Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst?

Wer seinen Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen jahrelang einen Versorgungsvertrag anbietet, schafft eine bindende betriebliche Übung. Das gilt, trotz des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Sparsamkeit, auch im öffentlichen Dienst. Das hat das BAG zu Lasten der Bayerischen Landesbank entschieden. 

Sparsamkeit vs. betriebliche Übung?

In der Vergangenheit taten sich Gerichte oft schwer mit der Annahme einer bindenden Betriebsübung im öffentlichen Dienst. Denn hier gilt anders als bei privaten Arbeitgebern der haushaltsrechtliche Grundsatz der Sparsamkeit. Der öffentliche Arbeitgeber darf seinen Arbeitnehmern daher nur diejenigen Leistungen gewähren, auf die ein klarer Rechtsanspruch besteht.

Die betriebliche Übung hingegen ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund deren die Arbeitnehmer darauf vertrauen können, dass ihnen eine bestimmte Vergünstigung, die sonst nicht geregelt ist, auf Dauer gewährt werden soll.

In dem nun vom BAG entschiedenen Fall werteten die Richter eine Kann-Bestimmung und die daraufhin jahrelang geübte Praxis als anspruchsbegründende betriebliche Übung.

 

Fusionsvertrag sieht Versorgungsrecht vor

Das führte zum Erfolg der Klage eines Angestellten, der seit Januar 1990  bei der Bayerischen Landesbank beschäftigt war und seine Arbeitgeberin wegen eines Anspruchs aus betrieblicher Übung verklagte.

Inhalt eines Vertrages über eine Fusion, aus der die beklagte Bank 1972 hervorging, war auch folgende Personalvereinbarung:

Mitarbeiter, die mindestens 20 Jahre im Kreditgewerbe beschäftigt sind, davon mindestens 10 Jahre bei den fusionierten Instituten oder bei der Bayerischen Landesbank - Girozentrale -, können einen Rechtsanspruch auf Versorgung nach Maßgabe eines Versorgungsvertrages erhalten.

Darüber hinaus musste eine gute Beurteilung durch den Vorgesetzten vorliegen und der Mitarbeiter in einer gesundheitlichen Verfassung sein, die eine vorzeitige Pensionierung nicht erwarten ließ. Über die Erteilung hatte der Vorstand zu entscheiden.

 

Die Macht der Gewohnheit ...

Die Bank hatte in der Zeit von 1972 bis 2008 mit fast allen Mitarbeitern, die die genannten Voraussetzungen erfüllten, Versorgungsrechte vereinbart. Im Jahr 2009 beschloss die Bank jedoch, dieses Procedere einzustellen.

 

… kann auch eine Kann-Vorschrift zum Muss erheben

Am 1. Januar 2010 erfüllte nun der Kläger alle geforderten Voraussetzungen und verlangte die Vereinbarung des Versorgungsrechts.

 Die Bank lehnte ab. Arbeitsgericht (Urteil v. 15.4.2010, 22 Ca 15571/09) und Landesarbeitsgericht (Urteil v. 21.12.2010, 9 Sa 484/10) entschieden zugunsten des Klägers.

 

Warum die Bank nicht abschließen wollte

Die Richter folgten damit nicht den vorgebrachten Argumenten der Landesbank. Die schloss einen Anspruch aus, da es sich bei der Personalvereinbarung lediglich um eine „Kann-Vorschrift“ handele und diese kein Vertrag zugunsten Dritter sei. Im Arbeitsvertrag des Klägers sei zudem vereinbart worden, dass auch eine wiederholte Gewährung von Leistung keinen Rechtsanspruch begründe. Daher sei eine Gesamtzusage nicht erteilt und eine betriebliche Übung nicht entstanden.

Vertragsabschluss zwingend

Das BAG folgte den Vorinstanzen und urteilte ebenfalls zugunsten des Bankangestellten: Die seit 1972 geübte Praxis bestand schon seit Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers und stellt sehr wohl eine betriebliche Übung dar. Die Landesbank ist daher verpflichtet, allen Arbeitnehmern bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen ein entsprechendes Vertragsangebot zu unterbreiten – so auch dem Kläger.

(BAG, Urteil v. 15. Mai 2012, 3 AZR 128/11).

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