Leitsatz (amtlich)
Bezüge eines Kassenarztes aus der sog. erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit.
Normenkette
EStG 1965 § 2 Abs. 3 Nr. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1, § 24 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob Bezüge eines Kassenarztes aus der sog. erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder als sonstige Einkünfte (Leibrenten) zu versteuern sind.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein 1893 geborener Facharzt für Frauenheilkunde und Mitglied der KVH, hatte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1966 neben Einkünften aus seiner Facharztpraxis, Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen als sonstige Einkünfte einen Betrag von 11 851 DM erklärt, den er aufgrund der erweiterten Honorarverteilung der KVH bezogen und auf den er nach der Satzung der KVH einen Anspruch hatte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) besteuerte diesen Betrag nicht, wie vom Kläger begehrt, gemäß § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG nur mit einem Ertragsanteil von 2 370 DM, sondern rechnete ihn gemäß § 24 Nr. 2 i. V. m. § 18 Abs. 1 EStG in voller Höhe zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit. In der den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1966 zurückweisenden Entscheidung führte das FA aus, die KVH behalte von den von den Krankenkassen für ärztliche Leistungen gezahlten Gesamtvergütungen einen Teil zurück, den sie zunächst von der Verteilung ausschließe und einem Sonderfonds zuführe. Dieser Teil, der von den Ärzten auch nicht mit den übrigen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit versteuert werde, weil er ihnen nicht zugeflossen sei, werde erst später nach bestimmten Gesichtspunkten, so z. B. im Rahmen der "erweiterten Honorarverteilung" verteilt. Diese Zahlungen seien dann bei den Empfängern Betriebseinnahmen im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, es handle sich bei den von der Verteilung ausgenommenen Beträgen um eine Art Zwangsversicherung ähnlich der Sozialversicherung. Was den alten Ärzten durch die erweiterte Honorarverteilung dann später "gewissermaßen als Ergebnis der Arbeitgeberanteile der KV" zufließe, seien wiederkehrende Bezüge i. S. von § 22 EStG. Das folge auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da auch die Altersrente aus der Angestelltenversicherung nur nach § 22 EStG mit dem Ertragsanteil versteuert werde. Im übrigen sei die Regelung im Bundesgebiet uneinheitlich.
Das FG wies die Klage ab und führte aus, der Kläger verkenne, daß die subsidiäre Einkunftsart des § 22 EStG nur zum Zuge komme, wenn Einkünfte nicht einer anderen Einkunftsart zuzurechnen seien. Die hier streitigen Einkünfte seien jedoch nachträgliche Einkünfte des auch noch im Streitjahr praktizierenden Klägers aus selbständiger Arbeit (§ 24 Nr. 2 i. V. m. § 18 Abs. 1 EStG). Das habe der BFH bereits im Urteil vom 6. März 1959 VI 130/55 U (BFHE 68, 604, BStBl III 1959, 231) entschieden, auch wenn er seinerzeit noch davon ausgegangen sei, daß ein Rechtsanspruch auf Zahlungen aus dem Sonderfonds nicht bestehe. Daß es sich bei der erweiterten Honorarverteilung aber lediglich um einen Honorarverteilungsmodus handle, habe der BFH in der späteren Entscheidung vom 14. April 1966 IV 335/65 (BFHE 85, 442, BStBl III 1966, 458) in vollem Umfang bestätigt.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger unzutreffende Rechtsanwendung rügt. Das FG habe unberücksichtigt gelassen, daß die im Urteil zitierte Rechtsprechung andere Sachverhalte betroffen habe, nämlich einmal einen Fall, in dem - im Gegensatz zum Streitfall - ein Rechtsanspruch auf Bezüge aus der erweiterten Honorarverteilung nicht bestanden habe (VI 130/55 U), zum anderen einen Fall, in dem es sich nur um die Zahlung eines sog. "Gnaden-Vierteljahres" gehandelt habe (IV 335/65). Den Einwand, daß die volle Besteuerung der streitigen Beträge im Hinblick auf die Behandlung der Sozialversicherungsrenten gegen den Gleichheitssatz verstoße, habe das FG nicht widerlegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Einkommensteuer entsprechend der abgegebenen Steuererklärung festzusetzen.
Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Ob die Bezüge des Klägers aus der erweiterten Honorarverteilung als wiederkehrende Bezüge zu den sonstigen Einkünften i. S. von § 22 Nr. 1 EStG gerechnet werden können mit der Folge, daß nur der Ertragsanteil zu versteuern wäre (§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG), hängt, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, davon ab, ob und inwieweit diese Bezüge nicht einer anderen Einkunftsart zuzurechnen sind. Denn sonstige Einkünfte kommen nur in Betracht, wenn keine andere Einkunftsart vorliegt (§ 22 Nr. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1, § 23 Abs. 3 EStG). Deshalb können z. B. wiederkehrende Bezüge, die im Rahmen einer anderen Einkunftsart anfallen, etwa die Pensionsbezüge eines Arbeitnehmers (§ 24 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 4 und § 19 Abs. 1 EStG), nicht lediglich mit einem Ertragsanteil versteuert werden, wie das z. B. bei den Renten aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung der Fall ist (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., §§ 22, 23 EStG Randnr. 31). Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Pensionen einerseits und Angestelltenversicherungsrenten andererseits liegt darin begründet, daß nur die erstgenannten aus früheren Dienstleistungen resultieren, während den Versicherungsrenten unmittelbar nicht das frühere Dienstverhältnis, sondern das Versicherungsverhältnis zugrunde liegt. Die aus diesem Versicherungsverhältnis fließenden Renten sind daher nicht nachträgliches Entgelt für frühere Dienstleistungen, sondern die Gegenleistung der Versicherung an den Versicherungsnehmer für die von diesem oder für diesen geleisteten Prämien.
2. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, daß die Bezüge aus der erweiterten Honorarverteilung wie Versicherungsleistungen zu behandeln seien. Auch die Rechtsprechung hat dies, soweit sie sich mit der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Zahlungen aus den bei den kassenärztlichen Vereinigungen gebildeten Sonderfonds befaßt hat, verneint und die Zahlungen als Betriebseinnahmen behandelt (vgl. die Urteile IV 335/65 und VI 130/55 U). Das Schrifttum ist dieser Rechtsprechung, soweit ersichtlich, ausnahmslos gefolgt (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 18 EStG Anm. 12; Littmann, a. a. O., § 18 EStG Randnr. 106; Zweck, Steuerratgeber für Ärzte und Zahnärzte 15. Aufl., Rz. 49; Radau, Steuerliche Besonderheiten der Ärzte, 4. Aufl., S. 30). Dabei ist die Behandlung der Bezüge aus dem Honorarsonderfonds stets im Zusammenhang mit der Behandlung der entsprechenden Zuweisungen an diesen Fonds gesehen worden. Nur wenn die dem Fonds zugeführten Honoraranteile als dem Arzt bereits zugeflossen beurteilt werden können mit der Folge, daß sie von diesem zunächst versteuert werden müssen und allenfalls im Rahmen der Höchstbeträge als Sonderausgaben nach § 10 EStG absetzbar sind, können die späteren Zahlungen aus dem Fonds nicht als nachträgliche Betriebseinnahmen, sondern als sonstige Einkünfte behandelt werden. So hat der BFH im Urteil VI 130/55 U, das die Behandlung der zurückbehaltenen Honoraranteile betraf, den Zufluß dieser Anteile i. S. von § 11 Abs. 1 EStG verneint mit dem Hinweis, daß erst die späteren Leistungen aus dem Fonds Betriebseinnahmen seien, und er hat im Urteil IV 335/65, bei dem es um die Besteuerung solcher Leistungen ging, diese dementsprechend als nachträgliche Einnahmen i. S. von § 24 Nr. 2 EStG besteuert.
3. Der Kläger weist allerdings zutreffend auf Unterschiede im Sachverhalt des vorliegenden Falles zu den genannten Urteilsfällen hin. So ist es richtig, daß dort im Gegensatz zum Streitfall (vgl. hierzu § 1 der "Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung der KVH") ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem Honorarsonderfonds nicht bestand und dieser Umstand im Urteil VI 130/55 U auch zur Begründung herangezogen worden ist. Der Senat sieht jedoch keine Veranlassung, die Rechtslage im Streitfall deshalb anders zu beurteilen. Entscheidend ist, daß es sich hier, was auch das Urteil VI 130/55 U betont und worauf auch die Bezeichnung "erweiterte Honorarverteilung" hindeutet, lediglich um einen Honorarverteilungsmodus handelt. Dabei erscheint es wirtschaftlich sinnvoll und systemgerecht, den Kassenärzten erst das als Betriebseinnahmen zuzurechnen, was sie dereinst durch die erweiterte Honorarverteilung effektiv erhalten, und nicht das, was als Teil der Gesamtvergütung dem Sonderfonds zugeführt wird und was keineswegs beim einzelnen Arzt dem entspricht, was er unter Umständen später aus dem Fonds erhält. Der Arzt hat zwar bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Bezüge aus diesem Fonds einen Anspruch, nicht aber auf die von der Honorarverteilung ausgenommenen Gesamtvergütungsanteile (vgl. Heinemann/Liepold, Kassenarztrecht, 4. Aufl., I 27 d: Der Anspruch gegen die KV richtet sich nur nach dem Honorarverteilungsmaßstab). Daher sind nicht diese Anteile, sondern die (späteren) tatsächlichen Bezüge aus der erweiterten Honorarverteilung Betriebseinnahmen, und zwar, auch wenn der Arzt als Kassenarzt nicht mehr tätig ist, nach § 24 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 3 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1965 im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Damit aber scheidet eine Besteuerung als. sonstige Einkünfte nach § 22 EStG aus.
4. Daß etwa der Gleichheitssatz des Art. 3 GG, wie der Kläger meint, es gebiete, ihn mit seinen Bezügen aus der erweiterten Honorarverteilung so zu behandeln, wie wenn er eine Angestelltenversicherungsrente erhalten würde, ist schon deshalb unzutreffend, weil der Kläger hier Ungleiches miteinander vergleicht. Im übrigen wird der Kläger, worauf das FG schon hingewiesen hat, ebenso behandelt wie die große Gruppe der pensionsbeziehenden Arbeitnehmer, bei denen gedanklich auch, wie beim Kläger, der Verdienst zum Teil (ohne Zufluß beim Arbeitnehmer) zurückbehalten und dann später als Versorgungsbezug im Rahmen der entsprechenden Einkunftsart versteuert wird (vgl. auch oben Nr. 1).
Fundstellen
Haufe-Index 72115 |
BStBl II 1977, 29 |
BFHE 1977, 197 |