Gilt Sturz beim Duschen auf einer Dienstreise als Arbeitsunfall?

Kommt es beim Duschen während einer Dienstreise zu einem Unfall, stellt sich die Frage nach dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Laut LSG Thüringen fehlt hier der sachliche Zusammenhang mit der zu verrichtenden Tätigkeit des Arbeitnehmers. Der Dusch-Sturz fällt daher nicht unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Kläger, ein angestellter Projektentwickler, übernachtete im November 2015 im Rahmen einer Dienstreise in einem Hotel. Als er am nächsten Morgen aus der Dusche kam, rutschte er aus dem feuchten Kunststoffboden aus und erlitt eine Fraktur des linken Knies. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab.

Arbeitnehmer nahm auf besondere Gefahrenmomente der Übernachtungsstätte Bezug

Nach Ansicht der Berufsgenossenschaft

  • handelt es sich bei der Körperreinigung grundsätzlich um eine unversicherte Tätigkeit,
  • da sie im Wesentlichen dem privaten Bereich zuzuordnen sei.

Der Kläger hielt dagegen, dass die Berufsgenossenschaft besonderen Gefahrenmomente der Übernachtungsstätte, wie die in den Wohnbereich integrierte Dusche sowie fehlende Rutschmatte, einen fehlenden Wasser-Abzieher, das deswegen von der Duschtür abgetropfte Duschwasser, den fehlenden Vorleger und die fehlende Halterung, nicht hinreichend berücksichtigt habe.Das Sozialgericht Gotha war davon nicht zu überzeugen und wies die Klage ab, da der Unfall nicht im sachlichen Zusammenhang zur verrichteten Tätigkeit gestanden habe.

Verrichtung muss der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sein

Auch das Thüringer Landessozialgericht sah in vorliegendem Fall keinen Arbeitsunfall und wies die Berufung zurück. Für einen Arbeitsunfall sei es erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzuordnen sei.

Es seien daher nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte oder während einer Geschäftsreise versichert.

Typischerweise und in der Regel unversichert seien höchstpersönliche Verrichtungen wie z. B. das Essen oder Einkaufen. Zwar komme jede Stärkung des körperlichen oder seelisch-geistigen Wohlbefindens des Arbeitnehmers letztlich dem Unternehmen zumindest mittelbar zugute, dies allein kann jedoch keinen Versicherungsschutz begründen (BSG, Urteil v. 18. 11. 2008,  B 2 U 31/07 R).

Wie bei Wegeunfällen gibt es bei Dienstreisen zwei Prüfungsschritten

Ähnlich wie bei Wegeunfällen sei daher auch bei Dienstreisen zwischen zwei Prüfungsschritten zu unterscheiden:

  • Zum Einen die Zurechnung der Reise zu der grundsätzlich versicherten Tätigkeit,
  • und wenn dies vorliege, die Zurechnung der Verrichtung zur Zeit des Unfalls zu dieser unter Versicherungsschutz stehenden Dienstreise.

Vorliegend steht außer Frage, dass die betrieblich angeordnete Fahrt zum Beschäftigungsverhältnis zugerechnet werden kann. Fraglich war aber der zweite Aspekt.

Duschen ist wie Essen eine höchstpersönliche Verrichtung: kein sachlicher Zusammenhang mit Dienstreise

Das Duschen als Körperreinigung und als höchstpersönliche Verrichtung stand nicht im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Projektentwickler, so die Berufungsinstanz.Denn nach der Rechtsprechung des BSG sei bei Dienstreisen zwischen Betätigungen zu unterscheiden, die mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentlich zusammenhängen, und solchem Verhalten, das der Privatsphäre des Reisenden zugehörig ist. Wenn sich der Versicherte diesen rein persönlichen, von der grundsätzlich versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widmet, besteht kein Versicherungsschutz

Nasse Fliesen gibt es überall

Auch Anhaltspunkte für besondere Gefahrenquellen bestanden nach Ansicht des Gerichts nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe grundsätzlich die latent vorhandene Gefahr, auf nassen Fliesen in Duschräumen auszurutschen: Diese Gefahr sei allgemein bekannt und auch entsprechenden Equipment (wie Vorleger, Abzieher, Halter etc.) vorhanden. Anderes ergibt sich daher auch bei fehlendem Equipment nicht. Es bleibe letztlich dabei, dass der nasse Fußboden ursächlich für das Ausrutschen und schließlich den Sturz mit einer Patellaquerfraktur als Folge war. 

(LSG Thüringen, Urteil v. 20.12.2018, L 1 U 491/18).

Anmerkung:

Warum eine Dusche mit Schutzvorrichtungen gegen Stürze genauso gefährlich ist wie eine ohne und warum Teile des vermissten "Equipments" - wie Halter, Wasserabzieher und Duschvorleger - nicht für einen weniger nassen und rutschigen Boden gesorgt hätten, das vermag das Urteil nicht wirklich zu vermitteln. Die Revision wurde jedenfalls  nicht zugelassen.  

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Hintergrund:

Arbeitsunfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Sie werden auch als Berufsunfälle bzw. Werksunfälle oder Betriebsunfälle bezeichnet. Bei Unfallereignissen muss ein Bezug zu einer Tätigkeit gegeben sein, die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht (versicherte Tätigkeit). Anderenfalls (z. B. bei privaten Freizeit-, Sport- oder Verkehrsunfällen) handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, für den ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig ist.

Unfallversicherungsschutz auf Dienstreisen besteht immer dann, wenn Versicherte Tätigkeiten nachgehen, die für den Antritt der dienstlich veranlassten Auswärtstätigkeit maßgeblich sind (BSG, Urteil v. 19.08.2003, B 2 U 43/02 R ). Nicht versichert sind Tätigkeiten, die eindeutig der Privatsphäre zuzuordnen sind und denen man sich beliebig zuwenden kann (z. B. Besichtigungen oder Ausflüge).

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium