Definition von Purpose als Entscheidungsprämisse

Purpose Driven Organizations verzichten keineswegs auf formale Rollen und Kommunikationswege, setzen dabei jedoch auf Autonomie und Selbstorganisation. Der Prozess des Organisierens ist wichtiger als sein Output. Im Zentrum steht eine kodifizierte Selbstorganisation.

Purpose als dominante Entscheidungsprämisse zu betonen, macht allein noch keine Purpose Driven Organization. In bürokratischen Organisationen, die versuchen, jede Aufgabe mithilfe von detaillierten Programmen und fix geregelten Kommunikationswegen und Kompetenzen zu beherrschen, wird Sinnorientierung und Purpose Drive über kurz oder lang erlahmen – oder erst gar nicht zu finden sein. Wo versucht wird, durch Ablaufoptimierungen, Prozesshandbücher und entsprechende IT-Systeme alles perfekt durchzuorganisieren, gibt es kaum noch Möglichkeiten, situativ sinnorientiert zu entscheiden.

Nach der perfekt geölten Organisationsmaschine zu streben, kann in volatilen und komplexen Zeiten und Umfeldern sogar gefährlich werden. Wenn Kunden in immer kürzerer Folge mehr oder andere Produktvarianten fordern oder Engpässe bei Rohstoffen überraschend auftreten, sind Flexibilität und Entwicklungsfähigkeit gefragt. Purpose kann hier helfen, um wieder Orientierung und Motivation zu schöpfen. Aber dazu ist eben auch ein hohes Maß an organisatorischer Anpassungsfähigkeit notwendig: Freiraum und Selbstorganisation ermöglichen rasch, auf veränderte Anforderungen zu reagieren.   

Geringe Formalisierung erfordert Teamarbeit

Zahlreiche etablierte Unternehmen haben in den letzten Jahren versucht, Prinzipien, nach denen Start-ups arbeiten, zu übernehmen, um mehr Flexibilität und Agilität zu erreichen. Nach dem Motto „bring Silicon Valley inside“ wurden Learning Journeys ins Valley, nach London oder Berlin organisiert. Sichtbar wurde dabei meist, dass Unternehmen in ihrer Anfangsphase nur in geringem Maß feste Strukturen verankern. Nur wenige eindeutige Programme, festgeschriebene Ablaufpläne oder festgelegte Hierarchien der Entscheidungskompetenzen sind vorhanden. Und auch auf die Regelung der Kommunikationswege wird weitgehend verzichtet, solange die Zahl der Mitarbeitenden noch gering ist (Kühl 2011, S. 110).

Geringe Formalisierung bedeutet Teamarbeit. Alle verfolgen ein gemeinsames Ziel. Wie man dabei vorgeht, sich organisiert und wer welche Aufgabe erledigt, wird von Fall zu Fall geklärt. Erst mit der Zeit und mit wachsender Größe bilden sich Routinen und Strukturen heraus. Denn ohne geht es auf Dauer nicht. So schaffen beispielsweise Arbeitsteilung und fachliche Spezialisierung einen Organisationsvorteil, mit ausdifferenzierten Rollen und Aufgaben. Außerdem verhindert eine Formalisierung, dass Entscheidungen laufend neuverhandelt werden müssen – und Zeit und Energie rauben.

Autonomie und Selbstorganisation definieren Organisationsprozess

Purpose Driven Organizations verzichten daher keineswegs auf formale Rollen und Kommunikationswege, setzen dabei jedoch auf Autonomie und Selbstorganisation. Der Prozess des Organisierens ist wichtiger als sein Output. „Organisationsprozess vor Struktur“ heißt das Motto der Purpose Driven Organizations, denn in Kontexten hoher Volatilität und Vielfalt ist laufende Anpassung an Purpose und Möglichkeiten gefragt. Und wo laufend reorganisiert werden muss, kommt der Art und Weise, wie dies vonstatten geht, größere Bedeutung zu als den strukturellen Zwischenergebnissen. Dabei orientieren sich Purpose Driven Organizations primär an folgenden vier Prinzipien:

  • Autonomie und verteilte Autorität: Kommunikationswege werden kurz gehalten, indem die Autorität zu entscheiden von höheren Hierarchieebenen in der Organisation verteilt wird, im Idealfall dorthin, wo der Bedarf zu entscheiden entsteht.
  • Hochfrequenzorganisieren: Statt Strukturen einmal zu perfektionieren und alle paar Jahre anzupassen, wird Reorganisation zum Tagesgeschäft: kontinuierlich, iterativ, inkrementell, fokussiert auf „workable next steps“, um Spannungen zu lösen.
  •  Kodifizierte Selbstorganisation: Damit die Organisation dabei nicht im Chaos versinkt, werden Spielregeln für den kontinuierlichen Selbstorganisationsprozess festgeschrieben. Mitglieder und Teams sind weitgehend autonom und autorisiert, ihre Arbeit selbst zu strukturieren, aber der Ablauf, die Entscheidungsregeln und der Rahmen, in dem diese Entscheidungen getroffen werden, werden klar und rigide geregelt.
  • Räume für informale Kommunikation: Die starke Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die formale Seite der Organisation und die Aufgaben wird ausbalanciert durch zusätzliche Räume und Gelegenheiten für informalen Austausch über persönliche Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Beziehungen.


Dieser Artikel stammt auf dem Personalmagazin 06/2019 mit dem Schwerpunkt "Purpose". Lesen Sie das gesamte Magazin inklusive der Titelstrecke in der Personalmagazin-App.


Schlagworte zum Thema:  HR-Management, Unternehmenskultur