Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftssache, Blumen- und Zierpflanzenanbau
Leitsatz (amtlich)
Der erwerbsgärtnerische Anbau von Blumen und Zierpflanzen ist Landwirtschaft im Sinne der Höfeordnung, auch wenn er überwiegend in Gewächshäusern und in Behältern betrieben wird (Aufgabe von BGHZ 8, 109).
Normenkette
HöfeO § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Köln |
LG Bergisch Gladbach |
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Söhne des am 26. Dezember 1993 verstorbenen Gärtnereibesitzers L.. E. Sein Grundbesitz (Gemarkung H., Flur 16 Nr. 115, 0,2845 ha und Nr. 116, 0,0842 ha), zu dem ein Hofvermerk im Grundbuch nicht steht, ist mit einem Wohnhaus bebaut, das zur Zeit nur betrieblich genutzt wird. Unter ca. 1.320 qm Hochglas und ca. 200 qm Niederglas werden Zierpflanzen, teilweise auf Folie, hauptsächlich in auf Tischen stehenden Töpfen gezogen. Der Umsatz mit selbstgezogenen Pflanzen überwiegt. Der Wirtschaftswert des Betriebs beträgt 35.915 DM, der zuletzt festgestellte Einheitswert 50.100 DM.
Der Antragsteller ist gelernter Gärtner, der seit 1971 mit ganzer Arbeitskraft im Betrieb seiner Eltern tätig war, die Antragsgegner üben Berufe außerhalb der Gärtnereibranche aus, haben aber teilweise saisonalbedingt im elterlichen Betrieb mitgeholfen.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, daß der väterliche Grundbesitz Hof im Sinne der Höfeordnung und er Hoferbe nach seinem Vater sei.
Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihnen stattgegeben. Dagegen wenden sich die Antragsgegner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde und dem Ziel, die Entscheidung des Amtsgerichts wiederherzustellen. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Grundbesitz für einen Hof im Sinne der Höfeordnung, weil eine geeignete Hofstelle vorhanden sei und der Wirtschaftswert mindestens 20.000 DM betrage. Es handle sich auch um eine landwirtschaftliche Besitzung, weil die Umsätze aus der Urproduktion überwögen. Entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 8 109) sei auch ein Gärtnereibetrieb in der vorliegenden Betriebsform (Fehlen jeder Freilandkultur) ein landwirtschaftlicher Betrieb. Dies folge unter anderem aus der novellierten Fassung des Landpachtrechts (§ 585 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Antragsteller sei damit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HöfeO als Hoferbe berufen, weil er auch wirtschaftsfähig sei.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Senat folgt unter Aufgabe seiner früheren Auffassung (BGHZ 8, 109, 113) dem Beschwerdegericht, das den bezeichneten Grundbesitz als Hof angesehen hat. Dabei ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unter den Beteiligten allein noch umstritten, ob die Gärtnereigrundstücke eine „landwirtschaftliche Besitzung” im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO darstellen.
1. Unzweifelhaft kann grundsätzlich auch der erwerbsgärtnerische Anbau von Zierpflanzen Landwirtschaft im Sinne der Höfeordnung sein (BGHZ, aaO, 5, 112). Das bezweifelt auch die Rechtsbeschwerde nicht, sie meint aber, die in BGHZ 8, 109, 113 vertretene Abgrenzung sei nach wie vor zutreffend. Bei einer Betriebsform ausschließlich in Gewächshäusern und dem Fehlen jeglicher Freilandkultur fehle es an der erforderlichen Bodenbewirtschaftung. Nach dem Zweck der Höfeordnung, eine Zersplitterung von existenzfähigen Betrieben zu vermeiden, die auf eine größere Landfläche angewiesen seien, könne der Landwirtschaftsbegriff in der Höfeordnung durchaus anders verstanden werden als im Landpachtrecht oder im Baurecht. Bei der Aufzucht von Zierpflanzen vorwiegend im Topf auf Tischen im Gewächshaus sei der Boden nicht mehr Produktionsmittel, sondern nur noch Produktionsstandort.
