§§ 3a, 34 RVG

Leitsatz

Zur Angemessenheit eines anwaltlichen Stundensatzes.

OLG Düsseldorf, Hinweisbeschl. v. 23.11.2021 – 24 U 355/20

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Anwaltskanzlei mit Sitz in Düsseldorf. Sie macht gegenüber der Beklagten ein Honorar für die Beratung hinsichtlich einer geplanten Akquisition der Beklagten bzw. eines von der Beklagten geworbenen Investors bei A sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung ("call for expression of interest") und des Bieterverfahrens ("bit documents") geltend. Sie hat hierfür eine Vergütung auf Stundensatzbasis von netto ca. 9.800,00 EUR vereinbart. Abgerechnet worden sind rund 15 Tätigkeitsstunden, für die die die Klägerin unterschiedliche Stundensätze, und zwar i.H.v. 500,00 EUR, 625,00 EUR und 710,00 EUR zugrunde gelegt hat. Das LG hat der Klage stattgegeben, die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das OLG hat in seinem gem. § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erlassenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

II. Formfrei

Die zwischen den Parteien zustande gekommene Gebührenvereinbarung habe sich auf Beratungsleistungen nach § 34 RVG bezogen, für die eine Vergütung ohne Beachtung der strengen Form des § 3a RVG vereinbart werden könne. Die Leistungen der Klägerin hätte auch in keinem Zusammenhang mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit gestanden, zudem fehle eine gesetzlich festgelegte Vergütung für diese Tätigkeit (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe AGS 2015, 114 = RVGreport 2014, 297; BeckOK RVG/v. Seltmann, Stand: 1.9.2021, § 3a Rn 13). Infolgedessen sei keine Form einzuhalten gewesen, worauf auch das LG zutreffend abgestellt habe.

III. Nachträgliche Unterzeichnung

Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es nicht darauf an, dass die "Vergütungsvereinbarung" von der Beklagten erst am 30.7.2017 und damit erst einige Zeit nach Erbringung der Leistungen vom 2.-15.6.2017 unterzeichnet worden ist. Die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, dass dem Geschäftsführer der Beklagten aus anderen Mandaten ihre Stundensätze bekannt gewesen seien. Mit dieser Kenntnis habe die Beklagte somit die hier in Rede stehenden Beratungsleistungen der Klägerin beauftragt. Nachfolgend habe sie die "Vergütungsvereinbarung" unterzeichnet und damit jedenfalls die Stundensätze genehmigt. Bei den Stundensätzen dürfte es sich – so das OLG – i.Ü. um die "übliche Vergütung" der Klägerin gem. § 612 Abs. 2 letzter HS BGB handeln.

IV. Einwendungen gegen die Höhe der Vergütung

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des Honorars hat das OLG ebenfalls zurückgewiesen. Die Klägerin habe unterschiedliche Stundensätze von 625,00 EUR (9,5 Stunden), 710,00 EUR (4:45 Stunden) und 500,00 EUR (0,5 Stunden) berechnet und komme zu einem Nettohonorarvolumen von EUR 9.760,00 für geleistete 15:05 Tätigkeitsstunden. Dies sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der von der Beklagten genannte anwaltliche Stundensatz von 250,00 EUR stelle zwar möglicherweise den "Regelfall" dar, allerdings können bei besonders ausgewiesenen spezialisierten Anwälten in Angelegenheiten, die für den Mandanten existenziell wichtig sind, auch 1.000,00 EUR angemessen sein (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2019, 1956 = AGS 2019, 261 = RVGreport 2019, 330; Urt. v. 14.11.2011 – I-24 U 192/10, Rn 10; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Aufl., 2021, § 3a Rn 28 am Ende). Hier habe die Klägerin unstreitig Beratungsdienstleistungen in Bezug auf eine geplante mögliche Akquisition der Beklagten bzw. eines von der Beklagten geworbenen Investors bei A sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung (sog. "call for expression of interest") und des Bieterverfahrens (sog. "bid documents") zu erbringen gehabt. Dies habe eine hohe Spezialisierung und Kenntnisse des internationalen Rechts erfordert. Bereits dieses Anforderungs- und Tätigkeitsprofil rechtfertige einen überdurchschnittlichen Stundensatz. Dass die berechneten Stundensätze in sittenwidriger Weise gem. § 138 BGB überhöht gewesen seien, mache die Beklagte nicht geltend. Hierfür sei auch nichts ersichtlich.

Zudem hänge die Angemessenheit eines Stundensatzes auch nicht nur von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache, sondern auch von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Es liege auf der Hand, dass Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen deutlich anders kalkulieren können als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.).

Soweit die Beklagte unzulässige, von der Klägerin gestellte AGB vermute und in diesem Zusammenhang die Höhe der Stundensätze beanstandet, sei dies unbehelflich. Denn der AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegen nach Auffassung des OLG nur Klauseln, die die Bedingungen der Leistungserbringungen regeln. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), seien dagegen per se von einer Inhalts...

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