Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision. Behinderung bei Eintritt in das Erwerbsleben. Rehabilitation. Hilfe zur (wiederholten) Beschaffung eines Kfz
Leitsatz (amtlich)
An den gesetzlichen Voraussetzungen für eine der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit dienende Rehabilitationsleistung (RVO § 1236 Abs 1) - hier: Berufsförderungsmaßnahme in Form des Zuschusses zum Erwerb eines neuen für das Erreichen der Arbeitsstätte erforderlichen Kraftfahrzeugs - fehlt es nicht schon deshalb, weil die Behinderung bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben bestand.
Orientierungssatz
1. Rehabilitation ist eine final ausgerichtete Leistung der sozialen Sicherung.
2. Zur Voraussetzung einer Rehabilitationsmaßnahme der RV gehört nicht die unmittelbare Verhinderung des Versicherungsfalles der BU oder der EU.
3. Zur Frage der Ersatzbeschaffung eines Kfz zum Zweck der Rehabilitation.
4. In der Zulassung der Sprungrevision durch das SG liegt gleichzeitig die Zulassung der Berufung nach SGG § 150 Nr 1.
5. Selbst wenn die Behinderung bereits bei Eintritt in das Erwerbsleben bestand, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Erhaltung der Erwerbsfähigkeit dienende Rehabilitationsleistung grundsätzlich erfüllt. Hier entschieden für eine Berufsförderungsmaßnahme in Form des Zuschusses zum Erwerb eines neuen für das Erreichen der Arbeitsstätte erforderlichen Kfz.
6. Art und Umfang der Leistungen zur Rehabilitation richten sich nach den für den Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften; die RehaAnglG §§ 10 bis 20, die für alle in RehaAnglG § 2 Abs 1 und 2 genannten Rehabilitationsträger gelten und eine einheitliche Ausrichtung der Leistungen gewährleisten sollen, begründen keine über die Sondernormen des einzelnen Leistungsbereichs hinausgehenden Ansprüche.
7. Soweit RVO § 1236 Abs 1, AVG § 13 Abs 1 den Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen davon abhängig macht, daß die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, ist diese Voraussetzung auch erfüllt, wenn lediglich die bisher verbliebene - schon geminderte - Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten bleibt.
8. Maßnahmen zur Rehabilitation (RVO §§ 1236 ff, AVG §§ 13 ff) sind bei Bedarf auch wiederholt zu gewähren, wenn die Leistung zur Erhaltung der bisherigen Erwerbsfähigkeit erforderlich ist; ein Zuschuß zur Beschaffung eines Kfz kommt deshalb nicht nur erst - und einmalig nach Eintritt der Behinderung in Betracht.
9. Bei einer sogenannten "eingebrachten Behinderung" kann der Versicherungsfall wegen einer Leistungsminderung (RVO § 1236 Abs 1, AVG § 13 Abs 1) eintreten, wenn die Ausübung der beruflichen Tätigkeit infolge Änderung der Verhältnisse nicht mehr möglich ist.
10. Die Statthaftigkeit der Sprungrevision setzt nicht voraus, daß auch die Berufung statthaft ist.
11. Voraussetzung für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen ist, daß die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und sie voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, betrifft nicht den Ermessensbereich des Versicherungsträgers, sondern ist eine - der uneingeschränkten Entscheidungsbefugnis der SG unterliegende - Tat- und Rechtsfrage.
12. Die Rehabilitationsmaßnahmen sind darauf auszurichten, den Behinderten möglichst auf Dauer einzugliedern; dazu können auch mehrmalige Maßnahmen in Betracht kommen.
13. Es liegt nicht im Sinn und Zweck der Rehabilitation, einen Versicherten von einer Maßnahme deshalb auszuschließen, weil die Behinderung schon längere Zeit besteht, oder ihm lediglich einmalig eine Leistung zu gewähren, obwohl nach den Umständen des Einzelfalles nur wiederholt einsetzende Maßnahmen den angestrebten Erfolg sichern können.
14. Steht fest, daß die Erwerbsfähigkeit durch die Neuanschaffung eines Pkw's erhalten werden kann, sind die Voraussetzungen des RVO § 1236 Abs 1 erfüllt.
