Social Media Recruiting: "Echte Nähe zu den Teilnehmern"

Unternehmen müssen neue Recruiting-Instrumente einsetzen, um sich von anderen zu unterscheiden. Das Medienunternehmen Prosieben-Sat.1 hat einen "Trainee Talk" über Whatsapp veranstaltet. Ob sich der Aufwand gelohnt hat, zeigt Bettina Hörmann, Leiterin Learning und Development. 

Haufe Online-Redaktion: Welche Idee steckt hinter dem "Trainee Talk" über den Instant-Messenger-Dienst Whatsapp?

Bettina Hörmann: Bunte Plakate und Videos reichen heute nicht mehr, um sich als attraktiver Arbeitgeber von anderen Unternehmen abzuheben und Talente für sich zu begeistern. Im Recruiting wird daher ein Faktor immer wichtiger: die Verbesserung des Bewerbererlebnisses, der sogenannten Candidate Experience. Die erreicht man am besten mit einem direkten, authentischen Austausch zwischen Unternehmen und Bewerber. Was liegt zum Beispiel näher, als das Alltagsmedium Nummer eins unserer Bewerberzielgruppe zu nutzen – den Instant Messenger-Dienst Whatsapp? Damit leben wir unser Employer-Branding-Versprechen "Fascinating People" schon beim Recruiting.

Haufe Online-Redaktion: Wie haben Sie die Bewerber ausgewählt, die am Chat teilnehmen durften?

Bettina Hörmann: Der Trainee-Talk bezog sich auf die Stellenausschreibung "Trainee Digital/Sales". Wir haben eine Vorauswahl aus allen Bewerbungen getroffen und an 35 Kandidaten eine Einladung zum Whatsspp-Chat verschickt. Der Chat war ein freiwilliges Zusatzangebot, um aus erster Hand authentische Einblicke in den Trainee-Alltag zu erhalten, und lief unabhängig vom eigentlichen Recruiting-Prozess. 29 Bewerber beteiligten sich schließlich an dem Experiment.

Haufe Online-Redaktion: Und wer war auf Unternehmensseite mit dabei?

Bettina Hörmann: Zwei unserer Digital-Trainees standen einen Tag lang Rede und Antwort. Gleichzeitig posteten sie Fotos aus ihrem Alltag: von der Arbeit am Schreibtisch bis hin zum Pausen-Eis in der Sonne. Dadurch entstand eine authentische Kommunikation auf Augenhöhe. Unserer Ausbildungsleiterin sowie eine Talent Managerin, übrigens selbst eine ehemalige Trainee, haben den Chat moderiert.

Haufe Online-Redaktion: Wie ist Ihr Resümee zum "Trainee-Talk"? Wurden Ihre Ziele erfüllt?

Bettina Hörmann: Wir hatten noch nie einen schnelleren, transparenteren und interaktiveren Austausch mit Bewerbern für das Trainee-Programm. Im Chat entstand eine echte Nähe zu den Teilnehmern. Außerdem konnten die Bewerber vorab offene Fragen klären und ausloten, ob Traineeprogramm und Unternehmen wirklich zu ihnen passen. Das hat uns wiederum geholfen, beim darauffolgenden Auswahltag viel zielgerichteter auf die einzelnen Kandidaten einzugehen. Am Ende war der Prozess so effizient, dass wir mehr als der Hälfte der Teilnehmer des Auswahltags einen Arbeitsvertrag angeboten haben.

Haufe Online-Redaktion: Wie bewerten Sie den Prozess im Nachgang?

Bettina Hörmann: So ein neuer Prozess funktioniert natürlich nur mit Spielregeln. Daher haben wir vorab eine Whatsapp-Netiquette verschickt, in der unser gewünschter Umgang miteinander geregelt war. Whatsapp ist ein Instant Messenger, das heißt, um einen wirklichen Dialog aufzubauen, sollten Fragen zeitnah beantwortet werden. Chatten mal so nebenbei funktioniert nicht. Moderatoren und Trainees hatten sich die Fragen untereinander aufgeteilt, daher war der Andrang gut zu bewältigen. Es kamen natürlich viele Fragen zum Unternehmen und zum Trainee-Alltag. Besonders auffällig: Die Themen Weiterbildung und Work-Life-Balance haben die Chat-Teilnehmer deutlich mehr interessiert als beispielsweise die Vergütung.

Haufe Online-Redaktion: Welche Rückmeldungen haben Sie von Chat-Teilnehmern erhalten?

Bettina Hörmann: Von den Bewerbern gab es großes Lob für das Format. Sie waren begeistert von der Offenheit und Ehrlichkeit, mit der wir als Unternehmen geantwortet haben. Auch bei unseren Kollegen kam die Idee sehr gut an. Denn durch den Whatsapp-Chat haben wir eine persönliche Bindung zu den Kandidaten aufgebaut. Diese Kontakte können wir nun über unseren Bewerberpool für künftige Stellenausschreibungen nutzen. Unser Fazit: Bei so viel positivem Feedback werden wir diese Art des Recruitings sicher für weitere Besetzungsverfahren nutzen.

Haufe Online-Redaktion: Wie sind Sie datenschutzrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit Whatsapp begegnet?

Vor dem Chat haben wir an jeden einzelnen Teilnehmer eine E-Mail geschickt, in der mitgeteilt wurde, dass die Teilnahme freiwillig ist. Bei Interesse konnten sich die Bewerber dann für den Chat anmelden. Nur angemeldete Bewerber haben die Einladung in die Whatsapp-Gruppe erhalten. Jeder ist sich auch im Klaren, dass Whatsapp gewisse Risiken zum Thema Datenschutz mit sich bringt.

Bei der Aktion handelte es sich ausdrücklich um ein Zusatzangebot: Bewerber, die nicht am Chat teilgenommen haben, hatten keinen Nachteil im Bewerbungsverfahren. Bei uns haben alle Kandidaten die gleiche Chance auf eine Stelle, egal über welchen Kanal sie sich bewerben. Darüber hinaus haben wir explizit darauf geachtet, dass weder personen- noch unternehmenssensible Daten in den Chat eingestellt werden. Der Chat wurde von uns direkt im Anschluss an die Aktion gelöscht.

Zur Person: Bettina Hörmann

Bettina Hörmann ist Leiterin Learning und Development bei der Prosieben-Sat.1 Media AG. 

Das Interview führte Daniela Furkel. 


Schlagworte zum Thema:  Recruiting, Ausbildung, Personalauswahl