Netzwerk „Übergangstherapie“

Das bundesweite Netzwerk „Übergangstherapie“ bietet Unternehmen eine therapeutische Erstversorgung für psychisch erkrankte Mitarbeiter. Das Gründerpaar erklärt, wie das Netzwerk funktioniert.

Haufe Online Redaktion: Wie funktioniert das System der Übergangstherapie?

Henning Olesen: Die Übergangstherapie stellt unter Anderem Arbeitgebern ein bundesweites Übergangstherapeuten-Netzwerk zur Verfügung und garantiert einen therapeutischen Erstkontakt innerhalb von fünf Arbeitstagen. Begleitet wird das Angebot der Vor-Ort-Therapie durch eine Übergangstherapie-Service-Hotline für die Mitarbeiter der Partnerarbeitgeber. Mitarbeiter unserer Partnerarbeitgeber können sich aus dem Netzwerk einen Übergangstherapeuten frei auswählen und bei diesem bis zu zwölf Übergangstherapiesitzungen in Anspruch nehmen. Den genauen Ablauf wie Genehmigung, interne Kommunikation, Datenschutz und ähnliches definiert jeder Partnerarbeitgeber für sich selbst. Die Abrechnung der Stunden erfolgt später direkt zwischen dem Therapeuten und dem Arbeitgeber. Die Details werden in einem gemeinsamen Kooperationsvertrag geregelt.

Haufe Online Redaktion: Wer sind in den Firmen Ihre Gesprächspartner, wenn es um die erste Kontaktaufnahme geht?  

Henning Olesen: Unsere Gesprächspartner sind über alle Bereiche und Hierachieebenen verteilt. In kleinen Unternehmen sind es meist die Geschäftsführer/Inhaber, im Mittelstand eher Personalabteilung und Betriebsrat und in Konzernen häufig auch die Betriebsärzte, die den Kontakt und die Zusammenarbeit mit der Übergangstherapie suchen.

Haufe Online Redaktion: Wäre es nicht einfacher, einen Therapeuten direkt anzusprechen?

Bianca Olesen: Die ins Kassensystem eingebundenen Psychotherapeuten stehen heute einer nicht zu bewältigenden Nachfrage gegenüber. Auf diese Therapeuten greift das Gesundheitssystem üblicherweise zurück, weil ihre fachliche Qualifikation durch die Vorgaben des SGB sichergestellt ist. Wollen Sie einen Therapeuten direkt ansprechen, müssen Sie dazu auf qualifizierte Kollegen außerhalb des Kassensystems zurückgreifen. Das macht es wiederum notwendig, deren fachliche Qualifikation zu prüfen, um eine kompetente und fundierte Behandlung zu gewährleisten – eine Sisyphusaufgabe für einen Arbeitgeber. Genau diese Prüfung übernimmt nun die Übergangstherapie und gewährleistet damit eine schnelle Behandlung durch Therapeuten, deren Ausbildung mindestens dem Niveau der Psychotherapeuten im Kassensystem entspricht.

Haufe Online Redaktion: Warum richtet sich "Übergangstherapie" überhaupt an Arbeitgeber? Inwieweit ist Therapeutensuche Arbeitgeberaufgabe?

Henning Olesen: Therapeutensuche ist nicht zwingend eine Arbeitgeberaufgabe, vielmehr eine Chance. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht seinen Mitarbeitern gegenüber, die ihm neben beispielsweise  Gefährdungsbeurteilungen und Arbeitsplatzanalysen auch die Chance bietet, seine Mitarbeiter bei der psychischen Genesung beziehungsweise der Abwendung psychischer Erkrankungen zu unterstützen – nicht zuletzt im eigenen Interesse. Denn auch Arbeitgeber stehen dem Phänomen der langen Wartezeiten zunehmend ratlos gegenüber.

Bianca Olesen: Wir begegnen immer wieder Unternehmen, die sich fragen, wozu sie in Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement im psychischen Bereich investieren, wenn das Gesundheitssystem anschließend keine zeitnahe, persönliche Versorgung sicherstellen kann? Daneben können betriebliche präventive Maßnahmen bei bereits erkrankten Mitarbeitern kontraindiziert sein und das Krankheitsbild noch verschlimmern. Das alles steigert wieder die Kosten für die Arbeitgeber und das Gesundheitssystem – der volkswirtschaftliche Schaden geht jedes Jahr in die Milliarden.

Haufe Online Redaktion: Was für ein Übergang ist gemeint?

Bianca Olesen: Der Übergang von psychologischer Erstversorgung zur finalen medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung, sofern diese notwendig ist. Übergang im Sinne der Übergangstherapie umfasst verschiedene Faktoren: Zum einen sind das bis zu zwölf Behandlungsstunden für die Stabilisierung des Patienten, die sogenannte Krisenintervention. Damit eng verbunden ist die erste Diagnostik mit dem Ziel der Psychoedukation, das ist die Aufklärung des Betroffenen über die – sich eventuell erst anbahnende – Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten. Falls es notwendig ist, erfolgt eine Orientierungshilfe und Ermutigung für die weitere medizinische und psychotherapeutische Behandlung.

Haufe Online Redaktion: Wie geht es nach der Übergangstherapie weiter?

Henning Olesen: Das herauszufinden, ist ein weiteres Ziel der Übergangstherapie. Wird eine Erstversorgung schnell eingeleitet, kann eine psychische Krise abgewendet und einer psychischen Erkrankung vorgebeugt werden. Möglicherweise ist aber eine weitere ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder ein Klinikaufenthalt angezeigt. In jedem Fall besteht nach der Übergangstherapie für alle Seiten Klarheit darüber.

Haufe Online Redaktion: Thema Datenschutz. Wie wird die Vertraulichkeit gesichert?

Bianca Olesen: Ein Therapeut ist natürlich auch im Kontext der Übergangstherapie an die Schweigepflicht gebunden. Zwischen Therapeut und Patient gilt Vertraulichkeit. Im Rahmen der Übergangstherapie werden nur abrechnungsrelevante Daten ausgetauscht. Alle die Therapie und den Patienten betreffenden Daten unterliegen selbstverständlich den bekannten Datenschutzbestimmungen.

Haufe Online Redaktion: Wie sieht es mit den Kosten für die Arbeitgeber aus?

Henning Olesen: Die Kosten für Arbeitgeber belaufen sich auf 70 Euro für eine Übergangstherapiesitzung. Für die begleitenden Leistungen, wie beispierlsweise die Übergangstherapie-Service-Hotline, Abrechnung, Netzwerkbereitstellung und vieles mehr, wird monatlich eine Servicegebühr aufgrund eines Mitarbeiterschlüssels berechnet. Das Gute ist, dass Krankenkassen im Rahmen ihrer jeweiligen Bonusprogramme für Arbeitgeber dieses Angebot bezuschussen können.

Das Interview führte Katharina Schmitt.

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