Herausforderung EU-Einfluss

Das deutsche Arbeitsrecht wird seit Jahren immer stärker durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs beeinflusst. Klaus Dieter Sohn, Wissenschaftlicher Referent und Fachbereichsleiter im Centrum für Europäische Politik (CEP) gibt einen kritischen Ausblick, wie sich das weiterentwickeln könnte.

Wie sieht die Arbeits- und Personalerwelt 2023 aus? In Anbetracht der gegenwärtigen Entwicklungen zeichnet sich für mich ein klares Bild ab: die Vision vom einheitlichen Arbeitsrecht. Ab 2023 gehören die nationalen Arbeitsrechtsordnungen der Vergangenheit an, die Verordnung über das europäische Arbeitsrecht (EuArbR-VO) tritt in Kraft und entfaltet unmittelbare Wirkung.

In der EuArbR-VO werden alle bestehenden Rechtsakte zum Arbeitsrecht aufgehen, von der Mutterschutz- über die Arbeitszeit- bis zur Urlaubs-Richtlinie. Alle diese Bereiche werden vollharmonisiert und nationale Abweichungen ausgeschlossen. Einzig die Sozialpartner können – nach Genehmigung durch die EU-Kommission – in einigen wenigen Randbereichen und nur für die gesamte EU abweichende Bestimmungen vereinbaren. Daneben wird es eine zweite Verordnung geben, die den gesamten Bereich der Arbeitnehmermitbestimmung vereinheitlicht.Der Betriebsrat wird ebenso vereinheitlicht wie die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat. Vorbei die Zeit der Unsicherheit vor den Arbeitsgerichten, ob eine Bewerberin in diskriminierender Weise abgelehnt wurde oder die Bestellung eines männlichen Aufsichtsrats wegen Unterschreitens der Frauenquote kassiert werden muss.

Möglich gemacht hat dies der Europäische Gerichtshof (EuGH). Er hat in zahlreichen Fällen die nationalen Rechtsordnungen soweit an das EU-Recht angeglichen, dass die Vollharmonisierung nur der Schlussstein einer langen Entwicklung ist.

Auf den ersten Blick klingt es vorteilhaft. Aber mit einem einheitlichen Arbeitsmarkt werden die Zeiten vorbei sein, da Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Rechtsordnungen im Wettbewerb miteinander stehen. Auch regionale Besonderheiten werden nicht weiter berücksichtigt. Mit diesem Abschied vom Wettbewerb im Binnenmarkt verabschiedet sich die EU mehr und mehr von ökonomischer Vernunft. Dass Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren ist, an dessen Ende die effizienteste Lösung steht, wird schlicht ignoriert. Schlimmer noch: Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten in arbeitsrechtlichen Fragen darf es nach Ansicht der Kommission schon heute nicht geben. Nachzulesen ist diese Ansicht im Richtlinienentwurf für eine Frauenquote. Stattdessen verfolgt die EU unbeirrbar ihre Vorstellung eines einheitlichen Arbeitsmarkts, in dem die Mitgliedstaaten nicht im Wettbewerb zueinander stehen. Das Subsidiaritätsprinzip, als Garant für nationale Souveränität gedacht, damit die Mitgliedstaaten ihre Probleme selbst regeln, wird übergangen und die Regierungen sehen tatenlos zu.

Den vollständigen Text und alle anderen Herausforderungen finden Sie im Titelthema "Auf die Zukunft einstellen", Personalmagazin Heft 1/2013.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Demografischer Wandel