Normenkette
RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 1237a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; SGG §§ 161, 150 Nr. 1; AVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 14a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 20.12.1976; Aktenzeichen S 4 J 182/76) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Dezember 1976 sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1976 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zum Erwerb eines Kraftfahrzeugs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Soweit der Rechtsstreit den geltend gemachten Anspruch des Klägers gegen die Beigeladene betrifft, wird er an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des bisherigen Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, dem Kläger einen Zuschuß zum Erwerb eines (Ersatz-) Kraftfahrzeugs zu versagen, sowie ob eine subsidiäre Verpflichtung der beigeladenen Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Betracht kommt.
Der 1923 geborene Kläger ist wegen einer Teillähmung beider Beine seit seiner Kindheit hochgradig gehbehindert. Um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen - er ist an seinem Wohnort seit 1938 in einer Uhrenfabrik beschäftigt -, benötigt er ein Kraftfahrzeug mit Versehrteneinrichtung und automatischem Getriebe. Die Reparaturanfälligkeit seines Pkw (Baujahr 1962) zwang ihn, Vorkehrungen für die Anschaffung eines Neuwagens zu treffen. Hierzu beantragte er im Juli 1975 bei der Beklagten einen Zuschuß. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 1975 ab, weil es sich hier nicht darum handele, erstmals nach Eintritt der Behinderung zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben ein Kraftfahrzeug zu beschaffen. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, weil die rechtlichen Voraussetzungen zur Gewährung einer Regelleistung nicht gegeben seien (Bescheid vom 2. Januar 1976).
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die Klage durch Urteil vom 20. Dezember 1976 abgewiesen: Die Beklagte habe den beantragten Zuschuß ablehnen dürfen, weil die beabsichtigte Ersatzbeschaffung eines Kraftfahrzeugs nicht der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben diene. Der Kläger müsse nach einer beruflichen Tätigkeit von 37 Jahren als in das Erwerbsleben eingegliedert gelten und wie ein Nichtbehinderter selbst für ein Ersatzfahrzeug sorgen. Auch gegen die Beigeladene habe er keinen Anspruch auf den begehrten Zuschuß. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.
Der Kläger hat Revision eingelegt und eine schriftliche Zustimmungserklärung (nur) der Beklagten beigefügt. Er ist der Ansicht, Rehabilitationsmaßnahmen seien auch zur Erhaltung des Arbeitsplatzes zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Dezember 1976 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Oktober 1975 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1976 zu verurteilen, ihm "einen Betrag in gesetzlicher Höhe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges zu gewähren".
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Klage für unbegründet, weil sie den Ausführungen des SG zufolge ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe.
Die Beigeladene hat nicht Stellung genommen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision ist zulässig.
Es schadet nicht, daß der Kläger der Revisionsschrift nur die Einverständniserklärung der Beklagten beigefügt hat. Unter "Zustimmung des Gegners" im Sinne des § 161 Abs 1 Satz 3 SGG ist nicht auch diejenige des Beigeladenen zu verstehen, abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, daß dieser verurteilt worden ist (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe vom 16. März 1976, NJW 1976, 1682 = MDR 1976, 735).
Der Zulässigkeit der Sprungrevision steht auch nicht entgegen, daß die Berufung gegen das Urteil des SG - da der Streitgegenstand eine einmalige Leistung betrifft - nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG ausgeschlossen ist, das SG aber neben der Revision nicht ausdrücklich die Berufung gemäß § 150 Nr 1 SGG zugelassen hat. Denn in der Zulassung der Revision durch das SG liegt zugleich (falls es sich um einen Fall der §§ 144 bis 149 SGG handelt) die Zulassung der Berufung nach § 150 Nr 1 SGG, wie der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 28. Juli 1977 - 2 RU 5/77 - entschieden und dazu ausgeführt hat, die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 iVm § 161 Abs 2 Satz 1 SGG umfaßten auch diejenigen des § 150 Nr 1 SGG; nur die einheitliche Zulassung beider Rechtsmittel sei zulässig, weil den Beteiligten die Wahl, ob sie Sprungrevision oder Berufung einlegen, verbleiben müsse (vgl auch SozR 1500 § 161 Nr 11 und Urteil vom 29. Juni 1977 - 11 RA 52/76).
Die Revision ist auch begründet.
