Leitsatz (amtlich)
Ein landwirtschaftlicher Betrieb und ein demselben Steuerpflichtigen gehörender Verarbeitungsbetrieb, an den die landwirtschaftlichen Erzeugnisse geliefert werden, bilden nur dann ein einheitliches gewerbliches Unternehmen, wenn ihre Verbindung nicht nur zufällig und vorübergehend, sondern planmäßig, im Interesse des Hauptbetriebs gewollt ist. Aus dem Umfang der Warenlieferungen zwischen beiden Betrieben allein kann in der Regel nicht auf ein einheitliches gewerbliches Unternehmen geschlossen werden.
Normenkette
EStG §§ 13, 15
Tatbestand
Streitig ist, ob die Schäferei und Hammelschlächterei des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) einen einheitlichen gewerblichen Betrieb bilden und deshalb die Einkünfte aus der Schäferei solche aus Gewerbebetrieb sind oder aus Landwirtschaft.
Der Steuerpflichtige betreibt eine Hammelgroßschlächterei. Die Betriebstätte dieser Schlächterei befindet sich im Schlachthof der Stadt X. Dort wurden fast nur Schafe, im Jahr etwa 4 000 Stück, ab 1958 im geringen Umfang auch Kälber und Schweine geschlachtet. Die geschlachteten Tiere wurden nur an gewerbliche Abnehmer verkauft. Außerdem betreibt der Steuerpflichtige eine Schafhaltung nebst Schafzucht mit einem durchschnittlichen Bestand von etwa 600 Stück und dazu auf eigener und hinzugepachteter Fläche die Bodenbewirtschaftung, zum Teil auch für den Eigenbedarf. Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen wurden die Tiere für die Hammelschlächterei vom Steuerpflichtigen meist auf Märkten und bei Tierhaltern eingekauft. Waren die Tiere schlachtreif, so wurden sie, sofern Bedarf vorlag, sofort dem Schlachtereibetrieb zur Schlachtung übergeben, andernfalls wurden sie auf Weiden gebracht. Die fleischarmen und noch zu jungen Tiere wurden dagegen in jedem Falle der Schafhaltung des Steuerpflichtigen zur Weiterfütterung zugeführt und dort gehalten, bis sie schlachtreif waren. Diese Schafe wurden im Wege der sogenannten Wanderschäferei auf den gepachteten Weiden gehütet und gefahren. Die aus der Schafhaltung angefallenen Tiere wurden nahezu sämtlich, bis auf die Zuchttiere, der Hammelschlächterei des Klägers zugeführt. Ab 1956 wurden seit Beginn einer eigenen Schäferei im Jahre 1953 erstmals Schafe daraus abgegeben. Die landwirtschaftlichen Umsätze des Steuerpflichtigen zeigen nach dessen eigener Darstellung folgendes Bild:
1955: Rücklieferung Wolle 137,65 DM
Mist Verkauf 664,- DM
Wolle Verkauf 4 650,- DM
5 451,65 DM
1956: Rücklieferung Wolle 135,80 DM
Mist Verkauf 536,- DM
Wolle Verkauf 5 410,61 DM
Schafverkauf 9 544,50 DM
Staatsbeihilfe 178,52 DM
Brucelosebeihilfe 590,- DM
16 395,43 DM
1957: Schafverkauf 22 200,- DM
Wolle Verkauf 9 404,25 DM
Mist Verkauf 224,60 DM
31 828,85 DM
1958: Schafverkauf 24 278,80 DM
Wolle Verkauf 5 341,28 DM
Beihilfe für Zuchtböcke Kauf 76,- DM
Bankzinsen 48,75 DM
Bruceloseentschädigung 9 245,-DM
38 989,83 DM
In diesen Umsätzen waren Zuchtviehverkäufe im Betrage von 10 000 DM (1957) und 350 DM (1958) enthalten. Auch in den folgenden Jahren fanden Zuchtviehverkäufe statt, und zwar in Höhe von 5 000 DM (1959) und 9 800 DM (1960). Demzufolge wurden im Jahre 1956 58,2 v. H., im Jahre 1957 38,3 v. H. und im Jahre 1958 61,3 v. H., im Durchschnitt dieser Jahre somit 52,5 v. H. der Erzeugnisse der Landwirtschaft (Schäferei) im eigenen Hammelgroßschlächtereibetrieb des Steuerpflichtigen abgesetzt. Die Menge der aus der Schafhaltung an den Schlächtereibetrieb abgegebenen Schlachtschafe von etwa 100 Stück im Jahr bildet im Vergleich zur Gesamtmenge geschlachteter Tiere von etwa 4 000 Stück im Jahr nur einen geringen Teil der in der Hammelschlächterei insgesamt zur Schlachtung kommenden Tiere.
