Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Entgelts während des Mutterschutzes bei Bestehen eines Beschäftigungsverbots gem. § 3 Abs. 1 MuSchG vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Entgelt gemäß § 11 MuSchG besteht auch dann, wenn ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bereits ab dem ersten Tag eines Arbeitsverhältnisses besteht. Anzusetzen ist in diesem Fall das regelmäßige Entgelt für die vereinbarte Arbeitszeit.
Normenkette
MuSchG § 11
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.04.2016; Aktenzeichen 23 Ca 1639/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.04.2016, 23 Ca 1639/16 teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
- für den Januar 2016 1.613,95 EUR brutto abzüglich 602,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Differenzbetrag seit 09.02.2016;
- für den Februar 2016 1.613,95 EUR brutto abzüglich 775,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Differenzbetrag seit dem 11.03.2016;
- für den März 2016 1.613,95 EUR brutto abzüglich 775,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Differenzbetrag seit dem 21.04.2016
zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche während eines Beschäftigungsverbotes.
Die Parteien unterzeichneten am 13. November 2015 einen Arbeitsvertrag, gemäß dem ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit, beginnend ab 1. Januar 2016, eine Tätigkeit im Bereich Reinigung und ein Entgelt von 9,55 Euro brutto pro Stunde vereinbart wird (s. i.E. Bl. 7-12 d.A.).
Ausweislich des ärztlichen Attestes vom 14. Dezember 2015 erteilte der Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe S. der Klägerin ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 MuSchG aufgrund einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind im Falle der Fortdauer der Beschäftigung für jede Tätigkeit. Die Klägerin teilte dies und die bestehende Schwangerschaft der Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 2015 mit.
Mit ihrer der Beklagten am 9. Februar 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin Entgelt für den Januar 2016 verlangt. Vereinbart sei die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden entsprechend monatlich 169 Stunden. Ausgehend hiervon ergebe sich gem. § 11 MuSchG ein zu zahlender Bruttomonatslohn von 1.613,95 Euro. Mit den der Beklagten am 11. März 2016 und 21. April 2016 zugestellten Klageerweiterungen hat die Klägerin entsprechende Beträge für Februar 2016 und März 2016 verlangt.
Zweck des § 11 MuSchG sei es, Frauen vor finanziellen Nachteilen während der Beschäftigungsverbote zu schützen und ein Arbeiten entgegen des Verbotes unter Inkaufnahme von Gefährdungen zu verhindern. Wie sich aus § 11 Abs. 1 S. 5 MuSchG ergebe, dürften Zeiten, für die unverschuldet kein Entgelt bezogen werde, nicht zu einer Minderung des maßgeblichen Durchschnittsverdienstes führen. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall. Eine andere Auslegung, die letztlich dazu führe, dass Schwangere ohne Entgelt blieben, widerspräche auch der Wertung der Richtlinie 92/85/EWG. Die Beklagte werde nicht über Gebühr wirtschaftlich belastet, da der Mutterschutzlohn in das Umlageverfahren U2 einbezogen und voll erstattet werde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.841,85 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten auf jeweils 1.613,95 EUR seit dem 09.05.2016, sowie auf weitere 1.613,95 EUR seit dem 11.03.2016 sowie auf weitere 1.613,95 EUR brutto seit dem 21.04.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsverhältnis sei zu keinem Zeitpunkt in Vollzug gesetzt worden. In einem solchen Fall bestünden keine Zahlungsansprüche. Die Erstattung eines Verdienstausfalls nach § 11 MuSchG komme nicht in Betracht, weil mangels vorherigem Verdienst kein schwangerschaftsbedingter Verdienstausfall vorliege. Das Beschäftigungsverbot werde bestritten, ebenso dass die Klägerin bei Unterzeichnung des Vertrages nichts von der Schwangerschaft gewusst habe.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 21. April 2016 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe am 13. November 2015 mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag als Gebäudereinigerin für 169 Stunden pro Monat und 9,55 Euro brutto pro Stunde abgeschlossen. Es bestehe kein Anspruch auf Entgelt für den streitgegenständlichen Zeitraum. Zwar sei von einem vorliegenden Beschäftigungsverbot auszugehen, das einfache Bestreiten der Beklagten reiche nicht aus, um den Beweiswert eines ärztlichen Zeugnisses zu entkräften. Auch lägen die sonstigen Voraussetzungen des § 11 MuSchG vor. Nicht geregelt sei jedoch der Fall, in dem wie hier ein Arbeitsverhältnis bei Eintritt des Beschäftigungsverhältnisses noch nicht in ...