaupt nicht wirksam auf die bloße Anwartschaft aus § 5 Abs. 5 DurchfVO – neuerdings § 12 Abs. 6 Art. 1 hätte Verzicht leisten können.
Auch für die vom Kläger anläßlich seines Ausscheidens am 31. Mai 1955 unterzeichnete Ausgleichsquittung ergibt sich keine andere Rechtslage, so daß sich auch insoweit eine nähere Ermittlung erübrigt, ob die Parteien in diese Erklärung überhaupt die Anwartschaft auf anderweite Festsetzung der Diensterfindungvergütung einbeziehen wollten.
Hiernach sind die Angriffe der Revision insofern nicht entscheidungserheblich, als sie unter Hinweis auf §§ 133, 157, 242 BGB und § 286 ZPO den Standpunkt vertritt, die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung der Erklärungen vom 25. und 31. Mai 1955 sei unvereinbar mit dem Abfindungscharakter der damaligen Vereinbarungen.
b) An zweiter Stelle behandelt das Berufungsgericht (BU S. 18) den von der Beklagten erhobenen Einwand, der strittigen Diensterfindung fehle die Schutzfähigkeit.
Es vertritt hierzu die Rechtsauffassung, wenn ein Arbeitgeber eine Betriebserfindung als Betriebsgeheimnis behandelt so habe er die Schutzfähigkeit entweder verbindlich anzuerkennen (§ 17 Abs. 1) oder er müsse im Streitfall das Anmeldungsverfahren beim Patentamt bis zum Erlaß eines Bekanntmachungsbeschlusses durchführen, durch den dann die Frage der Schutzwürdigkeit mit bindender Kraft für beide Vertragsteile des Arbeitsverhältnisses entschieden werde (§ 17 Abs. 2).
Daher müsse auch im vorliegenden Falle der am 18. November 1955 ergangene Bekanntmachungsbeschluß des Patentamts zwischen den Parteien vollen Beweis für die Patentwürdigkeit der Diensterfindung erbringen.
Diesen Rechtsausführungen des Berufungsgerichts liegt unausgesprochen die Vorstellung zugrunde, daß die gesetzliche Beweisvermutung des § 17 Abs. 2 ArbErfG rückwirkend auch auf solche Tatbestände angewendet werden könne und müsse, die bereits in der Vergangenheit, vor dem Inkrafttreten des ArbErfG, abgewickelt worden sind. Gegen diesen Ausgangspunkt könnten sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen Bedenken ergeben (vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil, 15. Aufl. 1959 § 61 II 3, 4, S. 355). Jedoch bedarf es insoweit keiner näheren Erörterung; denn die Beweisregel des § 17 Abs. 2 kann auf den vorliegenden Sachverhalt ohnehin keine Anwendung finden. § 17 stellt in seiner Gesamtheit eine Ausnahmeregelung zu § 13 dar, wonach der Arbeitgeber zur Anmeldung der ihm gemeldeten und unbeschränkt in Anspruch genommenen Diensterfindung verpflichtet ist. Zur Weiterverfolgung der Anmeldung und zur Aufrechterhaltung eines etwas erlangten Patentes ist der Arbeitgeber indessen, wie sich eindeutig aus § 16 ergibt, nur solange verpflichtet, bis er den Anspruch des Arbeitnehmers auf angemessenen Vergütung erfüllt hat. Ist der Vergütungsanspruch voll erfüllt, so kann der Arbeitgeber seine Rechte – sei es aus der Anmeldung, sei es aus dem erlangten Schutzrecht – aufgeben, ohne die Einwilligung des Erfinders einholen oder ihn auch nur befragen zu müssen (vgl. Reimer/Schade/Schippel, S. 173, Anm. 5 zu § 16; Amtliche Begründung zu § 15 – jetzt § 16 –; Lindenmaier/Lüdecke, §§ 13–16 Anm. 24, S. 241; Heine/Rabitzki, Anm. 2 b zu § 16 S. 91). Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte den Vergütungsanspruch des Klägers durch Zahlung der vereinbarten Pauschalsumme voll erfüllt (vgl. Reimer und Amtliche Begründung aaO). Infolgedessen war die Beklagte zur Aufgabe der Schutzrechtsanmeldung befugt, ohne zu weiterer Rücksichtnahme auf den Kläger vertraglich gehalten zu sein. Diese Maßnahme ihrerseits konnte infolgedessen auch nicht zu einer Anwendung der Beweisvermutung des § 17 Abs. 2 zu ihren Lasten führen, weil diese sinngemäß das Fortbestehen der Anmelde- und Weiterverfolgungspflicht aus §§ 13, 15 des Gesetzes voraussetzt. An dieser Rechtslage ändert sich auch nichts durch die von der Beklagten für ihr Vorgehen gegebene Begründung, daß sie nämlich die Erfindung weiterhin als Betriebsgeheimnis behandeln wolle.
c) Indessen kann der Revision auch ohne Heranziehung der gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 2 ArbErfG nicht darin beigepflichtet werden, daß der vorliegenden Klage auf Auskunfterteilung überhaupt erfolgreich der Einwand mangelnder Schutzfähigkeit der Diensterfindung entgegengesetzt werden könne.