Für die Großschlächterei und die Schafhaltung bestehen getrennte Buchführungen. Die Betriebsergebnisse der Großschlächterei wurden an Hand einer doppelten Buchführung durch Vermögensvergleich ermittelt. Für die Schafhaltung wurde dagegen Einnahme-Ausgabe-Überschußrechnung geführt. Der Überschuß aus der Schafhaltung wurde beim Jahresabschluß der Hammelschlächterei über deren Kapitalkonto gewinneutral gebucht. Die aus der Schafhaltung erzielten Gewinne erklärte der Steuerpflichtige nach dem Ergebnis der Überschußrechnung in seinen Einkommensteuererklärungen als Einkünfte aus Landwirtschaft.
Der Revisionsbeklagte (FA) folgte in den ursprünglichen Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbetrags-Veranlagungen für die Jahre 1955, 1956 und 1957 zunächst dieser Auffassung des Steuerpflichtigen. Im Anschluß an eine 1960 durchgeführte Betriebsprüfung änderte er jedoch seine Auffassung, sah die Schafhaltung einschließlich der Landwirtschaft für den Eigenbedarf als Teil eines einheitlichen Gewerbebetriebs (Hammelgroßschlächterei) an und bezog dementsprechend die Schafhaltung mit in die Gewinnberechnung des Gewerbebetriebs ein. Für die Jahre 1955 bis 1957 erließ er Sammelberichtigungsbescheide gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO und für 1958 erstmalige Bescheide auf dieser Grundlage.
Die Einsprüche und Klagen des Steuerpflichtigen blieben ohne Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidungen aus, der landwirtschaftliche Betrieb der Schäferei, aus welchem durch Bodennutzung auch zum Teil der Eigenbedarf an landwirtschaftlichen Erzeugnissen gedeckt werde, sei im Verhältnis zur Hammelschlächterei nichtlandwirtschaftlicher Nebenbetrieb. Am Nebenbetrieb eines landwirtschaftlichen Hauptbetriebes scheitere es schon deshalb, weil der Aufkauf und das Schlachten von Hammeln zum Zweck des Fleischverkaufs nicht zur landwirtschaftlichen Urproduktion im Sinne von § 13 Abs. 1 und 2 EStG gehöre. Umgekehrt könne der Hammelschlächtereibetrieb nicht Nebenbetrieb der Schäferei sein, und zwar schon seiner gewerblichen Natur nach nicht. Hierzu wäre erforderlich, daß ausschließlich oder doch überwiegend nur die im landwirtschaftlichen Betrieb der Schäferei gewonnenen Erzeugnisse (hier schlachtreife Schafe) im Interesse einer intensiven Verwertung in der Schlächterei verarbeitet worden wären. An dieser Voraussetzung fehle es schon deshalb, weil in der Hammelschlächterei unbestritten weit überwiegend von anderen Schäfereien Schafe erworben und vom Steuerpflichtigen geschlachtet worden seien. Der Steuerpflichtige habe selbst zutreffend geltend gemacht, daß die Existenz der Hammelschlächterei nicht von dem Bestehen seiner Schäferei, sondern im Gegenteil die Hammelgroßschlächterei in ihrer Größenordnung weitgehend vom Zukauf schlachtreifer Tiere von anderen Schäfereien abhängig sei. Obgleich sonach die Schäferei für sich ein landwirtschaftlicher Betrieb sei, stammten doch im vorliegenden Falle die Einkünfte, soweit sie nicht Kapitaleinkünfte seien, insgesamt aus Gewerbebetrieb. Da die hauptsächlichen Enderzeugnisse der Schäferei (Schlachterei für Schafe) fast ausschließlich in die Fleischproduktion der Hammelgroßschlächterei eingingen, diene das landwirtschaftliche Vermögen, das ganz überwiegend auf die Gewinnung von schlachtreifen Schafen ausgerichtet sei, unmittelbar diesem Schlachtereibetrieb. Die Schäferei bilde demnach die zweckentsprechende Vorstufe und die Ergänzung für eine wirtschaftlicher als sonst arbeitende Hammelschlächterei.
