Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 29. Mai 1998
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
- im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.
II.
1. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte bereit erklärt, zwei – zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilten – Landsleuten, die in den Niederlanden Heroin kaufen und in die Bundesrepublik Deutschland einführen wollten, „als Fahrer zu helfen”. Über die Einzelheiten des geplanten Rauschgiftgeschäftes und eine Entlohnung wurde nicht gesprochen; der Angeklagte stellte sich aber vor, für seine Fahrdienste 2.000 bis 2.500 DM oder Heroin in entsprechendem Wert zu erhalten. Mit einem ihm zur Verfügung gestellten Pkw fuhr er zusammen mit einem der Landsleute und zwei Frauen, die „zur Tarnung” mitgenommen wurden, am 20. März 1996 nach Amsterdam. Während sich der Angeklagte mit den beiden Frauen die Stadt ansah, besorgten seine Landsleute – der zweite war zwischenzeitlich in einem Leihwagen ebenfalls nach Amsterdam gefahren – Heroin und Streckmittel (1.027,01 g Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 10,2 % und 468 g Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 3 %) und versteckten dies im Ersatzreifen des Pkws. Der Angeklagte, dem bekannt war, „daß Rauschgift besorgt und nach Deutschland gebracht werden sollte”, fuhr mit den beiden Frauen zurück in die Bundesrepublik Deutschland. Kurz vor der Grenze „vergewisserte” er sich, ob tatsächlich Rauschgift „an Bord” war. Er bemerkte dabei den Zipfel einer Plastiktüte, die aus dem Ersatzreifen herausschaute. In Worms stellte er den Pkw vor seinem Haus ab. Dort holten seine Landsleute das Rauschgift aus dem unverschlossenen Pkw heraus, um es zu verkaufen.
2. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, daß der Angeklagte nur wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Die Feststellungen rechtfertigen entgegen der Meinung des Landgerichts eine Verurteilung wegen täterschaftlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Nach der Rechtsprechung ist grundsätzlich Täter, wer den Tatbestand mit eigener Hand erfüllt, auch wenn er es unter Einfluß und Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut (BGHSt 38, 315, 317). Täter der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln ist deshalb grundsätzlich, wer das Rauschgift selbst über die Grenze bringt (BGHSt 38, 315 f; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 - Einfuhr 19, 31 und 34; BGH, Urt. vom 12. August 1998 - 3 StR 160/98). Der Angeklagte hat das Heroin selbst in dem von ihm gesteuerten Pkw ohne die anderen am Rauschgiftgeschäft beteiligten Täter über die Grenze gebracht. Ihm war nicht vorgeschrieben, zu welcher Zeit und an welchem Grenzübergang er das Heroin in die Bundesrepublik Deutschland einführen sollte. Bei dieser Sachlage war es rechtlich für die Frage der täterschaftlichen Einfuhr von Betäubungsmitteln unerheblich, daß er nur „Chauffeurdienste” leisten und die Einfuhr von Rauschgift durch andere nur unterstützen wollte. Da der Angeklagte völlig eigenverantwortlich die Fahrt mit dem Pkw über die Grenze durchführte, kommt angesichts der objektiven Gegebenheiten seiner Willensrichtung keine rechtliche Bedeutung zu. Durch die Fassung der Vorschrift des § 25 Abs. 1 StGB sollte – mit denkbaren Abweichungen in extremen Ausnahmefällen – der Tendenz entgegengewirkt werden, eigenhändige Tatbestandsverwirklichungen unter Berufung lediglich auf den angeblich fehlenden Täterwillen zu bloßer Teilnahme abzuwerten (BGHSt 38, 317 ff; vgl. auch Lackner StGB 22. Aufl. § 25 Rdn. 1). Für einen solchen extremen Ausnahmefall liegen keine Anhaltspunkte vor.
3. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist aber, daß das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Der Schuldspruch wegen (Mit-) Täterschaft hinsichtlich der unerlaubten Einfuhr bedingt nicht notwendig auch die Bewertung des Vorgehens des Angeklagten als täterschaftliches Handeltreiben (BGHSt 38, 319; vgl. BGH NStZ 1982, 243; 1984, 413; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 6, 12, 24, 25 und 36; vgl. auch BGH, Beschl. vom 11. Juni 1997 - 2 StR 211/97; Urt. vom 12. August 1998 - 3 StR 160/98). Vielmehr bedarf es der Abgrenzung der Mittäterschaft zur Beihilfe nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36).
Der Tatbestand des Handeltreibens ist zwar weit auszulegen und erfaßt grundsätzlich alle Tätigkeiten – also auch einmalige und bloß unterstützende Handlungen, insbesondere auch die Förderung fremder Geschäfte –, soweit sie auf den späteren Umsatz des Rauschgifts gerichtet sind. Schon einzelne dieser Handlungen können die objektiven Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllen, weil dafür nur ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag erforderlich ist. Nicht jede eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte ist aber als täterschaftliches Handeltreiben zu bewerten. Eine ganz untergeordnete Tätigkeit genügt in aller Regel nicht (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 9, 24, 36, 42 und 47; BGH StV 1995, 198). Die Tätigkeit des Kuriers, der gegen Entlohnung selbständig Betäubungsmittel transportiert, ohne selbst Käufer oder Verkäufer zu sein, ist insoweit nicht grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung, auch er kann Täter sein (BGH NStZ 1983, 124; BGH, Beschl. vom 2. Juli 1998 - 1 StR 280/98).
Der Angeklagte hatte hier aber mit dem An- und Verkauf des zu transportierenden Rauschgifts nichts zu tun, er hatte auch keinen Einfluß auf dessen Menge und das Versteck im Fahrzeug; die anderen Beteiligten entfernten nach der Einfuhr das Rauschgift ohne seine Beteiligung aus dem Pkw, dessen Eigentümer er auch nicht war. Er erwartete zwar eine Belohnung für seine Tätigkeit; diese war ebenso wie deren etwaige Höhe aber noch unsicher.
Insgesamt sprechen diese Feststellungen für eine untergeordnete Rolle des Angeklagten, so daß allein der Tatsache, daß er selbständig den Transport des Heroins in die Bundesrepublik Deutschland durchführte, keine ausschlaggebende Bedeutung zukam. Aus Rechtsgründen ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht davon ausging, daß der Angeklagte lediglich fremdes Tun fördern wollte, sein Tatbeitrag auch nur die Förderung fremden Tuns beinhaltete und damit insgesamt sein Verhalten nur als Beihilfe zum Handeltreiben zu werten sei.
4. Da in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen, die ein täterschaftliches Handeltreiben begründen könnten, nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
5. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.
6. Im übrigen weist das Urteil durchgreifende Rechtsfehler weder zum Vorteil noch zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 301 StPO).
7. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß es bedenklich ist (§ 46 Abs. 3 StGB), wenn bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln dem Täter angelastet wird, er sei „zur Unterstützung der Tat ins Ausland gefahren” (UA S. 12).
Unterschriften
Niemöller, Theune, Detter, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 540373 |
NStZ-RR 1999, 186 |
StV 1999, 427 |