Leadership Report 2019: Handlungsfelder für HR

„Am lautesten klopfen die Veränderungen der Arbeitswelt an die Türen der Personalabteilung", sagt Trendforscher Franz Kühmayer. In seinem Leadership Report 2019 entwirft er fünf Handlungsfelder für HR.

Wie begegnen Personalverantwortliche den Herausforderungen der Zukunft – und worin liegen diese genau? Der Trendforscher Franz Kühmayer versucht in seinem „Leadership Report 2019“, den er in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Zukunftsinstitut geschrieben hat, Antworten auf diese Fragen zu finden. "Bewegte Beweger" nennt Kühmayer zukunftsorientierte Personalmanager und empfiehlt ihnen die folgenden fünf Handlungsfelder im Blick zu behalten.

1. Agilität

Wie agil wird in Personalabteilungen gearbeitet? Wenn es nach Franz Kühmayer geht, nicht agil genug. Laut einer von ihm zitierten Studie der Unternehmensberatung Kienbaum und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung, verfügen nur vier Prozent der 200 bisher befragten Unternehmen über eine agile HR-Funktion. Kühmayer sieht darin einen großen Widerspruch. „Es mangelt nicht an HR-Kongressen, HR-Seminaren und HR-Branchenmeetings, auf denen das Zeitalter der Agilität ausgerufen wurde. Der Blick in die HR-Abteilungen verrät aber, dass dort noch sehr traditionell gearbeitet und getickt wird“, sagt er. Um vom Reden in die Tat zu kommen, müssten HR-Abteilungen deshalb selbst mit agilen Methoden und Techniken arbeiten.

2. Dynamische Arbeitsformen

Die Arbeitswelt wird immer fragmentierter, es entstehen neue Arbeitsmodelle, auf die besonders die Personalabteilung vorbereitet sein muss. HR sei momentan aber nicht offen genug für die unterschiedlichen Lebensläufe der Mitarbeiter und habe weder die Methoden noch die passenden Instrumente für diese Veränderungen, sagt Kühmayer. Als Beispiel nennt er den Umgang mit der Tatsache, dass die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen immer kürzer wird: „Der klassische Zugang wäre, zu versuchen, diesen Trend zu verhindern. Ein anderer Zugang wäre aber zu fragen, welche Stärken entstehen daraus?“ Mit einem Alumni Programm könne die Personalabteilung beispielsweise weiterhin den Kontakt zu den ehemaligen Mitarbeitern aufrechterhalten und so ein Netzwerk aus Sympathieträgern und Referenzen außerhalb des Unternehmens für das Unternehmen schaffen.

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Auch im Umgang mit Teilzeitmitarbeitern sieht Kühmayer noch Verbesserungsbedarf. „Es besteht kein Mangel an flexiblen Arbeitsformen, aber eine Studie der Uni St. Gallen hat ganz klar gezeigt, dass Teilzeitmitarbeiter seltener Budgetverantwortung und Personalverantwortung bekommen. Teilzeit bieten Unternehmen also an, aber sie signalisieren ihren Mitarbeitern auch, dass das ein Karriereknick ist. Das darf nicht sein.“ Vielmehr solle sich die Personalabteilung fragen, wie sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und so auch das Unternehmen bestmöglich unterstützen kann, so Kühmayer.

3. Robot Recruiting

Gerade der Bewerbungsprozess könnte in den kommenden Jahren durch Algorithmen bestimmt werden. „Auf der Recruiting-Ebene findet ein gegenseitiges Aufrüsten statt. Sowohl die Unternehmen als auch die Bewerber nutzen für den Prozess moderne Technologie“, sagt Franz Kühmayer. Gleichzeitig sei HR das Hoheitsgebiet zutiefst menschlicher Entscheidungen.