Nach der Rechtsprechung des BFH liege bereits ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor, wenn wesentlich mehr als 40 v. H. der Erzeugnisse aus Landwirtschaft im Durchschnitt der Jahre im eigenen gewerblichen Betrieb eines Steuerpflichtigen nach weiterer Bearbeitung oder ohne diese umgesetzt werde, sofern in diesem Betrieb überwiegend auch zugekaufte Erzeugnisse umgesetzt würden. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Falle gegeben. Im Durchschnitt der Jahre 1956 bis 1958 seien weit mehr als 40 v. H. der Gesamterzeugnisse der Schäferei in der Schlächterei umgesetzt worden, nämlich 52,2 v. H. Das Streitjahr 1955, in dem als letztem der Anlaufjahre der vom Steuerpflichtigen allein ausgeübten Schäferei noch keine Schafe abgesetzt worden seien, habe deshalb in die Durchschnittsberechnung noch nicht einbezogen werden können. Da der Schäfereibetrieb in dieser Weise den Gesamtbetrieb von vornherein habe ergänzen wollen, sei aber der Landwirtschaftsbetrieb bereits für 1955 als gewerblich betrieben anzusehen. Da die aus der Landwirtschaft gewonnenen Schlachtschafe nur einen geringen Teil der in der Hammelschlächterei zur Schlachtung gekommenen Tiere darstellten, überdecke im Streitfall der Betrieb der Hammelschlächterei die Schäferei. Hiernach könne es sich also nur um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handeln, denn bei den vorliegenden Verhältnissen gebe der gewerbliche Betrieb der Hammelschlächterei dem Gesamtbetrieb den wesentlichen Charakter.
Die Verfahren IV R 156/67 und IV R 157/67 werden zur einheitlichen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revisionen des Steuerpflichtigen führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Die Vorentscheidungen beruhen auf dem u. a. in den BFH-Urteilen I 108/59 U vom 30. August 1960 (BFH 71, 561, BStBl III 1960, 460) und IV 285/62 U vom 26. November 1964 (BFH 81, 248, BStBl III 1965, 90) entwickelten Grundsatz, daß ein einheitlicher Gewerbebetrieb dann anzunehmen ist, wenn mehr als 40 v. H. der Erzeugnisse aus der Landwirtschaft im Durchschnitt der Jahre im eigenen gewerblichen Betrieb des Steuerpflichtigen umgesetzt werden. Es kann auf sich beruhen, ob der Senat dieser Typisierung im Falle eines Absatzbetriebes heute noch uneingeschränkt zustimmen könnte, denn die Rechtsprechung hat bei Verarbeitungsbetrieben schon bisher die 40 v. H.-Grenze nicht angewendet. Bei Betrieben dieser Art, zu denen auch die Hammelgroßschlächterei des Steuerpflichtigen zu rechnen ist, wurde vielmehr stets darauf abgestellt, ob die Verbindung des landwirtschaftlichen und des gewerblichen Betriebs nur zufällig, vorübergehend und ohne Nachteil für das Gesamtunternehmen lösbar oder ob sie vielmehr planmäßig, im Interesse des Hauptbetriebs gewollt ist. Im Rahmen dieser Prüfung, die der Senat auch im vorliegenden Rechtsstreit für erforderlich hält, ist naturgemäß auch das Ausmaß, in dem Erzeugnisse des landwirtschaftlichen Betriebs an den Verarbeitungsbetrieb geliefert werden, von Bedeutung. Hieran allein kann die Beurteilung jedoch nicht geknüpft werden. Vielmehr sind sogar Fälle denkbar, in denen eine selbständige Landwirtschaft erhalten bleibt, obwohl deren gesamte Erzeugnisse im eigenen gewerblichen Unternehmen des Steuerpflichtigen abgesetzt werden (vgl. Urteil des RFH VI 455/41 vom 19. August 1942, RStBl 1942, 1110). Besteht, wie im Streitfall, eine wirtschaftliche Beziehung zwischen der Landwirtschaft und dem gewerblichen Unternehmen, so sind die gesamten Umstände in die Betrachtung einzubeziehen, um festzustellen, inwieweit beide Betriebe aufeinander abgestimmt sind.
Da die Vorentscheidung auf anderen Rechtsgrundsätzen beruht, muß sie aufgehoben und die Sache an das FG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden. Dabei wird insbesondere zu prüfen sein, ob die Tiere für Schlachtung und Schafhaltung einheitlich eingekauft und - wenn auch nur zeitweilig, z. B. im Auffanglager Y - zusammen geweidet wurden, ob der Schriftverkehr und die Abrechnungen insoweit getrennt vorgenommen wurden und ob Angestellte des Steuerpflichtigen sowohl für die Schlächterei wie auch für die Schafhaltung eingesetzt waren. Von nicht geringer Bedeutung ist auch, ob der Verkauf der Nebenerzeugnisse (Wolle, Mist) der Weide- und der Schlachtschafe getrennt gehalten wurde. Schließlich bedarf es genauerer Feststellungen darüber, ob die zum Schlachten gekauften, aber noch nicht schlachtreifen Tiere den Weideschafen zugesellt oder ob sie auf getrenntem Platz schlachtreif gefüttert wurden und in welchem Umfang fleischarme und noch junge, als Schlachtvieh gekaufte Tiere der Schafhaltung zugeführt wurden.
Fundstellen
Haufe-Index 69685 |
BStBl II 1972, 8 |
BFHE 1972, 320 |