Rz. 228
Aus der aus § 1353 BGB gefolgerten (nach-) ehelichen Solidarität folgt auch ein Anspruch eines unterhaltsverpflichteten Ehegatten gegen den unterhaltsberechtigten Ehegatten auf Zustimmung zur Geltendmachung des begrenzten Realsplittings.
aa) Anspruchsinhalt
Rz. 229
Das begrenzte Realsplitting ist für einen Unterhaltsverpflichteten eine steuerrechtliche Möglichkeit, Ehegattenunterhaltsleistungen von der Steuer abzusetzen, also sein zu versteuerndes Einkommen um die Unterhaltsbeträge zu vermindern und dadurch die auf sein Einkommen fallende Steuerlast zu reduzieren. Im Rahmen der Trennung spielt das dann eine Rolle, wenn der eine Ehegatte an den anderen Trennungsunterhalt zu zahlen verpflichtet ist.
Rz. 230
Gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 EStG bildet die Höhe des Einkommens des Steuerpflichtigen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Das Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte des Steuerpflichtigen, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, § 2 Abs. 4 EStG.
Rz. 231
Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können auch Unterhaltsleistungen (bis zu einer Höhe von 13.805 EUR im Kalenderjahr) an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten Sonderausgaben sein. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der steuer- und unterhaltspflichtige Ehegatte dies bei der Finanzverwaltung beantragt und der unterhaltsberechtigte Ehegatte zugestimmt hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Rz. 232
Der unterhaltsverpflichtete Ehegatte kann die Unterhaltsleistungen nur dann als Sonderausgaben von seinem zu versteuernden Einkommen abziehen, wenn und soweit der unterhaltsberechtigte Ehegatte dem zugestimmt hat.
Rz. 233
Zu der Abgabe einer derartigen Willenserklärung ist der Unterhaltsberechtigte aufgrund der nachwirkenden ehelichen Solidarität, § 1353 BGB, verpflichtet, soweit er nicht selbst hierdurch einen finanziellen Schaden erleidet. Tatsächlich verhält es sich aber so, dass sich der Umstand, dass der Unterhaltsverpflichtete die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben von seinem Einkommen abziehen kann, unmittelbar auf die Höhe seines eigenen zu versteuernden Einkommens auswirken kann. Denn zwar zählen Unterhaltsleistungen, die der Unterhaltsberechtigte erhält, in der Regel nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 EStG, die für die Berechnung der Höhe des zu versteuernden Einkommens relevant sind. Werden Unterhaltsleistungen aber von dem Unterhaltspflichtigen als Sonderausgaben geltend gemacht, hat das zur Folge, dass eben jene Unterhaltsleistungen dann gerade deshalb zu den Einkünften des Unterhaltsberechtigten zählen, §§ 2 Abs. 1 Nr. 7 in Verbindung mit 22 Nr. 1a EStG. Das wiederum hat zur Folge, dass sich das Einkommen des Unterhaltsberechtigten, dessen Höhe beispielsweise bislang unterhalb der Steuerfreigrenze lag, durch den gezahlten Unterhalt derart erhöhen kann, dass der Unterhaltsberechtigte allein aufgrund der betreffenden Unterhaltsleistungen steuerpflichtig wird. Er muss also Steuern abführen, die er ansonsten nicht hätte zahlen müssen.
Rz. 234
Demnach würde der Ehegatte, der auf Zustimmung in Anspruch genommen wird, selbst finanzielle Nachteile erleiden, sollte er der Behandlung von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben zustimmen. Ein Anspruch aufgrund der (nach-) ehelichen Solidarität würde dann nicht entstehen. Aufgrund dessen entsteht ein Anspruch auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting nur dann, wenn sich der Antragsteller dazu verpflichtet, die durch das begrenzte Realsplitting verursachten finanziellen Nachteile des anderen auszugleichen.
Rz. 235
In diesem Zusammenhang ist wichtig, darauf zu achten, dass die Verpflichtung zum Ausgleich der finanziellen Nachteile nicht auf die steuerlichen Nachteile eingeschränkt wird, sondern sämtliche finanziellen Nachteile umfassen muss. Denn das einkommensteuerpflichtige Einkommen ist Grundlage für die Gewährung von zahlreichen Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld oder Leistungen nach dem BAFöG. Je höher also das zu versteuernde Einkommen durch Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen wird, desto geringer fällt beispielsweise der Anspruch auf Zahlung von Wohngeld oder BAFöG aus. Das muss zwingend zur Folge haben, dass der unterhaltsverpflichtete und Zustimmung verlangende Ehegatte auch diese finanziellen Folgen auszugleichen hat.
Rz. 236
Ein Anspruch auf Unterzeichnung der Anlage "U" zur Einkommensteuererklärung des Verpflichteten besteht nicht. Denn mit einer solchen Unterschrift würde der dazu Verpflichtete die Richtigkeit der vom Antragsteller angegebenen Unterhaltsleistungen bestätigen. Das wäre eine Belastung des Verpflichteten über Gebühr, da für die Durchführung des begrenzten Realsplittings allein die (nicht formbedürftige) schriftliche Zustimmung gegenüber dem Finanzamt genügt. Da Finanzverwaltungen die Durchführung des begrenzten Realsplittings zum Teil verweigern, wenn die Unterschrift des Ehegatten auf der Anlage "U" zur Einkommensteuererklärung fehlt, empfiehlt sich der Versuch, zunächst au...