Der Revisionsantrag des Klägers, ihm zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges einen Betrag in gesetzlicher Höhe zu gewähren, ist der Auslegung bedürftig, aber auch fähig; denn an die Fassung des Antrags ist der Senat nicht gebunden (§ 123 SGG). Danach muß das prozessuale Begehren des Klägers dahin verstanden werden, daß er neben der Anfechtungsklage in erster Linie gegen die Beklagte die Verpflichtungsklage, gerichtet auf den Erlaß eines "abgelehnten" Verwaltungsaktes, erhoben hat (§ 54 Abs 1 SGG); die Verbindung mit einer unechten Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG scheidet aus, weil der Antrag nicht auf eine Leistung abzielt, "auf die ein Rechtsanspruch besteht" (vgl BSGE 7, 46, 50, 51).
Darüber hinaus liegt in dem prozessualen Begehren des Klägers auch der Hilfsantrag, die Beigeladene wegen des Zuschusses in Anspruch zu nehmen. Das folgt aus der Möglichkeit, einen beigeladenen Versicherungsträger zu verurteilen, obwohl er nicht verklagt ist (§ 75 Abs 5 SGG). Lediglich wenn der Kläger die Verurteilung des Beigeladenen ausdrücklich ablehnt, kann ein solches Hilfsbegehren nicht angenommen werden (§ 123 SGG; BSGE 9, 67, 70; 14, 86, 89). Dieser Ausnahmefall liegt indessen hier nicht vor; denn der Kläger hat selbst mit dem Hinweis auf die nachrangige Verpflichtung der BA deren Beiladung angeregt und das SG seine Entscheidung (auch ohne ausdrücklichen Antrag) auf die Beigeladene erstreckt.
Die außerhalb des Ermessensbereichs liegenden Voraussetzungen des § 1236 Reichsversicherungsordnung (RVO), unter denen eine Rehabilitationsmaßnahme aus der gesetzlichen Rentenversicherung - hier: Zuschuß zur Ersatzbeschaffung eines Kraftfahrzeugs - gewährt werden kann, sind erfüllt. Dies hat die Beklagte rechtswidrig verneint.
Ob die beantragte Rehabilitationsmaßnahme der Beklagten in Betracht kommt, beurteilt sich nach § 1236 iVm § 1237 a Abs 1 Nr 1 RVO idF des am 1. Oktober 1974 in Kraft getretenen Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S. 1881). § 9 Abs 1 RehaAnglG stellt klar, daß es bei der bisherigen Gliederung der Rehabilitation bleibt. Deshalb richten sich Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung nach den für den Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften. Dabei sollen zwar die Grundsätze der §§ 10 bis 20 RehaAnglG, die für alle in § 2 Abs 1 und 2 RehaAnglG genannten Träger gelten, "eine einheitliche Ausrichtung der Leistungen gewähren" (Amtliche Begründung zu Abs 2 der Vorschrift); über die Sondernormen des einzelnen Sachgebiets hinausgehende Ansprüche begründen diese Vorschriften jedoch nicht (vgl Elsner/Pelikan, Kommentar zum RehaAnglG, Anm 1 zu § 9; Kugler, RehaAnglG, Anm 1 zu § 9). Für die Rentenversicherung der Arbeiter nennt § 1236 Abs 1 RVO als Voraussetzungen für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, daß die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und sie voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Die Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, betrifft nicht den Ermessensbereich des Versicherungsträgers, sondern ist eine der uneingeschränkten Entscheidungsbefugnis der Sozialgerichte unterliegende Tat- und Rechtsfrage. Die Versicherteneigenschaft des Klägers steht hier ebenso außer Zweifel wie die krankheitsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit, wozu auch der Fall gehört, daß der Versicherte seinen Arbeitsplatz nur mit einem Kraftfahrzeug erreichen kann (vgl SozR Nr 27 zu § 1246 RVO; BSGE 24, 142, 145, 146). Zwar ist im Urteil des SG nicht ausdrücklich gesagt worden, daß der Kläger zur Erreichung seiner Arbeitsstelle einen Pkw (mit Versehrteneinrichtung und Automatikgetriebe) benötigt; dem Vorbringen der Beteiligten zufolge, auf das im angefochtenen Urteil Bezug genommen wurde, ist dies jedoch unbestritten und deshalb davon auch in der Revisionsinstanz auszugehen (vgl SozR 1500 § 163 Nr 1). Soweit das Gesetz des weiteren verlangt, die Erwerbsfähigkeit müsse (durch Rehabilitationsmaßnahmen) voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden können, stellt es auf die Relevanz des angestrebten Erfolgs ab. Dazu gehört nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift auch die Erhaltung der bisher verbliebenen Erwerbsfähigkeit, insbesondere wenn - was aber nicht erforderlich ist - ohne eine Rehabilitationsmaßnahme Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit einträte, also eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt werden müßte (so auch Zweng/Scheerer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl, I 2 zu § 1236 RVO).
