Leitsatz
- Der Streitwert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist nicht schon deshalb über den Regelwert hinaus zu erhöhen, weil gegenläufige Anträge gestellt wurden.
- Eine Herabsetzung nach § 45 Abs. 3 FamGKG erscheint geboten, wenn die Herausgabe im Zusammenhang mit einer ebenfalls streitigen Sorgerechtsregelung praktisch nur zu ihrer Vollziehung begehrt wird.
OLG Jena, Beschl. v. 18.3.2013 – 1 WF 112/13
1 Sachverhalt
Mit Schriftsatz vom 16.10.2012 beantragt der Antragsteller die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und weiterer Teile der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung für den gemeinsamen Sohn M.W. im Wege der einstweiligen Anordnung auf sich (Az. 2 F 488/12).
Mit Schriftsatz vom 18.10.2012 beantragte die Antragsgegnerin in Unkenntnis des bereits anhängigen Verfahrens ihrerseits die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Herausgabe des Kindes im Wege der einstweiligen Anordnung (Az. 2 F 491/12).
Beide Verfahren wurden mit Beschl. v. 19.10.2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum vorliegenden Verfahren verbunden.
Das AG hat den Gegenstandswert für die wechselseitigen Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf insgesamt 1.500,00 EUR und den Wert des Vergleichs im Hinblick auf die dann getroffene Umgangsregelung auf insgesamt 3.000,00 EUR festgesetzt.
Beide Beteiligte hatten im Rahmen der einstweiligen Anordnung gegenläufige Anträge zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt. Der Kindesvater hat zusätzlich im Rahmen der einstweiligen Anordnung das Recht zur alleinigen Vertretung in schulischen Angelegenheiten sowie bei der Stellung von Anträgen nach dem SGB VIII beantragt. Die Mutter hatte darüber hinaus den Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners, nach Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht das Kind M. an sie herauszugeben, gestellt.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde und begründet diese damit, dass der Wert mehrerer Anordnungen zusammenzurechnen sei (§§ 33 Abs. 1, 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Es ergebe sich ein Wert von 3.000,00 EUR.
Die Anträge beider Beteiligter seien auch nicht identisch. Der Wert der Kindesherausgabe betrage im isolierten Verfahren ebenfalls 3.000,00 EUR. Eine Herabsetzung nach § 45 Abs. 3 FamGKG erscheine nur geboten, wenn die Herausgabe im Zusammenhang mit der ebenfalls streitigen Sorgerechtsregelung praktisch nur zu ihrer Vollziehung begehrt werde. Daher müsste der gesonderte Antrag zur Kindesherausgabe ebenfalls mit 1.500,00 EUR Berücksichtigung finden.
In jedem Fall sei der Streitwert für die einstweilige Anordnung auf mindestens 3.000,00 EUR festzusetzen. Mit einer Festsetzung des Wertes der Vereinbarung auf 3.000,00 EUR bestehe Einverständnis.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat vorgelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, die wechselseitigen Anträge auf Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge beträfen dasselbe Kind und damit der Sache nach denselben Geschäftsgegenstand, über den nur einheitlich entschieden werden könne, so dass eine Zusammenrechnung nicht in Betracht komme. Dieser Gedanke komme in §§ 33 Abs. 1 S. 2 und 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG für das Zusammentreffen von vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen bzw. von vermögensrechtlichen Ansprüchen konkret zum Ausdruck. Er sei auf nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten erst recht anzuwenden.
Auch der daneben gestellte Herausgabeantrag eines Elternteils falle nicht werterhöhend ins Gewicht, da er nur im Zusammenhang mit der streitigen Sorgerechtsregelung und faktisch nur zu ihrer sofortigen Vollziehung im Erfolgsfall gestellt wurde.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Das FamG hat den Verfahrenswert für die einstweiligen Anordnungen auf Regelung von Teilbereichen der elterlichen Sorge zutreffend auf insgesamt 1.500,00 EUR festgesetzt (§ 41, § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG).
Die einstweilige Anordnung ist jetzt ein von der Hauptsache verschiedenes und selbstständiges Verfahren (Gerhardt/Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Aufl., 17. Kapitel Rn 10). Beide Verfahren betreffen, soweit die Regelung von Teilbereichen der elterlichen Sorge im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt wird, ein und denselben Gegenstand, somit sind die Werte nach § 15 Abs. 1, 2 RVG nicht zusammenzurechnen (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., Anh. § 3 "einstweilige Anordnung").
Darüber hinaus rechtfertigen weder der Umstand, dass beide Parteien gegenläufige Anträge im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestellt haben, noch der zusätzliche Antrag auf Vertretung in schulischen Angelegenheiten sowie bei der Stellung von Anträgen nach SGB VIII eine Erhöhung des Gegenstandswertes nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
Wenn beide Elternteile die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teilbereiches der elterlichen Sorge auf sich beantragen, handelt es sich immer noch um nur ein Verfahren der einstweiligen Anordnung, nicht um mehrere Verfahren. Auch bei der Hauptsache "Elterliche Sorge” als...