Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 24.08.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 24. August 2015 im Ausspruch über den erweiterten Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Abgabe von Betäubungsmitteln in 142 Fällen, Erwerbs von Betäubungsmitteln in neun Fällen sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 10.000 EUR sowie den erweiterten Wertersatzverfall in Höhe von 360.000 EUR angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch, zur Einziehungsentscheidung sowie zur Anordnung des (einfachen) Wertersatzverfalls keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Der Ausspruch über die Anordnung des erweiterten Wertersatzverfalls kann hingegen keinen Bestand haben.
Rz. 3
1. Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des Landgerichts erhielt der Angeklagte im Zeitraum von Anfang des Jahres 2011 bis zum Jahr 2012 Bargeld in Höhe von 360.000 EUR, das ein Freund, dem ein Mittelsmann jeweils einen Koffer mit Geld ausgehändigt hatte, in mindestens zehn Tranchen aus Spanien abholte. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe etwa 140.000 EUR als Vermittler „illegaler Kohlegeschäfte” bekommen, bei denen im Hafen in Rotterdam heimlich Kohle von Schiffen abgeladen und anderweitig verkauft worden sei; weitere Bargeldeinzahlungen auf seinen Konten in Höhe von insgesamt 51.000 EUR resultierten aus Glücksspielgewinnen. Die Strafkammer hat offen gelassen, ob das Bargeld tatsächlich aus den „Kohlegeschäften” stamme oder aus weiteren, über die Anklagevorwürfe hinausgehenden Rauschgiftgeschäften; jedenfalls rühre es – wie auch der Angeklagte eingeräumt habe – aus rechtswidrigen Taten her. Dafür spreche neben den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten die Art und Weise des Transports, „die keinen legalen Schluss” zulasse. Die den Geldwerten zugrunde liegenden Straftaten seien nicht näher konkretisierbar, so dass ein gesondertes Strafverfahren insoweit ausscheide.
Rz. 4
2. Diese Feststellungen und rechtlichen Ausführungen tragen die Anordnung des erweiterten Wertersatzverfalls in Höhe von 360.000 EUR nicht.
Rz. 5
Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in den fünf Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie durch den Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (strafbar gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) jeweils wegen Anlasstaten strafbar gemacht hat, die gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB die Anordnung des erweiterten Verfalls zulassen. Die Voraussetzungen der Anordnung sind nach der gesetzlichen Regelung erfüllt, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind (§ 73d Abs. 1 Satz 1 StGB). Für diese Annahme reicht allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch eine „ganz hohe Wahrscheinlichkeit” der deliktischen Herkunft nicht aus, vielmehr ist für die Anordnung des erweiterten Verfalls erforderlich, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssten (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – 4 StR 516/94, BGHSt 40, 371, 372 f.; Urteil vom 7. Juli 2011 – 3 StR 144/11, BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3 mwN). Die Vorschrift des § 73d StGB ist zudem gegenüber § 73 StGB subsidiär (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422, 423; Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 StR 386/08, BGHR StGB § 73a Anwendungsbereich 2; Beschluss vom 20. April 2010 – 4 StR 119/10, NStZ-RR 2010, 255; LK/Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73d Rn. 11). Eine Anwendung kommt erst in Betracht, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (BGH aaO). Dies hindert es, in dem Verfahren wegen einer Anlasstat, die auf § 73d StGB verweist, Gegenstände dem erweiterten Verfall zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber zumindest möglicherweise konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind (BGH, Beschluss vom 8. August 2013 – 3 StR 226/13, NStZ 2014, 82, 83).
