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Bei ordnungsmäßigen Verfügungsgeschäften über Nachlassgegenstände, Sachen wie Rechte, votierte früher die h.M. anders als bei den Verpflichtungsgeschäften: die h.M. verlangt die Mitwirkung aller Miterben.

Es ist davon auszugehen, dass eine Verfügung dann vorliegt, wenn auf ein bestehendes Recht unmittelbar eingewirkt wird.[18] Anders ausgedrückt: Eine Verfügung liegt vor, wenn ein Recht übertragen, belastet, inhaltlich verändert oder aufgehoben wird. Es sind also nicht nur Sachenrechte betroffen, z.B. durch Belastung mit einem Pfandrecht oder der Eigentumsübertragung an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache, sondern auch Schuldrechte. Sie werden z.B. durch Kündigung, Anfechtung, Erlassvertrag oder Übertragung verändert. Und hier wendet die wohl noch h.M. § 2040 BGB an: Es müssen alle Miterben nach außen mitwirken. Notfalls müssen sie durch Urteil, das die Mehrheit der Miterben gegen die sich sträubenden überstimmten Miterben erwirkt, dazu gezwungen werden,[19] wobei dann das Urteil nach § 894 ZPO die entsprechende Willenserklärung und deren notwendige Form ersetzt.

Zu folgen ist – nunmehr mit dem BGH[20] – der Gegenansicht: Auch bei Verfügungsgeschäften vertritt kraft Gesetzes die Erbenmehrheit die überstimmte Minderheit der Miterben.[21] Es wäre einmal äußerst unpraktisch, wenn bei der Abstimmung über laufende Geschäfte die Mehrheit der Miterben entscheidet, bei der Durchführung des Beschlusses aber auch überstimmte Miterben mitwirken müssen, die verklagt werden müssen, wenn sie nunmehr nicht – entgegen ihren Pflichten (§ 2038 Abs. 1 S. 2 BGB) – kooperativ sind. Die Mehrheit könnte anderenfalls, z.B. einen Verwalter für den Nachlass durch Verpflichtungsgeschäft bestellen, ihm aber bei Versagen in seiner Tätigkeit nicht fristlos kündigen, weil eine Kündigung eine Verfügung ist.[22] Die Überprüfung des Mehrheitsbeschlusses kann die Minderheit im Übrigen durchführen, ohne die Gültigkeit einer Verfügung in Frage zu stellen.[23]

[18] BGHZ 1, 294, 304; BGHZ 101, 26.
[19] BGHZ 56, 47, 52; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl. § 2040 Rn 8.
[20] BGHZ 183, 131 = ZEV 2010, 36 mit Anm. Ann = NJW 201, 765; BGH ZEV 2010, 639; Staudinger/Eickelberg, BGB, 2015, § 745 Rn 35.
[21] MüKo/Karsten Schmidt, BGB, 7. Aufl., § 744 Rn 31; Muscheler, ZEV 1997, 222, 230; Waldherr, Der Begriff der "ordnungsmäßigen Verwaltung" im BGB, 1998, S. 81/82.
[22] Der BGH wich früher einer Stellungnahme zum Teil dadurch aus, indem er von Verwaltungsmaßnahmen sprach (BGHZ 56, 47 ff.); das können aber auch Verfügungen sein (siehe Rdn 223). So nunmehr BGH ZEV 2010 = NJW 201, 765.
[23] Eingehend Muscheler, ZEV 1997, 222, 230.

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