Social Learning: Lernst du von mir, lern ich von dir

Drei von zehn Unternehmen nutzen Social Learning, so sagt es eine aktuelle Umfrage. Unsere Kolumnistin Gudrun Porath ist skeptisch: Lernen wir nicht das meiste in sozialen Interaktionen? Und sind es dann nicht viel mehr Unternehmen, bei denen der "Trend" längst angekommen ist?

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Was wir voneinander lernen, wirkt intensiver als alles andere und meistens auch motivierter. Laut einer neuen Umfrage ist Social Learning in drei von zehn befragten Unternehmen angekommen. Nur in drei?

Lernen durch Beobachtung

Wie die Auftraggeber der Umfrage von Kursfinder.de schreiben, sei mit Social Learning eine neue Form der Wissensvermittlung in den Fokus der Arbeitswelt gerückt. So weit so gut – oder auch nicht. Denn Social Learning gehört wohl zu den ältesten Formen der Wissensvermittlung in der Menschheitsgeschichte.

Näher betrachtet hat das zum Beispiel Albert Banduras, der als der Vater der sozialen Lerntheorie gilt. Bandura hat bereits 1971 Lernen durch Beobachtung des Verhaltens anderer Menschen erkannt und damit Lernen als eine sozial-kognitive Erfahrung erklärt. Charles Jennings, einer der „Väter“ des 70/20/10-Modells, wonach die klassische Weiterbildung und damit das formale Lernen nur 10 Prozent ausmachen, 90 Prozent des Lernens aber durch alltägliche Herausforderungen und im Absehen von Anderen geschehen, bezieht sich vor mehr als zehn Jahren bereits auf Plato und Sokrates. Bei den Schülern Sokrates, so Jennings, habe Dialog und Führung zu den Schlüsselkompetenzen gehört.

Peer Coaching und Patenmodelle 

Immerhin, diese Dinge kommen auch in der Umfrage vor. Demnach nutzen die Unternehmen zum Beispiel Peer Coaching, bei dem ältere Mitarbeiter jüngere coachen. Oder Patenmodelle während des Onboardings, Einarbeitung durch einen Mentor, gegenseitige Einarbeitung und Refresher-Trainings. Selbst der informelle Austausch ist erwähnenswert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, solange Menschen mit Menschen zusammenarbeiten. Das ebenfalls benannte After Action Review kennen ältere Mitarbeiter sicher noch als Feedback-Runde oder Nachbesprechung.

Was in der Aufzählung der Befragten auffällt: Bei den meisten Formaten handelt es sich mehr oder weniger um Präsenzformate. Selbst Communities of Practice können sich im realen Leben treffen und sind nicht auf den virtuellen Raum beschränkt. In der Aufzählung bleiben nur von Mitarbeitern befüllte interne Wikis als rein virtuelles Format des Social Learning und einige wenige Befragte, die angaben, Online-Workshops von Mitarbeitern für Mitarbeiter zu veranstalten.

Technologie befeuert die Bedeutung informellen Lernens

Da stellt sich die Frage, wie gut so eine Umfrage die Realität abbilden kann und ob tatsächlich nur in drei von 10 Unternehmen Social Learning angekommen ist. Ich bin sicher: Es sind viel, viel mehr und die Entwicklung wird befeuert durch digitale Kommunikationstechnologien. Seien es Videotelefonie, Interne soziale Netzwerke von Slack bis Yammer oder interne Videoplattformen nach Youtube-Vorbild, die weit reichende Möglichkeiten des Social Learning auch dann eröffnen, wenn die Kollegen nicht am gleichen Ort zusammenarbeiten. Nutzen wir sie.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.