Diese früher auch vom Senat vertretene Auffassung läßt sich vor dem Hintergrund geänderter Produktionsmethoden und einer seit 1952 fortgeschrittenen Rechtsentwicklung nicht mehr aufrechterhalten. § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO stellt lediglich auf den Begriff der „landwirtschaftlichen Besitzung” ab, ohne diese näher zu definieren. Der Senat hat deshalb auf die Begriffsbestimmung in Art. III Nr. 7a BrMilRegVO Nr. 84 abgehoben, die später in § 1 Abs. 2 GrdstVG übernommen worden ist. Zweifelhaft ist schon, ob die in den genannten Bestimmungen herausgestellte „Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse dazu zwingt, eine ausschließlich in Gewächshäusern vorgenommene Pflanzenaufzucht nicht als Landwirtschaft anzusehen obwohl andererseits unter den beispielhaft aufgezählten landwirtschaftlichen Betriebsformen der Erwerbsgartenbau ohne Einschränkung genannt wird. Eine solche Auffassung zwänge unter Umständen zu einer weiteren Differenzierung dahin, die unter Gewächshäusern im gewachsenen Boden vorgenommene Pflanzenaufzucht der Landwirtschaft zuzuordnen, dies aber für eine Aufzucht in Gewächshäusern auf Tischen in Töpfen, Kübeln u.a. zu verneinen (so wohl OLG Düsseldorf, AgrarR 71/72, S. 359 und Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 1 Rdn. 5). Mit Recht weist Schmidt-Sagody (AgrarR 71/72, S. 361) darauf hin, daß eine solche Unterscheidung vor dem Hintergrund geänderter Produktionsmethoden im Erwerbsgartenbau wenig sinnvoll erscheint und auch in Mischbetrieben praktisch kaum noch zu lösende Abgrenzungsprobleme mit sich brächte (vgl. auch schon Vorwerk/v. Spreckelsen, § 1 GrdstVG Rdn. 27).
Von entscheidender Bedeutung für den Begriff einer landwirtschaftlichen Besitzung erscheint dem Senat jedoch die Begründung des Beschwerdegerichts, daß der Gesetzgeber selbst nunmehr mit der Novellierung des Landpachtrechts (§ 585 Abs. 1 Satz 2 BGB) die „gartenbauliche Erzeugung” insgesamt der Landwirtschaft zugerechnet hat. Nach den Gesetzesmaterialien (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 10, 3830, S. 28) ist dies bewußt so geschehen, um auch Gartenbaubetriebe mit „bodenunabhängiger” Erzeugung von Pflanzen in Behältnissen als landwirtschaftliche Betriebe einzuordnen (vgl. auch Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 585 BGB Rdn. 59). Diese grundsätzliche Bewertung des modernen Gesetzgebers kann beim Fehlen einer eigenständigen Begriffsbestimmung im Höferecht nicht außer Betracht gelassen werden. Auch in anderem Zusammenhang hat die Weiterentwicklung des Landpachtrechts den Senat zur Änderung seiner Rechtsprechung veranlaßt (BGHZ 112, 86, 93 f). Dem kann nicht entgegengehalten werden, Höfeordnung und Landpachtrecht verfolgten jeweils andere Zwecke. Das ist im Ansatz zwar richtig, besagt aber vor dem Hintergrund veränderter Produktionsmethoden nichts über den Landwirtschaftsbegriff in den beiden Gesetzen. Ob die Höfeordnung ursprünglich allein von landwirtschaftlichen Betrieben ausging, die – wie die Rechtsbeschwerde meint – für eine Bewirtschaftung im Freiland einen größeren Landbedarf haben, mag offenbleiben. Im Zeichen intensiver Landwirtschaft hat dieser Gedanke jedenfalls erheblich an Bedeutung verloren. Ebensowenig läßt sich leugnen, daß die Produktionsmethoden des Erwerbsgartenbaus sich völlig verändert haben und für bestimmte Pflanzen eine Pflanzenaufzucht unter Glas in Behältern die Regel darstellt. Dann aber ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, einen im Freiland anbauenden Gartenbaubetrieb anders zu behandeln als einen solchen, der – möglicherweise auf gleich großer Fläche – seine Pflanzen allein im Gewächshaus aufzieht. In beiden Fällen handelt es sich um Formen der Urproduktion mit gleich gearteten Erzeugungsmethoden (vgl. auch Busch/Schmidt-Sagody, Gutachten über die Zugehörigkeit des Gartenbaus zur Landwirtschaft, 1968, insbes. S. 44 und 60), die sich methodisch nicht von anderen Formen der pflanzenerzeugenden Landwirtschaft unterscheiden.
Die Auffassung des Senats zum höferechtlichen Begriff der Landwirtschaft deckt sich im übrigen mit der Begriffsbestimmung in § 201 BauGB und mit der des Einkommensteuerrechts (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Höfeordnung selbst enthält einen steuerrechtlichen Bezugspunkt, indem sie auf den nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Ertragswert (§ 37 BewG) abstellt. Selbstverständlich können nicht ohne weiteres bau- oder steuerrechtliche Begriffe in das Höferecht übertragen werden, und es ist sicher auch nicht möglich, für alle Gesetzesmaterien von einem einheitlichen Begriff der Landwirtschaft auszugehen. Gleichwohl scheint es berechtigt, eine Angleichung dort anzustreben, wo eine Unterscheidung auch vom Zweck des Gesetzes her vernünftigerweise nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Die gewandelte Auffassung des Senats steht schließlich in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 2. Aufl., § 1 Rdn. 8; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., § 1 HöfeO Rdn. 21; Bendel, AgrarR 1987, 352; Schmidt-Sagody, AgrarR 71/72, 361; Schrimpf, AgrarR 1984, 85, 87 über die überwiegende gerichtliche Praxis in Nordrhein-Westfalen zur Einordnung der Gartenbaubetriebe als Höfe).
Seine gewandelte Gesetzesauslegung hält der Senat schließlich auch für verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16. Oktober 1984 (NJW 1985, 1329 ff) zur Ermittlung des Ertragswerts von landwirtschaftlichen Betrieben beim Zugewinnausgleich (§§ 1376 Abs. 4, 2049 Abs. 2 BGB) ausgeführt: Der Gesetzgeber wolle damit die Zersplitterung derartiger Betriebe vermeiden, die drohe, wenn der Zugewinnausgleich auf der Basis realer Werte durchgeführt werde. Insoweit werde dem Grunde nach das gleiche Ziel verfolgt wie im Erbrecht nach der Höfeordnung. Die Regelung solle dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien dienen. Es könne aber davon ausgegangen werden, daß trotz des Strukturwandels in der Landwirtschaft landwirtschaftliche Betriebe noch zahlreiche typische Eigenschaften aufweisen, die sie von der gewerblichen Wirtschaft unterscheiden. Insbesondere setzten die besonderen Produktionsbedingungen dem landwirtschaftlichen Betrieb von der Natur her Schranken und führten zu einem Betriebsrisiko eigener Art. Insoweit sei die Landwirtschaft gegenüber den gewerblichen Betrieben in natürlicher und wirtschaftlicher Hinsicht benachteiligt (BVerfGE 28, 227, 240 ff). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege deshalb bei den von § 1376 Abs. 4 BGB betroffenen Ehegatten nicht vor.
Auch bei den Erwerbsgärtnereien, die Pflanzenaufzucht vornehmlich unter Hoch- und Niedrigglas betreiben, setzen die Produktionsbedingungen dem Betrieb von der Natur her Schranken, die zu einem Betriebsrisiko eigener Art führen. Zwar ist es gerade der Zweck des Anbaus unter Glas den Einfluß von Witterungsbedingungen zurückzudrängen, dieser bleibt aber erhalten. Bei allen übrigen Faktoren der Pflanzenaufzucht (z.B. Schädlingsbefall) unterscheiden sich die von der Natur her gegebenen Risiken nicht wesentlich von einer Urproduktion im Freiland (vgl. auch Busch/Schmidt-Sagody aaO S. 22 ff insbes. S. 33 ff). Es kann im Rahmen einer Prüfung nach Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht außer Betracht bleiben, daß die Besitzungen der Erwerbsgärtner nicht zwingend dem Höferecht unterliegen, vielmehr die Hofeigenschaft durch eine negative Hoferklärung auch wieder beseitigt werden kann.
2. Hat das Beschwerdegericht den bezeichneten Grundbesitz zu Recht als Hof angesehen, steht damit auch fest, daß der Antragsteller Hoferbe nach seinem Vater geworden ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HöfeO). Diese Folge zieht die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Sie erinnert insbesondere nichts gegen die vom Beschwerdegericht festgestellte Wirtschaftsfähigkeit des Antragstellers (§ 6 Abs. 6 und 7 HöfeO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Der Geschäftswert bemißt sich nach dem Vierfachen des letzten Einheitswerts (§ 19 Buchst. a HöfeVfO, § 30, §19 Abs. 4 KostO).
Fundstellen
Haufe-Index 609927 |
BGHZ 134, 146 |
BGHZ, 146 |
NJW 1997, 664 |
NWB 1997, 514 |