SG und Beklagte haben in diesem Zusammenhang der Wiedereingliederung in das Erwerbsleben entscheidende Bedeutung beigemessen und gefolgert, für die Beschaffung eines Pkw könne nur erst- und einmalig nach Eintritt der Behinderung ein Zuschuß gewährt werden. Dieser Ansicht steht jedoch schon der Gesetzeswortlaut des § 1236 Abs 1 RVO entgegen. Wie erwähnt, schließt diese Vorschrift die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit ein. Dazu können auch mehrmalige Maßnahmen in Betracht kommen (vgl Zweng/Scheerer aaO). Dies entspricht dem erklärten Willen des RehaAnglG, das in verschiedenen Bestimmungen hervorhebt, die Rehabilitationsmaßnahmen seien darauf auszurichten, den Behinderten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (vgl § 1 Abs 1, § 5 Abs 3 und § 11 Abs 1 RehaAnglG). Abgesehen davon spricht dieses Gesetz nirgends von der in den Bescheiden und im Urteil des SG betonten Wiedereingliederung, sondern stets nur - umfassend - von Eingliederung. Im übrigen ist, worauf der 1. Senat des BSG im Urteil vom 31. August 1977 - 1 RA 47/76 - S. 8 hingewiesen hat, Rehabilitation eine final ausgerichtete Leistung der sozialen Sicherung. Es liegt nicht im Sinn und Zweck der Rehabilitation, einen Versicherten von einer Maßnahme des § 1236 RVO deshalb auszuschließen, weil die Behinderung schon längere Zeit besteht, oder ihm lediglich einmalig eine Leistung zu gewähren, obwohl nach den Umständen des Einzelfalles nur wiederholt einsetzende Maßnahmen den angestrebten Erfolg - hier: Erhaltung der Erwerbsfähigkeit durch berufsfördernde Maßnahmen - sichern können. Es kommt auch unter Berücksichtigung des Abs 3 des § 1236 RVO nicht entscheidend darauf an, auf welche Ursache die Behinderung (Minderung, Gefährdung der Erwerbsfähigkeit) beruht und wie lange sie schon besteht (vgl auch Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation, BT-Drucks VI 3742, Teil A, Allgemeines unter 1. sowie das oben genannte Urteil des 1. Senats vom 31. August 1977 S. 5, 6).
Der Senat hat im Zusammenhang damit noch geprüft, wie das Vorbringen der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der sog. eingebrachten Behinderung zu beurteilen ist. Nach der im Kommentar des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (Stand 1. Juli 1976, Anm 2 zu § 1236 RVO) vertretenen Ansicht soll eine eingebrachte Behinderung nicht die sachliche Zuständigkeit der Rentenversicherung begründen. Zweifel gegen die Richtigkeit einer derartigen Betrachtungsweise bestehen schon deshalb, weil sie sich am Versicherungsrisiko orientiert. Es wurde bereits erwähnt, daß zur Voraussetzung einer Rehabilitationsmaßnahme nach dem Wortlaut des § 1236 Abs 1 RVO nicht die unmittelbare Verhinderung des Versicherungsfalles der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gehört (vgl Zweng-Scheerer, aaO). Das bestätigt ein Vergleich mit dem Vorgänger des § 1236 RVO, § 1310 RVO idF vor dem Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz 1957, der ausdrücklich an die "Abwendung der drohenden Invalidität", bzw an die Erwartung anknüpfte, der Rentenberechtigte werde wieder erwerbsfähig. So hieß es dann auch im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Arbeiter und Angestellten (BT-Drucks II 2437) zu § 1241 (späterer § 1236 RVO), daß "diese und die folgenden Vorschriften dem Träger der Rentenversicherung über den bisherigen Rechtszustand hinaus erheblich erweiterte Möglichkeiten eröffnen". Geschützt gegen einen zu breiten Anwendungsbereich wird der Rentenversicherungsträger durch das Erfordernis der Versicherteneigenschaft iS des § 1236 Abs 1 a RVO. Jedenfalls bleibt bei Auslegung des § 1236 Abs 1 RVO zu beachten, daß bei "eingebrachten Leiden" der Versicherungsfall