Weiterbildung: Tipps für das E-Learning im New Normal

Die Coronapandemie hat auch die berufliche Weiterbildung verändert. So wie die Arbeit sich ins Homeoffice verlagert hat, sind auch Training, Coaching und Seminare ins Virtuelle gewandert. Wie wird sich das in Zukunft weiterentwickeln - im vielgerühmten "New Normal"? Learning-Expertin Sabine Prohaska setzt auf hybride Formate und gibt Tipps, wie Personalentwickler sich darauf einstellen können.

Zu Beginn der Coronapandemie wurde das Online-Lernen als Notlösung für das nicht mögliche Präsenzlernen gesehen. Aus dieser Warte erschienen die klassischen Weiterbildungssettings im Seminarraum als die "gute" Variante des Lernens; das Lernen mit Lern- und Videoplattformen, Foren und Kollaborationstools hingegen erschien als minderwertiger Ersatz.

Digitales Lernen ist keine Notlösung mehr

Erst allmählich dämmerte den Verantwortlichen, dass das neue digitale Lernen eine überfällige Bereicherung der Weiterbildung darstellt – unter anderem, weil sich der Fokus weg vom Trainer oder der Trainerin hin zu den Teilnehmenden verschiebt. Sie werden viel stärker als beim klassischen Lernen dazu animiert, ihre Lernprozesse selbst zu organisieren und zu gestalten. Zudem rückt beim Online-Lernen das gemeinschaftliche Lernen stärker in den Fokus, bei dem das Wissen für alle zugänglich im Netz gespeichert ist.

Tipp: Verabschieden Sie sich vom Denken, das Online-Lernen sei eine "Notlösung". Jahrzehntelang forderten Weiterbildungsverantwortliche von den Teilnehmenden Offenheit für Neues und den Mut, Komfortzonen zu verlassen. Jetzt sind Sie an der Reihe, das zu zeigen.

Neue Lernarrangements werden nachgefragt

Zu Beginn der Pandemie war das Denken vieler HR-Abteilungen noch stark von den gewohnten Präsenzveranstaltungen geprägt. Deshalb wurden auch Online-Seminare für die Zeitspanne von 9 bis 17 Uhr nachgefragt. Inzwischen werden auch rege zum Beispiel anderthalb- bis zweistündige Online-Nuggets angefragt, denn: Solche Lerneinheiten lassen sich gut in den Arbeitsalltag integrieren. Deshalb werden sie nicht nur gerne zum kurzfristigen Befriedigen eines akuten Needs genutzt, sondern auch häufig in längerfristige Entwicklungsmaßnahmen integriert.

Zudem werden statt der gewohnten Tagesseminare verstärkt Weiterbildungen nachgefragt, die synchrone (Präsenz- und Live-Online-Veranstaltungen) und asynchrone Elemente (Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten) verknüpfen. Sie machen aus dem Einmal-Event einen Lernprozess, der meist nachhaltiger wirkt.

Tipp: Die Digitaltechnik ermöglicht neue Weiterbildungsdesigns. Experimentieren Sie mit ihnen. Nutzen Sie die Gunst der Stunde zum Entwickeln einer neuen Lernkultur.

Hybride Lernsettings als Trend: das Beste aus zwei Welten

Inzwischen haben viele Unternehmen und Tagungshotels in Technik für hybride Meetings und Seminare investiert, bei denen einige Teilnehmende live im Seminarraum und andere zu Hause oder im Betrieb vor dem Monitor sitzen. Mit der passenden Technik lassen sich solche hybriden Veranstaltungen gut managen. So gibt es zum Beispiel verschiedene Anbieter von "Whiteboard-Lösungen" für ein hybrides Arbeiten und Lernen, bei dem sich alle Teilnehmenden gut sehen und hören. Auch der zeitliche Ablauf hybrider Veranstaltungen will überlegt sein. Er sollte sich an den virtuell Teilnehmenden ausrichten, weil beim Online-Lernen die Aufmerksamkeitsspanne kürzer ist.

Ist in hybriden Veranstaltungen Gruppenarbeit geplant, steigen die Anforderungen an die Referentinnen und Referenten, denn dann müssen parallel die Gruppen vor Ort und die virtuellen Gruppen betreut werden. Zudem müssen etwaige technische Probleme rasch behoben werden.

Tipp: Führen Sie hybride Veranstaltungen möglichst mit Co-Moderatoren und Co-Moderatorinnen durch. Dann können Sie sich das Betreuen der Präsenz- und Online-Gruppen und solche Aufgaben wie Input-Geben und das Lösen technischer Probleme teilen.

Virtuelle Realität wird im Weiterbildungsbereich üblich

Beim Üben von Arbeitsschritten punkten zunehmend Simulationstrainings mittels virtueller Realität (VR). Mit ihnen kann die Handlungssicherheit erhöht werden; ein wichtiger Aspekt zum Beispiel beim Bedienen von Maschinen, denn da muss jeder Handgriff sitzen. Dies können Teilnehmende in einer Schulung mit VR-Brille einüben, indem sie mit Kontrollgeräten ihre virtuellen Hände steuern. Sensoren übertragen die Bewegungen dann in die virtuelle Realität.

