Sebastian Herrler, Susanne Herrler
Rz. 75
Grundsätzlich sind den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft Anteile am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren (vgl. § 225a Abs. 3 Nr. 3 österr. AktG, § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). Eine Anteilsgewähr darf nicht erfolgen, soweit die übernehmende Gesellschaft Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft ist (somit keine Anteilsgewähr bei Verschmelzung einer 100 %igen Tochtergesellschaft auf ihre Mutter) oder der übertragende Rechtsträger eigene Anteile innehat (§ 224 Abs. 1 österr. AktG i.V.m. § 96 Abs. 2 österr. GmbHG, § 3 Abs. 2 EU-VerschG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 i.V.m. § 122a Abs. 2 UmwG). Noch nicht abschließend geklärt ist hingegen, ob die Gesellschafter der übertragenden deutschen GmbH auf die Gewährung von Anteilen verzichten können.
Rz. 76
(1) Eine derartige Verzichtsmöglichkeit könnte sich zunächst aus § 54 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 122a Abs. 2 UmwG ergeben. Zu beachten ist allerdings, dass sich die Anteilsgewährspflicht an den übernehmenden Rechtsträger – vorliegend an die aufnehmende österreichische GmbH – richtet, so dass § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar ist. Zwar dient die Pflicht zur Anteilsgewähr neben dem Gläubigerschutz dem Schutz der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, was für eine Zurechnung zu dem Gesellschaftsstatut der deutschen GmbH spricht. Wäre § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG auf den Verschmelzungsbeschluss der übertragenden deutschen Gesellschaft anwendbar, würde diese Vorschrift aber (indirekt) auch für die ausländische übernehmende Gesellschaft Geltung beanspruchen. Gegen die alleinige Anwendbarkeit von § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG auf Herausverschmelzungen spricht aber wohl entscheidend, dass diese Vorschrift Konsequenzen für die Anteilsgewähr bzw. Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Gesellschaft hat und diese Fragen im Falle der Herausverschmelzung nicht dem deutschen Recht unterliegen, sondern sich nach dem Gesellschaftsstatut der aufnehmenden Gesellschaft richten. Nach der Vereinigungstheorie beurteilt sich die Frage der Anteilsgewähr vielmehr nach beiden betroffenen Rechtsordnungen. Auch im österreichischen Recht bietet § 224 Abs. 2 Nr. 2 österr. AktG i.V.m. § 96 Abs. 2 österr. GmbHG, § 3 Abs. 2 EU-VerschG eine entsprechende Verzichtsmöglichkeit, so dass aus kollisionsrechtlicher Sicht ein Verzicht möglich wäre.
Rz. 77
(2) Derzeit ist allerdings umstritten, ob bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung ein Verzicht auf die Anteilsgewähr überhaupt zulässig ist, da die Verschmelzungsrichtlinie eine solche Verzichtsmöglichkeit nicht vorsieht. Teilweise wird daher § 54 Abs. 1 Satz 3 UmwG (und damit auch § 224 Abs. 2 Nr. 2 österr. AktG) in richtlinienkonformer Auslegung nicht für anwendbar gehalten. Nach anderer Auffassung soll ein Verzicht auf die Anteilsgewähr hingegen auch bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung mit den Richtlinienvorgaben vereinbar sein. Angesichts der ungeklärten Rechtslage dürfte es sich empfehlen, vorerst ohne Verzicht auf die Anteilsgewähr zu arbeiten bzw. zumindest das Vorgehen vorab mit den beteiligten Gerichten abzusprechen.