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Aktuell zeigt ein Fall bei dem Online-Händler Amazon, wie gefährlich das Vertrauen auf Maschinen für die HR-Abteilung sein kann: Das Unternehmen hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters an einem Recruiting-Tool gearbeitet, das die Auswahl neuer Mitarbeiter vereinfachen sollte. Das Problem: Das Programm benachteiligte in seiner Bewertung systematisch Frauen, weswegen das Projekt gestoppt wurde. „Vieles, was in einem Bewerbungsprozess geschieht, verstehen wir gar nicht“, sagt Franz Kühmayer. „Was macht einen guten Bewerbungsprozess aus, worin liegen die Erfolgskriterien? Bevor ich diesen Vorgang automatisiere, muss ich mir doch zuerst als Mensch die Frage stellen, ob ich das gut kann.“

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Denn der Algorithmus könne entweder nur den Menschen kopieren – dann wiederhole er aber auch dessen Fehler – oder er lerne selbstständig - dabei müsse man dem Algorithmus aber auch seine Grenzen aufzeigen. „Damit digitale Personalprozesse also gut funktionieren können, müssen wir zunächst einmal verstehen, wie diese Prozesse aus menschlicher Sicht besonders gut funktionieren können.“

4. Unternehmenskultur

Das Fördern einer Unternehmenskultur sieht Kühmayer als eine wichtige Aufgabe von HR. Wobei er die Kultur eines Unternehmens nicht mit dem Employer-Branding gleichsetzen möchte. „Employer-Branding ist vielfach eine Marketingmaßnahme, die an der Substanz des Produktes nichts verändert. Die Kultur eines Unternehmens sollte sich nicht an der Oberfläche bewegen“, sagt der Trendforscher. So reiche es in einem Unternehmen, das einen lockeren Umgang unter den Mitarbeitern fördern möchte, eben nicht aus, einfach irgendwo einen Tischkicker aufzustellen. Es brauche viel mehr Substanz in der Personalarbeit.

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„Die Verantwortlichen müssen überlegen, woran man die Kultur im Unternehmen erkennen kann“, sagt Kühmayer. Das seien ganz konkrete Maßnahmen und Faktoren, die man an zentralen Fragen erkennen könne: Wer wird befördert? Wer muss das Unternehmen verlassen? Wofür ist Budget da? Zu welchen Themen sprechen die Führungskräfte, womit beschäftigen sie sich auf der Prioritätenliste? „HR hat die Aufgabe, Unternehmenskultur, Führungskultur erlebbar, angreifbar und entscheidbar zu machen“, so Kühmayer.

5. Vom HR-Manager zum Business-Leader

Personaler wünschen sich mehr Mitspracherecht im Unternehmen, dafür brauchen sie laut Kühmayer aber auch eine hohe Geschäftsorientierung. „Man kann bereits jetzt in einigen großen Unternehmen feststellen, dass die dortigen Top-Positionen in HR gar nicht aus dem HR-Bereich kommen. Das sind Menschen, die ganz vielfältige Businesserfahrungen gemacht haben. Die haben beispielsweise Erfahrungen im Business-Development oder in der Unternehmungsberatung gemacht oder hatten zuvor eine Vertriebsverantwortung oder Kommunikationsverantwortung“, sagt Franz Kühmayer. Die Kernfachkompetenz von HR sei zwar wichtig und werde auch wichtig bleiben, „aber wenn man sich wünscht, dass man auf Vorstandsebene mitdiskutieren kann, dann darf man eben nicht nur an Personalthemen interessiert sein, sondern auch am Unternehmenserfolg“, so Kühmayer.

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Um die Transformation vom klassischen Personalchef, der auf den Gebieten Arbeitsrecht, Zeiterfassung und Ähnliches bewandert ist, zum Chief HR hinzubekommen, der den gesamten Businesskontext und den Unternehmenserfolg im Blick hat, brauche es Neugierde und den Willen, Neues zu lernen. „Das Lernen passiert wahrscheinlich für Führungskräfte am besten, indem sie sich einerseits Fachwissen aneignen, aber vor allem auch mit Menschen sprechen. Gerade auf der Ebene macht es absolut Sinn, einmal in den eigenen Kalender zu schauen, um herauszufinden, wie viel Zeit man mit Kernpersonalthemen und den dazugehörigen Mitarbeitern verbringt und wie viel Zeit man wiederum mit der Vertriebschefin, dem Marketingleiter, dem Head of Business-Development, dem oder der CIO und so weiter verbringt. Wenn ich mir den Kalender mit reinen Personalthemen zupflastere, darf ich mich nicht wundern, wenn ich über nichts anderes mehr reden kann, außer Personalthemen“, so Kühmayer.

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