Rz. 6
Diese Maßgaben hat die Strafkammer in mehrfacher Hinsicht nicht beachtet:
Rz. 7
Zunächst entbehrt die Überzeugungsbildung hinsichtlich der deliktischen Herkunft des gesamten Bargelds in Höhe von 360.000 EUR einer tragfähigen Beweisgrundlage: Soweit das Landgericht darauf abstellt, der Angeklagte habe eingeräumt, das Geld aus rechtswidrigen Taten – es bewertet die „Kohlegeschäfte” ohne nähere Begründung als in Mittäterschaft begangene Unterschlagungen – erlangt zu haben, verkennt es, dass der Angeklagte insoweit lediglich etwa 140.000 EUR erhalten haben will. Dass die „Kohlegeschäfte” – sofern sie überhaupt getätigt wurden, was die Strafkammer gerade offen gelassen hat – zu höheren Erlösen geführt hätten, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Rz. 8
Die vom Landgericht aufgezeigte Alternative, das Geld könne aus weiteren Betäubungsmitteldelikten stammen, ist ebenfalls nicht belegt. Zwar müssen Herkunftstaten im Sinne von § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nicht im Einzelnen festgestellt werden; die vorliegend gegebene bloße Behauptung der Möglichkeit solcher Taten reicht hier indes auch deshalb nicht hin, weil die Strafkammer die Herkunft des Geldes aus Spanien gerade als Indiz dafür gewertet hat, dass es nicht aus den verfahrensgegenständlichen Betäubungsmitteldelikten stamme. Dann aber entbehrt die nicht näher begründete Annahme, der Angeklagte habe gleichwohl Rauschgiftgeschäfte in Spanien oder mit Beteiligung spanischer (Mit-)Täter getätigt, die in anderthalb Jahren zu solch hohen Erlösen geführt hätten, einer nachvollziehbaren Begründung. Dies genügt den aufgezeigten Anforderungen, die an die Darlegung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung zu stellen sind, nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2002 – 3 StR 287/02, NStZ-RR 2002, 366, 367; vom 28. Juli 2004 – 2 StR 209/04, NStZ-RR 2004, 347).
Rz. 9
Soweit die Strafkammer auf die deliktische Herkunft des Geldes aus der Art und Weise des Transports geschlossen hat, lässt die Wendung, diese lasse „keinen legalen Schluss” zu, besorgen, dass das Landgericht mögliche, nicht fernliegende andere Erklärungen für den festgestellten Bargeldtransport nicht in den Blick genommen hat: Zwar deutet der festgestellte konspirative Transport von Bargeld in Koffern auf eine beabsichtigte Verschleierung hin. Daraus lässt sich jedoch nicht der alleinige Schluss auf eine deliktische Herkunft des Geldes ziehen; eine ebenso naheliegende Erklärung kann insbesondere bei Geldtransporten über Landesgrenzen hinweg etwa der Versuch sein, (legale) Einkünfte ihrer Besteuerung zu entziehen.
Rz. 10
Durchgreifend rechtlich bedenklich ist zudem, dass die Strafkammer entgegen § 73d Abs. 4, § 73c Abs. 1 StGB weder geprüft hat, ob der Wert des Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden war (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB), noch, ob die Anordnung des (erweiterten) Verfalls in der genannten Höhe – insbesondere mit Blick auf eine Resozialisierung des Angeklagten – eine unbillige Härte für ihn darstellen kann (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB). Dazu hätte insbesondere Anlass bestanden, weil das Landgericht bei der Anordnung des Verfalls des aus den abgeurteilten Straftaten Erlangten den Betrag unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB auf 10.000 EUR begrenzt hat.
Rz. 11
Da bereits die aufgezeigten Rechtsfehler zur Aufhebung des Ausspruchs über den erweiterten Wertersatzverfall führen, kommt es nicht mehr darauf an, dass auch die Annahme des Landgerichts, die Herkunftstaten ließen sich nicht näher konkretisieren, insbesondere mit Blick auf die „Kohlegeschäfte” denkbar knapp begründet ist. Insoweit lassen die Urteilsgründe auch nicht erkennen, ob die Strafkammer die über § 73d Abs. 1 Satz 3 StGB anwendbare Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB betreffend den Vorrang von Ersatzansprüchen der Verletzten in den Blick genommen hat.
Rz. 12
Nach alledem bedarf die Entscheidung über die Anordnung des erweiterten Wertersatzverfalls umfassend neuer Prüfung und Entscheidung.
Unterschriften
Schäfer, Hubert, Mayer, Gericke, Tiemann
Fundstellen