Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
Rz. 318
Ist nicht der Stifter, aber ein Bezugs- oder Anfallsberechtigter in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, so erfolgt die Zurechnung an diesen entsprechend seinem Anteil, vgl. § 15 Abs. 1 AStG. Eine zentrale Frage im Rahmen des § 15 Abs. 1 AStG ist die Auslegung des Begriffs des Anfalls- bzw. Bezugsberechtigung. Einigkeit besteht insofern, dass bei Bestehen eines rechtlichen Anspruchs auf die Leistung in jedem Fall eine Anfalls- bzw. Bezugsberechtigung gegeben ist. Ob Anfalls- bzw. Bezugsberechtigung auch bei Ansprüchen geringerer Qualität bestehen kann, war jedoch umstritten.
Rz. 319
Die Finanzverwaltung vertritt insofern eine weite Auffassung, nach der eine Person nicht nur dann bezugs- bzw. anfallsberechtigt ist, wenn sie nach der Satzung der Familienstiftung Leistungen der Stiftung rechtlich verlangen, sondern auch dann, wenn sie den Erhalt solcher Leistungen tatsächlich bewirken kann.
Rz. 320
In einer Grundsatzentscheidung vom 25.4.2001 entschied der BFH, dass Anfalls- und Bezugsberechtigung nach § 15 Abs. 1 AStG keinen einklagbaren Rechtsanspruch voraussetzen. Ausreichend sei vielmehr eine gesicherte Rechtsposition in Bezug auf den Anfall des Stiftungsvermögens. Zur Begründung seiner Rechtsauffassung verwies der BFH auf den Sinn und Zweck des § 15 AStG, Steuerflucht und Steuervermeidung durch Errichtung ausländischer Familienstiftungen entgegenzuwirken, und auf den entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Norm. Diese Entscheidung entspricht einer allgemeinen Tendenz des BFH, die Tatbestandmerkmale des § 15 AStG weit auszulegen. Die Literatur hat sich dieser Auffassung inzwischen angenähert.
Rz. 321
Ursprünglicher Zurechnungsgegenstand war das Einkommen der Stiftung, mit dem sie Steuerinländerin steuerpflichtig gewesen wäre. Dieses war insgesamt zu ermitteln und anteilig zuzurechnen, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 AStG a.F. Seit dem 1.1.2013 werden die von der Stiftung erzielten Einkünfte dem Zurechnungsempfänger unmittelbar zugerechnet, vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 AStG.
Rz. 322
Der zuvor bestehende positive Aspekt der Einkommenszurechnung, dass der Familienstiftung nach den für Körperschaftsteuersubjekte geltenden Einkommensermittlungsvorschriften insbesondere die Steuerbefreiung für Beteiligungserträge nach § 8b KStG zugutekam, ging mit dieser Gesetzesänderung verloren.
Rz. 323
Eine Doppelbesteuerung bei der Stiftung einerseits und den Begünstigten andererseits wird dadurch vermieden, dass eine seitens der Stiftung geleistete ausländische Steuer auf die inländische Steuer für die zugerechneten Einkünfte des Zurechnungspflichtigen angerechnet wird, vgl. §§ 15 Abs. 5, 12 AStG. Da § 15 AStG den § 22 Nr. 1 EStG bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG vorgeht, scheidet eine Doppelbesteuerung auf Ebene der Begünstigten insoweit aus. Im Fall der Auskehrung unterliegen die zugerechneten Einkünfte nicht nochmals der Einkommensteuer bei den Begünstigten, vgl. § 15 Abs. 11 AStG.
Rz. 324
Praxishinweis
Im Ergebnis macht die Durchgriffsbesteuerung die Auslandsstiftung als Mittel der Steuergestaltung weitgehend uninteressant. Interessant ist die Auslandsstiftung regelmäßig nur bei Wegfall der unbeschränkten und auch erweitert beschränkten Steuerpflicht des Stifters sowie der Bezugs- oder Anfallsberechtigten im Zurechnungszeitpunkt.