Leitsatz (amtlich)
1. Ein bestandskräftiger Eigentümerbeschluss, der den einzelnen Kostenbeitrag jedes Wohnungseigentümers zu einer bestimmten Sanierungsmaßnahme festlegt, ist auch dann nicht nichtig, wenn die Festlegung dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel widerspricht.
2. Zur Auslegung einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung, die eine Änderung durch einstimmigen Beschluss erlaubt.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 1 S. 2, § 23 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 28.05.2003; Aktenzeichen 2 T 6008/02) |
AG Wolfratshausen (Aktenzeichen 3 UR II 20/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG München II vom 28.5.2003 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.147,43 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die nach der Teilungserklärung vom 1.7.1969 aus drei Wohnblöcken mit insgesamt 74 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 36 Stellplätzen besteht. Neben den Wohnungen bildet die Tiefgarage ein eigenes Sondereigentum.
Gemäß § 12 Nr. 1b der Gemeinschaftsordnung (GO) sind die Betriebskosten von allen Wohnungseigentümern und Miteigentümern des Teileigentums (Tiefgarage) im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen.
In § 12 Nr. 2 GO ist vereinbart: Eine Änderung der Verteilungsschlüssel für die Tragung der Kosten und Lasten kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit 3/4-Mehrheit beschlossen werden. Eine Änderung des Verteilerschlüssels zwischen Wohnungsbesitzern und Stellplatzbesitzern kann durch einstimmigen Beschluss erfolgen.
Im Übrigen enthält § 13 Nr. 1 GO zur Zuständigkeit der Eigentümerversammlung eine mit dem Gesetz (§ 23 Abs. 1 WEG) wortgleich übereinstimmende Regelung.
In der Eigentümerversammlung vom 11.11.1977 beschlossen die Wohnungseigentümer einstimmig, ab 1.7.1978 die gesamten Kosten, sowohl die laufenden Kosten wie auch die Reparaturrücklage, für die Wohnungen und die Garagen zu trennen. Das Protokoll enthält noch den Zusatz, dass von den nicht anwesenden und nicht durch Vollmacht vertretenen Eigentümern die schriftliche Zustimmung eingeholt werde. Dies unterblieb.
Seit 1978 wird die beschlossene Kostenteilung unbeanstandet durchgeführt.
In der Eigentümerversammlung vom 26.11.1999 beschlossen die Tiefgarageneigentümer mehrheitlich, für die Sanierung der Tiefgaragendecke einen Kostenvorschuss von 4.200 DM (= 2.147,43 Euro) je Eigentümer, zahlbar bis 1.4.2000, zu erheben.
In einem weiteren Beschluss vom 17.11.2000 legten die Wohnungseigentümer fest, dass die Gesamtsanierung 2001 durchgeführt und die noch fehlenden Zahlungen von je 4.200 DM unverzüglich auf das Sonderkonto zu erbringen seien.
Beide Eigentümerbeschlüsse wurden nicht angefochten. Der Antragsgegner, der zu den Garageneigentümern gehört, hat bisher noch nichts bezahlt.
Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung in der Eigentümerversammlung vom 13.7.2001 haben die Antragsteller am 23.8.2001 beim AG einen Mahnbescheid über einen Hauptsachebetrag von 4.200 DM zuzüglich Zinsen erwirkt. Auf den Widerspruch des Antragsgegners hat das AG am 27.9.2002 den Antrag abgewiesen. Der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat das LG am 28.5.2003 stattgegeben, den Beschluss des AG aufgehoben und den Antragsgegner zur Zahlung verpflichtet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das LG hat ausgeführt:
Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 11.11.1977 zur Kostentrennung sei nicht nichtig, sondern wirksam. Die Gemeinschaftsordnung eröffne eine Abänderungsmöglichkeit. Hiernach könne durch einstimmigen Beschluss der Eigentümerversammlung der Kostenverteilungsschlüssel abgeändert werden. Der Zustimmung sämtlicher Wohnungs- und Teileigentümer bedürfe es hingegen nicht. Das ergebe die Auslegung der Gemeinschaftsordnung.
Zudem seien auch die Beschlüsse vom 26.11.1999 und 17.11.2000, in denen die Zahlungspflicht der Garageneigentümer mit je 4.200 DM festgelegt worden sei, nicht angefochten worden. Selbst wenn den beiden Beschlüssen ein fehlerhafter Kostenverteilungsschlüssel zugrunde gelegen hätte, wären diese nicht als nichtig zu behandeln.
Schließlich könnte die etwaige Nichtigkeit des seit 20 Jahren praktizierten Kostenverteilungsschlüssels allenfalls Auswirkungen in der Zukunft haben, nicht jedoch für die bereits beschlossene Sanierung der Tiefgaragendecke und die Kostenbeteiligung der einzelnen Wohnungseigentümer.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Zahlungspflicht des Antragsgegners folgt bereits aus dem nicht angefochtenen Eigentümerbeschluss vom 26.11.1999. Dieser hat die konkrete Verpflichtung jedes Tiefgarageneigentümers zum Gegenstand, für die Deckensanierung bis 1.4.2000 eine...