RVG § 15a Abs. 1 RVG VV Vorbem. 3 Abs. 5, Anm. zu Nr. 3305
Leitsatz
Ist eine Gebühr anzurechnen, auf die ihrerseits wiederum eine vorangegangene Gebühr anzurechnen ist, dann ist nicht nur der nach Anrechnung verbleibende Restbetrag dieser Gebühr anzurechnen, sondern der volle Gebührenbetrag vor Anrechnung.
OLG Hamm, Beschl. v. 2.9.2014 – 25 W 135/14
1 Sachverhalt
Die späteren beiden Kläger hatten vor dem 1.7.2004 zunächst ein selbstständiges Beweisverfahren nach einem Streitwert von 133.821,81 EUR eingeleitet.
Nach dem 1.7.2004 leiteten sie ein Mahnverfahren ein, in dem die spätere Beklagte Widerspruch einlegte, so dass das streitige Verfahren durchgeführt wurde.
Nach Abschluss des Verfahrens meldete der Kläger seine Kosten zur Festsetzung an, wobei für das selbstständige Beweisverfahren noch unstreitig die BRAGO anzuwenden war und für Mahnverfahren und streitiges Verfahren die Gebühren nach RVG, allerdings nach den Beträgen des RVG i.d.F. bis zum 31.7.2013:
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. |
13/10-Prozessgebühr, §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 BRAGO |
|
1.960,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, § 26 BRAGO |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.980,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, § 25 BRAGO |
|
376,28 EUR |
|
Gesamt |
|
2.356,68 EUR |
II. Mahnverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr (Nrn. 3305, 1008 VV) |
|
1.960,40 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen |
|
-1.960,40 EUR |
|
Rest |
|
0,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
20,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
3,80 EUR |
|
Gesamt |
|
23,80 EUR |
III. Streitiges Verfahren
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
|
2.412,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
1.809,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
4.242,40 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
806,06 EUR |
|
Gesamt |
|
5.048,46 EUR |
IV. |
Gesamt |
|
7.428,94 EUR |
Die Kläger vertraten dabei die Auffassung, die Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren sei im Rechtsstreit nicht anzurechnen, da diese infolge der Anrechnung der vorangegangenen Prozessgebühr des Beweisverfahrens entfallen sei. Damit verbleibe also kein Betrag mehr, der im streitigen Verfahren noch angerechnet werden könne.
Hiergegen hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
Das OLG hat der sofortigen Beschwerde stattgegeben.
2 Aus den Gründen
Die Kläger haben zunächst zu Recht die Prozessgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens gem. Vorbem 3 Abs. 5 VV auf die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens angerechnet.
Gem. Anm. zu Nr. 3305 VV ist zudem die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anzurechnen. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens durch die Anrechnung der Prozessgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens bereits "erloschen" ist. Dem Wortlaut der genannten Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass – im Falle einer zuvor erfolgten Anrechnung – nur die verbleibende Gebühr auf einen nachfolgenden Rechtsstreit anzurechnen ist (BGH NJW 2011, 1368 [= AGS 2010, 621]). Ansonsten entstünde das vom Gesetzgeber nicht gewollte Ergebnis, dass für den im Mahnverfahren und anschließend im Hauptsacheverfahren tätigen Rechtsanwalt mehr Gebühren festzusetzen wären als für die Tätigkeit des Anwalts, der direkt das Hauptsacheverfahren betreibt (BGH a.a.O.).
Die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens von 1.508,00 EUR mit der Erhöhung von 452,40 EUR war deshalb auf die 1,3-Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens von 1.960,40 EUR zuzüglich der Erhöhung von 452,40 EUR anzurechnen, so dass eine 0,3-Verfahrensgebühr i.H.v. 452,00 EUR verbleibt.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt und Notar Thomas Purrmann, Unna
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Angerechnet wird eine "Gebühr" und nicht ein nach Anrechnung verbleibender Restbetrag.
Abzurechnen war daher wie folgt:
I. Selbstständiges Beweisverfahren
1. |
13/10-Prozessgebühr, §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 BRAGO |
|
1.960,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, § 26 BRAGO |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.980,40 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, § 25 BRAGO |
|
376,28 EUR |
|
Gesamt |
|
2.356,68 EUR |
II. Mahnverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr (Nrn. 3305, 1008 VV) |
|
1.960,40 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen |
|
-1.960,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
20,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
3,80 EUR |
|
Gesamt |
|
23,80 EUR |
III. Streitiges Verfahren
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
|
2.412,80 EUR |
2. |
gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen |
|
-1.960,40 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
1.809,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.282,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
433,58 EUR |
|
Gesamt |
|
2.715,58 EUR |
IV. |
Gesamt |
|
5.096,06 EUR |
Norbert Schneider
AGS 10/2014, S. 453 - 454