BGB §§ 138, 242, 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 307 Abs. 1; RVG § 3a

Leitsatz

  1. Eine Abrechnung nach 6-Minuten-Taktung führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Mandanten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die anwaltlichen Arbeitsschritte in aller Regel längere Zeitabschnitte als nur einzelne Minuten umfassen.
  2. Eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden erfordert, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Insoweit ist z.B. etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde.
  3. Betreffen die Tätigkeiten den E-Mail- oder Schriftverkehr, Telefonate oder Besprechungen mit dem Mandanten, genügt die Angabe von Datum und Uhrzeit, da der Mandant diese Vorgänge miterlebt hat.
  4. Im Honorarprozess hat das Gericht eine überschlägige Schätzung auf Grundlage der vorgelegten Stundenabrechnungen vorzunehmen, welcher Zeitaufwand für die einzelnen Aufgaben und die rechtliche Einordnung, Bewertung und Durchdringung sowie die darauf entfallende Reaktion angemessen war. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Anwalt Fachanwalt in dem Rechtsgebiet ist oder nicht, und ob es sich um eine einfache oder komplexe Angelegenheit handelt. Den hierfür erforderlichen Aufwand kann das Gericht entsprechend § 287 ZPO schätzen.
  5. Verteidigt sich ein Mandant mit der Behauptung, er hätte die Honorarvereinbarung nicht unterzeichnet, wenn er auf die Möglichkeit von Verfahrenskostenhilfe hingewiesen worden wäre, gehört zur schlüssigen Darlegung eines Einwands nach § 242 BGB oder §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB, dass der Mandant zu den Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe im Einzelnen substantiiert vorträgt.

LG Freiburg, Urt. v. 19.7.2019 – 8 O 56/18

1 Sachverhalt

Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht restliches Zeithonorar für außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten geltend, die er für den Beklagten im Zeitraum vom 31.5.2016 bis 26.10.2016 erbracht haben will.

I. Der Beklagte, der sich scheiden lassen wollte, beauftragte den Kläger mit Mandatsvertrag vom 16./17.12.2015 mit seiner außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung im Sorgerechtsverfahren.

Am 17.12.2015 schlossen die Parteien insoweit auch eine Vergütungsvereinbarung, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:

 
Hinweis

1. Herrn X [...] (im Folgenden nur noch als Auftraggeber bezeichnet) hat Herrn Rechtsanwalt Y (im Folgenden nur noch als Rechtsanwalt bezeichnet) beauftragt, seine Interessen gegen X, in folgender Angelegenheit zu vertreten: Sorgerecht – Eilverfahren. Der Auftrag schließt außergerichtliche Verhandlungen mit der jeweiligen Gegenseite ebenso ein, wie das Einleiten und Betreiben von Rechtsmittelverfahren gegen behördliche Entscheidungen.

2. Der Auftraggeber zahlt dem Rechtsanwalt für die Tätigkeit in der Angelegenheit nach Nr. 1 statt der gesetzlichen Vergütung, falls diese nicht höher ist, eine Vergütung von 200 EUR (in Worten: EUR 200) für jede angefallene Arbeitsstunde zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Abgerechnet wird nach angefangenen 6 Minuten Einheiten. Zur Tätigkeit nach Satz 1 gehören insbesondere die Entgegennahme und das Beschaffen von Informationen, das Beschaffen und Durcharbeiten von Akten und Unterlagen, Rechtsprechung und Literaturrecherchen, Ortsbesichtigungen und Besprechungen, sei es in der Kanzlei des Rechtsanwalts oder außerhalb, das Wahrnehmen von Terminen bei Behörden oder Gerichten sowie die Fertigung des Schriftverkehrs und dergleichen. Auch Reisezeiten (Zeiten vom Verlassen der Kanzlei bis zur Rückkehr und Wartezeiten, insbesondere bei Gerichten oder Behörden) gelten als Arbeitszeiten. Pro Tag werden nicht mehr als 10 Stunden berechnet. Die Bestimmungen dieser Vereinbarung gelten auch für bereits vor ihrem Abschluss angefallene Arbeit in der Angelegenheit nach Ziffer 1.

3. Der Rechtsanwalt ist berechtigt, zu seiner Unterstützung einen anderen Rechtsanwalt oder eine andere Rechtsanwältin aus der Kanzlei hinzuzuziehen. Für diese beträgt die Stundenvergütung 200 EUR (in Worten: EUR 200).

4. Der Rechtsanwalt ist berechtigt, bereits geleistete Stunden abzurechnen und durch Rechnungserteilung fällig zu stellen.

5. Jede Aufstellung über die aufgewendete Arbeitszeit wird der Auftraggeber unverzüglich auf Richtigkeit prüfen, sie als richtig zu unterzeichnen und umgehend dem Rechtsanwalt zusenden (Fax genügt). Die Aufstellung gilt als richtig anerkannt, wenn der Auftraggeber sie nicht – spätestens 10 Tage nach Zugang schriftlich bei dem Rechtsanwalt eingehend – unter Angabe der Gründe beanstandet. Der Rechtsanwalt wird weitere Leistungen erst erbringen, wenn die Aufstellung anerkannt wurde oder als anerkannt gilt.

[...]

9. Dem Auftraggeber ist bekannt, dass das hier vereinbarte Honorar möglicherweise über die ...

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