Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 06.09.2017) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 6. September 2017 wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Beleidigung, Bedrohung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung, Bedrohung und versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Schuld- und Strafaussprüche sind auf der Grundlage rechtsfehlerfreier Feststellungen nicht zu beanstanden. Der Senat vermag dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch zu entnehmen, dass der Angeklagte im Fall 3 b) der Urteilsgründe den Polizeibeamten L. hinreichend konkret mit der Begehung eines gegen ihn gerichteten Verbrechens bedroht hat (vgl. UA S. 16). Im Hinblick auf die von Gewalttätigkeiten des Angeklagten geprägte Situation und den von dem Polizeibeamten geschilderten Wortlaut der Äußerung des Angeklagten vermag der Senat in der Bewertung der Strafkammer als Bedrohung mit einem Verbrechen keinen Rechtsfehler zu erkennen.
Rz. 3
2. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
Rz. 4
a) Das Landgericht hat die Einsatzstrafe in Höhe von einem Jahr und neun Monaten und eine weitere Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und vier Monaten für zwei Verbrechen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verhängt. Hierzu hat es festgestellt, dass der einschlägig vorbestrafte und unter Bewährung stehende Angeklagte im August 2016 bei einer unter Drogeneinfluss vorgenommenen Autofahrt acht Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffanteil von 7,05 Gramm Kokainhydrochlorid und 6,75 Gramm portionierte Cannabisblüten nebst einer Feinwaage und einem Teleskopschlagstock mit sich führte und im Januar 2017 bei einer erneut unter Betäubungsmitteleinfluss begangenen Fahrt weiteres Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 5,15 Gramm Kokainhydrochlorid besaß. Jeweils mindestens die Hälfte der Drogen wollte der Angeklagte gewinnbringend weiterverkaufen.
Rz. 5
b) Diese Feststellungen tragen die jeweiligen Schuldsprüche.
Rz. 6
aa) Besitzt ein Täter – wie hier – eine insgesamt nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln, von denen ein Teil zum Verkauf, ein anderer Teil aber zum Eigenkonsum bestimmt ist, macht er sich auch dann wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar, wenn keine dieser Teilmengen für sich gesehen die Schwelle der nicht geringen Menge erreicht (vgl. BGH, Urteile vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, BGHSt 42, 123, 126; vom 12. März 2002 – 3 StR 404/01; Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 StR 252/14; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 160; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29a Rn. 169, 206). Soweit der Senatsbeschluss vom 19. September 2017 (5 StR 401/17) in anderem Sinne zu verstehen ist, wird hieran nicht festgehalten. Das Urteil des 3. Strafsenats vom 1. Dezember 2016 (3 StR 331/16) betraf eine andere Konstellation und steht nicht entgegen.
Rz. 7
Mit dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist der Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt. Diese Strafbarkeit entfällt nicht dadurch, dass der Besitzende eine Teilmenge der Betäubungsmittel über den bloßen Besitz hinaus zu Verkaufszwecken bestimmt. Weder der Wortlaut des § 29a Abs. 1 BtMG, die Systematik des Gesetzes, dessen Sinn und Zweck noch Konkurrenzerwägungen gebieten eine andere, lediglich an den Wirkstoffgehalten der Teilmengen orientierte Auslegung, die zur Folge hätte, dass der Täter statt wegen eines Verbrechens lediglich wegen zweier tateinheitlich zusammentreffender Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BtMG bestraft würde. Vielmehr wäre es wertungswidersprüchlich, wenn ein Täter nur deshalb milder bestraft würde, weil er mit dem zusätzlichen Handeltreiben bezüglich einer Teilmenge eine weitere Handlungsmodalität des Umgangs mit Betäubungsmitteln verwirklicht, die – materiell gesehen und gemessen am Schutzgut der Tatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts – gegenüber dem Besitz einen erhöhten Unwert bedeutet (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1996 – 3 StR 5/96, aaO, S. 127).
Rz. 8
Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt lediglich gegenüber sonstigen Begehensweisen zurück, die zu Verbrechen erhoben wurden und in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgeführt sind, sowie gegenüber Straftaten, die seit jeher als Verbrechen eingestuft waren oder mit einer höheren Mindeststrafe bedroht sind, wie etwa die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 534/15). Diese Rechtsprechung beruht auf der im Betäubungsmittelstrafrecht einhellig vertretenen Auffassung, dass der Tatmodalität des Besitzes einer nicht geringen Menge, mit der der abstrakten Gefahr der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Dritte Rechnung getragen werden soll, die von einer solchen Menge ausgeht, gegenüber den genannten Delikten lediglich die Funktion eines Auffangtatbestandes zukommt (BGH aaO). Die konkurrenzrechtliche Erwägung gilt hingegen nicht für das Verhältnis des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, da ein Verbrechen durch ein Vergehen nicht verdrängt werden kann.
Rz. 9
bb) Zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG tritt tateinheitlich das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG hinzu, wenn – wie hier – die Menge der Betäubungsmittel insgesamt über die nicht geringe Menge hinausgeht und damit jenseits der für § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erforderlichen Besitzmenge ein überschießender Teil für den Weiterverkauf bestimmt ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2002 – 3 StR 404/01; Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 StR 252/14; Patzak aaO; Weber aaO). Die Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz (vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – 2 StR 14/17, NStZ-RR 2017, 340, 341) spricht dafür, in derartigen Fällen den zusätzlichen Unrechtsgehalt des Handeltreibens, das nicht typische Begleittat des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist, durch die Annahme von Tateinheit hervorzuheben.
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, König, Mosbacher, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 11875823 |
NStZ 2019, 95 |
NStZ-RR 2018, 6 |