Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 11.07.2003) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten A. und Y. gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Juli 2003 werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, den Angeklagten Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des versuchten Totschlags (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung), des Raubes (u.a.) und des Diebstahls für schuldig befunden, A. … ferner des versuchten schweren Raubes (u.a.), Y. des Raubes (u.a.), der vollendeten und der versuchten räuberischen Erpressung sowie der (vorsätzlichen) Körperverletzung. Gegen den zur Tatzeit 15-jährigen An- geklagten A. wurden fünf Jahre und sechs Monate, gegen den da- mals 14-jährigen Angeklagten Y. vier Jahre Jugendstrafe verhängt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg. Der Ausführung bedarf nur folgendes:
1. Der Senat hat über die Revisionen der jugendlichen Angeklagten nach § 48 Abs. 1 JGG nicht öffentlich verhandelt. Auch das Revisionsgericht ist erkennendes Gericht im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Wickern in Löwe/ Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 169 GVG Rdn. 1 f. m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche sind sachlichrechtlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als die Beschwerdeführer wegen tateinheitlichen gemeinschaftlich versuchten Totschlags verurteilt worden sind.
Auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung hat sich die Jugendkammer davon überzeugt, daß die von den Beschwerdeführern und den beiden Mitangeklagten gemeinsam in wechselnder Beteiligung begonnenen Gewalttätigkeiten gegen ihr zuvor ausgeraubtes, gefangen gehaltenes Opfer in Form von Schlägen und Tritten, jeweils unter Billigung der von den drei anderen zugleich verübten Gewalttätigkeiten, bis zum Abschluß der Gewalthandlungen andauerten. Währenddessen versetzte der Mitangeklagte S. dem Geschädigten mit direktem Tötungsvorsatz und Verdeckungs- absicht fünf Messerstiche, darunter einen heftigen Stich in die rechte Schläfe und einen weiteren in die linke Brustseite. Daß die Beschwerdeführer diese wiederholte Gewalteskalation ihres Mittäters wahrgenommen haben, versteht sich angesichts ihrer unmittelbaren Präsenz und ihres weiteren eigenen Vorgehens gegen das Opfer von selbst, ohne daß es hierfür noch deutlicherer Ausführungen im Urteil bedurft hätte. Die Jugendkammer hatte mit den Einlassungen der beiden Mitangeklagten und der Zeugenaussage des Geschä- digten – bei A. zusätzlich mit der Einlassung des Beschwerdefüh- rers Y. und der Aussage eines Zeugen vom Hörensagen, bei Y. zusätz- lich mit Feststellungen zu Blutanhaftungen des Opfers an Y.s Schuh – vor dem Hintergrund des bereits vorangegangenen gemeinsamen Vorgehens aller vier Mittäter gegen das Opfer eine ausreichende Beweisgrundlage zur Widerlegung der ihre fortdauernden eigenen Gewaltaktivitäten bestreitenden Einlassungen der Angeklagten.
Auch ohne Nachweis vorheriger Kenntnis vom Tötungsvorhaben S.s und eines eigenen Verdeckungsmotivs der Beschwerdeführer stel- len die aus der Fortsetzung der eigenen Gewalthandlungen rechtsfehlerfrei abgeleitete Billigung des Messereinsatzes und dessen massive konkrete Gefährlichkeit eine ausreichende Beweisgrundlage für die Annahme des jeweils bedingten Tötungsvorsatzes der mittäterschaftlich handelnden Beschwerdeführer dar. Vor dem Hintergrund des insgesamt mit äußerster Rücksichtslosigkeit einhergehenden besonders gewalttätigen Vorgehens gegen das hilflos unterlegene Opfer im Rahmen eines gruppendynamischen Geschehens mußten bei der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit des wiederholten Messereinsatzes keine weiter erörterungsbedürftigen Bedenken aus der allgemein gegebenen hohen Hemmschwelle vor einem Tötungsvorsatz hergeleitet werden, auch nicht unter Berücksichtigung des sehr jungen Lebensalters der Beschwerdeführer. Durch die lebensgefährliche Art des hier festgestellten Messereinsatzes unterscheidet sich der vorliegen- de Fall maßgeblich von dem Sachverhalt des Senatsbeschlusses vom 15. August 2000 – 5 StR 275/00, auf den der Generalbundesanwalt zur Begründung seines Terminsantrages hingewiesen hatte.
3. Die Annahme von Verantwortungsreife und uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten Y. ist rechtsfehlerfrei. Sie ist auf der Grundlage sachverständiger Beratung ausreichend begründet, und zwar bei der gegebenen Sachlage ersichtlich auch ohne Bezeichnung von Klassifikationen nach Diagnose-Handbüchern. Schließlich läßt die Bemessung der Jugendstrafen bei beiden Beschwerdeführern keinen Rechtsfehler erkennen.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen