Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, daß vor dem Vollzug der Maßregel die Freiheitsstrafe in Höhe von 3 Jahren und 5 Monaten vorweg zu vollstrecken ist. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Insbesondere hat das Schwurgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch im Ergebnis zu Recht verneint (vgl. BGHSt 39, 221, 231). Ebenso weist auch die Schuldfähigkeitsbeurteilung des Schwurgerichts keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auch wenn das Landgericht es unterlassen hat, die an sich gebotene konkrete Berechnung der Tatzeitalkoholisierung vorzunehmen, schließt der Senat aufgrund der festgestellten Gesamtumstände aus, daß die Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht nur - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, sondern vollständig aufgehoben war.
2. Dagegen hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich die Revision ebenfalls gegen den Strafausspruch wendet, kommt es deshalb nicht an.
a) Das Schwurgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles des § 213 StGB verneint. Es ist deshalb vom Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB ausgegangen. Der konkreten Strafbemessung hat es sodann nach Milderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB "einen Strafrahmen von 6 Monaten [anstatt richtig: von zwei Jahren] bis zu 11 Jahren und 3 Monaten" (UA 16) zugrundegelegt. Das Urteil läßt aber nicht erkennen, ob das Schwurgericht auch von der in § 23 Abs. 2 StGB eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch machen wollte. Eine Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs erörtert es in diesem Zusammenhang nicht. In diesem Fall läge die Strafrahmenobergrenze bei acht Jahren fünf Monaten Freiheitsstrafe. Da die verhängte Strafe sich im oberen Bereich dieses nach zweimaliger Milderung zur Verfügung stehenden Strafrahmens bewegt, kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich die fehlerhafte Strafrahmenbildung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
b) Im übrigen sind auch die Strafzumessungserwägungen selbst nicht frei von rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht hat sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 213 2. Alt. StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung außer der "Brutalität" auch die "Intensität der Tathandlung" zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Diese Strafzumessungserwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Indem der Angeklagte viermal auf das Tatopfer einstach, hat er die Gewalt angewendet, die nach seiner Vorstellung von der Tat erforderlich war, um den von ihm gewollten Tod seiner früheren Ehefrau herbeizuführen. Es kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, daß er das zur Verwirklichung seines Entschlusses, die Frau zu töten, erforderliche Maß an Gewalt überschritten hat. Ebenso wie der Tötungsvorsatz als solcher darf aber auch die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt grundsätzlich nicht straferschwerend gewertet werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2).
Auch auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Das betrifft allerdings nicht die Entscheidung des Schwurgerichts, die Annahme eines minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213, 2. Alt. StGB abzulehnen. Denn es erscheint nach den bisherigen Feststellungen fernliegend, das Landgericht könne ohne die beanstandete Strafzumessungserwägung das Vorliegen eines minder schweren Falles bejaht haben. Jedoch kann der Senat nicht ausschließen, daß die Bemessung der erkannten Freiheitsstrafe zum Nachteil des Angeklagten durch den aufgezeigten Rechtsfehler beeinflußt worden ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6 = StV 1996, 148).
3. Auch der Maßregelausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Schwurgericht hat sich ohne eigene Erwägungen den Ausführungen der zu den Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 StGB gehörten Sachverständigen angeschlossen. Das begegnet hier zwar im Ergebnis keinen Bedenken, soweit das Landgericht einen Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, bejaht. Jedoch ist der weiter erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen diesem Hang und der Tat (vgl. dazu Tröndle StGB 48. Aufl. § 64 Rdn. 5 m.N.) nicht ausreichend dargetan. Das Urteil beschränkt sich insoweit auf den Hinweis, die Sachverständigen hätten einen solchen Zusammenhang "überzeugend bejaht" (UA 18). Dies genügt nicht, sondern hätte hier näherer Begründung bedurft. Denn nach den getroffenen Feststellungen liegt es eher nahe, daß die Tat auf die Persönlichkeit des Angeklagten und seine dadurch bedingte Unfähigkeit, die Trennung von seiner geschiedenen Ehefrau zu verarbeiten, zurückzuführen ist.
b) Mit der Aufhebung des Maßregelausspruchs entfällt auch die Anordnung des Teilvorwegvollzugs der Strafe gemäß § 67 Abs. 2 StGB. Für den Fall, daß der neue Tatrichter wiederum zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gelangt, weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung allein das Rehabilitationsinteresse einen (teilweisen) Vorwegvollzug der Strafe rechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 6; Vorwegvollzug, teilweiser 11). Der Hinweis des angefochtenen Urteils, auf das - für sich genommen berechtigte - "Sicherheitsbedürfnis" (UA 20) des Opfers und seiner Familie vermag ein Abweichen von der gesetzlichen Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 1 StGB nicht zu begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993532 |
NStZ 1999, 23 (Altvater) |
StV 1998, 657 |