Leadership: Eine positive Reputation aufbauen

Ein guter Ruf macht vieles einfacher – im Privatleben genauso wie in der Arbeitswelt. Eine Binse, die keine eigene Kolumne rechtfertigt? Weit gefehlt, zeigt Kolumnist Randolf Jessl: Reputation gewinnt in der Führungsbeziehung wie im Alltag enorm an Bedeutung – und ist komplexer als die meisten meinen.

Erstmal Schritt für Schritt: Was also ist Reputation? Reputation ist das, was eine größere Gruppe von einem Menschen denkt. Dieser Ruf ist die Summe aus Taten, Verhaltensweisen und Errungenschaften der Vergangenheit. Dieser Ruf gewinnt ein Eigenleben, wird weitergetragen und weist in die Zukunft. Er prägt die Erwartungen derjenigen, die diesem Menschen begegnen. Ein guter Ruf schafft Vertrauen, eine negative Reputation schürt Misstrauen und Abneigung.

Ein guter Ruf öffnet Türen und Herzen

Mehr noch, ein schlechter Ruf kann isolieren, ein guter Ruf dagegen öffnet Türen und Herzen. Wer als ausgewiesener Experte gilt, wird auf seinem Gebiet leichter eine Gefolgschaft finden. Wer als durchsetzungsstark angesehen wird, wird jenen Respekt abnötigen, die gerne auch einmal dagegenhalten.

Reputation ist für Menschen, die anderen folgen wollen, ein Indikator, ob es lohnt, sich mit dieser oder jener Person einzulassen und was dabei zu erwarten ist. Je größer der Kreis an Personen ist, die eine Führungspersönlichkeit erreichen muss, desto mehr Bedeutung erhält Reputation. Je geringer die Macht- und Druckmittel einer Person sind, anderen Gefolgschaft abzunötigen, umso wichtiger wird sie.

Reputation – Eigenkapital oder Kredit?

Viele sehen daher in Reputation einen Vermögenswert, den man besitzt und mit dem man wirtschaften kann: Eine Art Eigenkapital, sozusagen. Erst allmählich aber setzt sich die Ahnung durch, dass dieses Kapital sehr flüchtig und geliehen ist. Von jenen, die den guten Ruf der Person anerkennen und weiterverbreiten. Also eher Fremdkapital.

Daher sollte Reputation genauso wie Autorität heute als Kredit gesehen werden. Ein Kredit, den Leader bei Menschen erwerben, aber auch aufbrauchen können. Hierzu gibt es eine wenig bekannte Theorie mit dem sperrigen Namen "Idiosynkrasie-Kredit-Theorie der Führung", die uns wichtige Anregungen liefert.

Punkte sammeln bei Geführten

Diese Theorie besagt, dass Menschen in der Gruppe, die sie führen, über die Zeit hin einen Kredit erwerben, wenn sie sich zu der Gruppe loyal erweisen, Leistung zeigen und für sie Erfolge erzielen. Dieser Kredit, der ähnlich wie im Falle der positiven Reputation eine Art Vorschussvertrauen darstellt, kann dann dazu genutzt werden, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen ("Das wird wohl nötig sein!") oder vorhandene Skepsis einzudämmen ("Die Kollegin wird schon Recht haben!"). Sind diese Maßnahmen erfolgreich, wächst der Kredit, misslingen sie, wird der Kredit aufgebraucht.

Wie Reputation und Autorität wachsen

Und genau darum lohnt es, in Sachen Reputation wie auch eigener Autorität quasi Buch zu führen und die Wahrnehmung anderer zu steuern. Wie werde ich wahrgenommen, wie will ich wahrgenommen werden, wie wirkt dieses oder jenes auf meine Umwelt? Punkte ich gerade oder baue ich mein Punktekonto ab?

Daher gilt für Menschen, die in Führung gehen und bleiben wollen:

  • Erzielen Sie Erfolge und machen Sie sie sichtbar! Das ist das A und O.
  • Machen Sie sich die Wirkung von Misserfolgen auf Ihr Punktekonto, Ihre Reputation und Ihre Autorität bewusst – und gehen Sie damit kommunikativ um. Verleugnen hilft nicht, aber erklären und einbetten in einen größeren Kontext schon.
  • Fallen Sie auf! Ohne Maßnahmen und Verhaltensweisen, die Aufmerksamkeit und Interesse wecken, entsteht in breiten Kreisen keine Reputation.
  • Machen Sie sich über die Kreise schlau, die über Ihre Reputation bestimmen: Was erwarten diese, was gilt hier als positiv – und inwieweit können und wollen Sie dem entsprechen?
  • Nutzen Sie Beziehungen und Netzwerke, um Ihre Reputation und Autorität zu steigern. Mit wem Sie gesehen und verbunden werden, entscheidet auch darüber, für wen Sie gehalten werden!
  • Setzen Sie in Sachen Reputation und Autorität auf harte Fakten – wohlwissend, dass sie nur die halbe Miete sind: verbriefte Kompetenzen, Referenzen, Ämter, Titel, Auszeichnungen und so weiter.
  • Beachten Sie, dass sie in allem, was Sie sagen, schreiben und tun, an Ihrem Ruf gemessen werden und diesen dadurch stabilisieren oder destabilisieren. Das ist die zweite Hälfte der Miete.
  • Respektieren Sie, dass der Aufbau von Reputation und Autorität ein Dauerlauf ist. Die eine aufmerksamkeitsstarke Aktion kann berühmt machen (erinnern Sie sich noch an den Kreml-Flieger Mathias Rust?). Reputation und Autorität entstehen dagegen erst, wenn das, wofür man steht und wofür man von anderen anerkannt wird, über einen längeren Zeitraum gezeigt wird.

Führungsautorität auf Pump oder mit Druck

Im gewissen Sinne leben erfolgreiche Führungskräfte damit immer auch auf Pump. Politiker können davon ein Lied singen. Wer das akzeptiert und reflektiert, kann dabei punkten. Wer das nicht will, muss auf Macht und Stärke setzen: Mit Druck und Zwang durchsetzen, was Menschen mit positivem Ruf und anerkannter Autorität auf freiwilliger Basis erreichen. Und seien wir ehrlich: Wo kann man heute noch mit nachhaltiger Wirkung "durchregieren"?


Randolf Jessl ist freier Journalist und Inhaber der Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority. Er unterstützt Menschen in Organisationen und auf Märkten, dank ihres Wissens und ihrer Ideen in Führung zu gehen.


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