Arbeitsschritte unter realen Bedingungen einzuüben, ist für Arbeitgeber oft teuer – unter anderem wegen der Abwesenheit der Mitarbeitenden, der Kosten für die Anreise und Unterbringung sowie der während der Übungsstunden nicht produzierenden Maschinen. VR-Brillen und die dazugehörigen Weiterbildungsprogramme haben dagegen folgenden Vorteil: Sie können nach der Anschaffung immer wieder verwendet werden – ohne lange Planung.

Tipp: Auf Kongressen und Messen können Sie die neuesten Technologien testen. Zudem erhalten Sie dort Infos über mit der neuen Lerntechnik bereits realisierte Projekte und die hierbei gesammelten Erfahrungen.

Die Eigenverantwortung beim Lernen ist gestiegen

Wir stellen seit 2016 den Teilnehmenden an unseren Weiterbildungen kurze Einstimmungsaufgaben und Videos vorab als Einstieg in das Trainingsthema zur Verfügung. Bis Mitte 2020 nutzten weniger als die Hälfte von ihnen dieses Angebot. Das hat sich geändert. Versenden wir heute einen Link mit den Login-Daten und der Beschreibung der Aufgaben, werden diese meist sogleich erledigt – von fast 100 Prozent der Teilnehmenden. Nicht selten fragen sie sogar schon Wochen vor der Weiterbildung nach, wann sie den Zugang zur Lernplattform und den etwaigen Aufgaben und Materialien erhalten. Darin zeigt sich ein Kulturwandel in Richtung eigenverantwortliches Lernen.

Tipp: Stimulieren Sie die Eigenverantwortung der Teilnehmenden. Diese ist umso größer, je mehr Nutzen ihnen eine Weiterbildung bietet. Oft müssen die HR-Abteilungen aber noch Personen dabei unterstützen, die erforderlichen Fähigkeiten für ein selbstorganisiertes Lernen zu entwickeln.

Die Menschen nicht aus dem Blick verlieren

Vielen Unternehmen war schnell klar: Das Online-Lernen erfordert eine gewisse technische Infrastruktur, die aufgebaut werden muss. Diesbezüglich hat sich im vergangenen Jahr viel getan. Die passende Technik ist aber nur der erste Schritt von vielen in eine neue Normalität. Weiterbildnerinnen und Weiterbildner müssen sich auch den sozialen und emotionalen Aspekten einer netzgestützten Zusammenarbeit bewusst sein. E-Learning ist nicht nur ein technischer Prozess; es geht darum, Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist: Mit ihr sind neue Personengruppen für die Weiterbildung erreichbar – zum Beispiel

  • Menschen, die nicht außer Haus übernachten wollen oder können,
  • Berufstätige, die nicht ein oder zwei Tage im Betrieb fehlen können oder möchten, und
  • Personen, die sich nur ungern in einem Stuhlkreis anderen offenbaren.

Wenn das neue Normal einen guten Mix mit unterschiedlichen Formaten bietet, dann ist künftig ein Lernen möglich, das sich stärker an den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen orientiert.

Tipp: Reflektieren Sie beim Aufbau einer neuen Lerninfrastruktur und Entwickeln neuer Lerndesigns immer wieder: Wer soll diese nutzen? Welche Kompetenzen und Eigenschaften sind hierfür nötig?

Netiquette und ein lernförderliches Klima etablieren

Wir sind noch dabei, Umgangsformen für das neue Lernen und Arbeiten zu entwickeln. So zum Beispiel bezüglich der Frage, welche Einblicke wir bei der Teilnahme an Online-Seminaren zu Hause anderen Menschen in unserem Privatleben gewähren. Erst allmählich wird manchem klar: Das benutzte Geschirr vom Vortag im Hintergrund macht keinen professionellen Eindruck. Deshalb stellen inzwischen viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden gebrandete virtuelle Hintergründe für Videokonferenzen zur Verfügung.

Generell gilt: Beim Online-Lernen und hybriden Lernen werden die Beziehungen auch über digitale Kanäle gepflegt. Das erfordert außer wechselseitigem Respekt auch das Einhalten gewisser Regeln bei der Kommunikation in Videokonferenzen, Chats und Foren.

Tipp: Etablieren Sie in Ihrem Unternehmen eine Netiquette, die das Online-Lernen und die offene, vertrauensvolle Kommunikation fördert. In diesem Prozess müssen die Entscheidungsträger als Vorbilder fungieren.

Lernzeiten auch als Arbeitszeiten anerkennen

Lernzeiten sollten seitens der Unternehmen als solche anerkannt und zur Verfügung gestellt werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Zeiten, die die Teilnehmenden synchron mit einem Trainer verbringen, sondern auch ihre asynchronen Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten. Lernen darf nicht zur "Nebenbei-Beschäftigung" verkommen. Lernen braucht Zeit und Ruhe – digital oder analog. Meist entscheiden sich Mitarbeitende, wenn sie die Wahl haben, dafür, Online-Weiterbildungen im Homeoffice zu absolvieren, denn hier können sie sich ihre Lernumgebung individuell gestalten.

Tipp: Lernzeiten sollten von den Unternehmen selbstverständlich als notwendig anerkannt und zur Arbeitszeit gezählt werden. Das neue Normal sollte sein, dass Mitarbeitende auch Lerntage beziehungsweise Lernzeiten zu Hause verbringen können.


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