Nach neuerer Rechtsprechung des Senats (BGHZ 37, 281 – Cromegal) muß der Arbeitgeber, der eine Diensterfindung unbeschränkt in Anspruch genommen hat und sodann auswertet hierfür, auch ohne Patentschutz zu genießen, eine vorläufige Vergütung an den Arbeitnehmer leisten. Dieses vorläufige Entgelt ist für den Zeitraum, in dem die Erfindung benutzt wird, zu entrichten und nach Maßgabe der laufenden Benutzungshandlungen zu berechnen. Je nach dem Ausgang des Patenterteilungsverfahrens wird es entweder nach Erlangung des Patentschutzes durch die – zumeist höhere – endgültige Erfindervergütung abgelöst oder es endet mit der rechtskräftigen Versagung des Patents (arg. § 10 Abs. 2 ArbErfG).
Dieser Rechtsgrundsatz ist auch für die Beziehungen der Prozeßparteien von Bedeutung. Denn die Beklagte hat die Diensterfindung des Klägers unstreitig bis zum 30. Juli 1959, also auch noch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen benutzt. Infolgedessen hätte dem Kläger zumindest für diese Auswertungszeit unter der Herrschaft des neuen Gesetzes ein Benutzungsentgelt zugestanden, das von der endgültigen Beurteilung der Patentfähigkeit unabhängig ist. Mit dieser Feststellung erweist sich der allein in die Revisionsinstanz erwachsene Auskunftsanspruch bereits als gerechtfertigt, ohne daß noch zu der Frage Stellung genommen werden müßte, ob dem Kläger das einstweilige Benutzungsgeld auch für den vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes liegenden Benutzungszeitraum zugebilligt werden kann.
Im Ergebnis ist also die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffend, daß der Einwand mangelnder Schutzfähigkeit weder den Auskunftsanspruch noch den Anspruch auf Neufestsetzung dem Grunde nach erschüttern kann, sondern daß die Frage der Schutzfähigkeit allenfalls eine Rolle im Rahmen der Prüfung spielen kann, ob und in welchem Umfange eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage eingetreten ist. Diese Feststellung kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände getroffen werden und erfordert, daß einerseits die für eine Erhöhung und andererseits die für eine Verminderung sprechenden Tatsachen gegeneinander abgewogen werden.
Besondere Bedeutung wird im Rahmen dieser Gesamtwürdigung der ebenfalls schon vom Berufungsgericht ausgesprochene Grundsatz erlangen, daß der Kläger durch Annahme der Pauschalabfindung von 7.000,– DM Umsatzerhöhungen, die sich im Rahmen einer normalen Geschäftsausweitung halten, in Kauf genommen hat. Hierdurch wird nicht nur eine Hinausschiebung der Grenze bewirkt, bei deren Überschreitung eine Neuregelung überhaupt erst in Betracht kommt, sondern aus dem Vergleichscharakter der ursprünglichen Regelung muß auch die weitere Folgerung gezogen werden, daß sich der Kläger im Falle einer Neufestsetzung – entgegen den in seinen Schriftsätzen geäußerten Erwartungen – nicht nur in Höhe der ihm ausgezahlten 7.000,– DM, sondern weiterhin in Höhe eines durch Auslegung des alten Abkommens zu ermittelnden Risiko-Abschlages als abgefunden behandeln lassen muß. Denn keinesfalls darf eine bereits vorliegende Pauschalierungsabrede aus Anlaß einer Neufestsetzung gemäß § 12 Abs. 6 völlig beiseitegeschoben werden. Das ergibt sich aus der Rechtsnatur einer derartigen Neufestsetzung, welche sich nicht in einer Neuberechnung der Vergütung unter Zugrundelegung der nunmehr genauer übersehbaren Berechnungsfaktoren erschöpft, sondern eine sinngemäße Anpassung des ganzen Abkommens vom 25. Mai 1955 an die veränderten Gesamtumstände erfordert.
III. Keine Einwendungen hat die Revision gegen den letzten Teil der Urteilsbegründung vorgebracht, in dem sich das Berufungsgericht mit dem Einwand der Beklagten auseinandersetzt, sie benutze die streitige Erfindung überhaupt nicht mehr, weil sie festgestellt habe, daß der erfindungsgemäße Wasserzusatz sich bei der Verwendung von handelsüblichen Ammoniak erübrige. Der Berufungsrichter neigt zwar grundsätzlich dazu, die Frage, ob die Beklagte die Diensterfindung tatsächlich auswertet, als für den Hauptanspruch rechtserheblich zu bezeichnen. Er hat indes von einer abschließenden Entscheidung dieser Frage abgesehen, weil die Beklagte eingeräumt habe, das streitige Verfahren vom 7.3.1959, also über drei Jahre, angewandt zu haben. Das genüge für den anhängigen Auskunftsanspruch, da ohne Kenntnis der begehrten Angaben nicht auszuschließen sei, daß schon diese dreijährige Nutzung ein solches Ausmaß angenommen haben könnte, daß die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Neufestsetzung bestünden.
Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
Nach alledem ist die Berufung gegen das Teilurteil des Landgerichts zu Recht zurückgewiesen worden, so daß die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben konnte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Wilde, Krüger-Nieland, Jungbluth, Spengler, Ebel
Fundstellen
Haufe-Index 1254464 |
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