wegen einer Leistungsminderung gleichwohl eintreten kann, wenn die Ausübung der beruflichen Tätigkeit infolge Änderung der Verhältnisse nicht mehr möglich ist (vgl BSGE 25, 227, 230). Auslösendes Moment für das Herabsinken des Leistungsvermögens unter die Hälfte iS des § 1246 Abs 2 RVO oder dafür, nicht "mehr" eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit ausüben zu können (§ 1247 Abs 2 RVO), kann auch der Verlust der - erforderlichen - Fahrtmöglichkeit zur Arbeitsstätte sein, wenngleich eine solche Ursache unmittelbar und für sich allein auf keinem der in § 1246 Abs 2, § 1247 Abs 2 RVO genannten Kriterien beruht. Im übrigen ist dem auf dem Versicherungsprinzip beruhenden Gedanken, eingebrachte Behinderungen aus dem Anwendungsbereich des § 1236 Abs 1 RVO auszuklammern und somit die sachliche Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers zu verneinen, zumindest jetzt keine entscheidende Bedeutung mehr beizumessen, seit mit Wirkung vom 1. Juli 1975 entgegen dem Versicherungsprinzip die Wartezeit für die Erwerbsunfähigkeitsrente mit einer Versicherungszeit von 240 anstatt 60 Kalendermonaten sogar dann erfüllt werden kann, wenn von Anfang an Erwerbsunfähigkeit iS des § 1247 Abs 2 RVO bestand (vgl § 1247 Abs 3 RVO idF des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975, BGBl I 1061).
Sonach können hier die Leistungsvoraussetzungen des § 1236 Abs 1 RVO nicht deshalb verneint werden, weil der Kläger schon seit Beginn seiner bereits jahrzehntelang ausgeübten Erwerbstätigkeit behindert ist.
Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, daß der Kläger wegen Überalterung und erhöhter Reparaturanfälligkeit seines bisher betriebenen Fahrzeugs eine Neuanschaffung benötigt.
Damit steht fest, daß die Erwerbsfähigkeit durch die Neuanschaffung des Pkw voraussichtlich erhalten werden kann. Die Leistungsvoraussetzungen des § 1236 Abs 1 RVO sind also erfüllt. Soweit die Beklagte mit dem Hinweis auf das Urteil des SG meint, ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt zu haben, läßt sie außer acht, daß es wegen ihrer zu den Leistungsvoraussetzungen vertretenen Rechtsansicht noch nicht zu Ermessenserwägungen gekommen ist.
Über die Art der hier in Frage kommenden Maßnahme bedarf es insofern keiner Ausübung des Ermessens, als es sich um den Zuschuß zur Beschaffung eines Fahrzeugs handelt, also um eine Berufsförderungsmaßnahme iS des § 1237 a Abs 1 Nr 1 RVO ("Hilfe zur Erhaltung ... eines Arbeitsplatzes"). Wie die Beklagte darüber entscheidet, unterliegt ihrem - möglicherweise durch Verwaltungsrichtlinien oder allgemeine Grundsätze konkretisierten - Ermessen.
Bei der Erteilung des neuen Bescheides wird die Beklagte die Rechtsauffassung des Senats zu beachten haben (§ 131 Abs 3 iVm Abs 2 SGG; BSGE 7, 46, 51).
Da die Beklagte nur zur Erteilung eines neuen Bescheides verurteilt werden kann, steht noch nicht fest, ob damit dem Begehren des Klägers voll entsprochen wird. Insofern ist dem die BA betreffenden Hilfsantrag nicht die Grundlage entzogen. Allerdings fehlen insoweit die notwendigen tatsächlichen Feststellungen (vgl § 56, 57 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -; SozR 4100 § 57 Nr 2 und 3; § 37 Nr 1). Da der Senat die erforderlichen Ermittlungen nicht selbst anstellen darf, war der Rechtsstreit in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, und zwar zweckmäßigerweise an das Landessozialgericht, zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 und 4 SGG); dieses wird zunächst die Entscheidung der Beklagten abwarten und möglicherweise die Aussetzung des Verfahrens erwägen. Dem LSG bleibt insoweit auch die Kostenentscheidung vorbehalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen