Interview zur neuen Arbeitgebermarketing-Kampagne bei Lidl

Unter dem Motto „Lidl muss man können“ positioniert sich das Handelsunternehmen als transparenter Arbeitgeber. Welches Ziel mit der neuen Arbeitgebermarketing-Kampagne verfolgt wird und welche Arbeitgeberleistungen wichtig sind, erläutert Jens Urich, Geschäftsleiter Personal bei Lidl Deutschland.

Haufe Online-Redaktion: Ihre neue Arbeitgebermarketing-Kampagne formuliert provokant: „Lidl muss man können“. Was wollen Sie damit aussagen? Ist die Arbeit bei Lidl schwieriger als bei anderen Arbeitgebern?

Jens Urich: Wir wollen damit sagen, dass wir Leute brauchen, die genau das können, wofür wir stehen: Dynamisch sein, engagiert sein, Biss haben. Wir wollen das Ganze so transparent und ehrlich wie möglich umsetzen. Auf dem Arbeitgebermarkt biedern sich viele Unternehmen an, beschönigen und überschminken Dinge. Unserer Meinung nach ist das genau der falsche Weg. Es geht nicht darum, sich möglichst toll darzustellen, sondern wir wollen Geschichten darüber erzählen, was wir tun.

Haufe Online-Redaktion: 2016 haben Sie bereits eine Arbeitgebermarke am Markt etabliert, die unter dem Motto stand „Wir sind Möglichmacher“. Welches konkrete Ziel steckt hinter der neuen Kampagne?

Urich: Im Grunde ist die neue Kampagne eine konsequente Fortführung der Kampagne von 2016. Damals haben wir für uns vier Werte definiert: „dynamisch“, „leistungsstark“, „Zutrauen“, „fair“. Im Vorfeld der neuen Kampagne haben wir uns mit unseren Mitarbeitern unterhalten. Wir wollten von ihnen wissen, was uns außer diesen vier Werten noch ausmacht. Dabei ist ein Wert dazugekommen, der von einem Großteil unserer Mitarbeiter genannt wurde: „Teamgeist“. Dieser ist auch in die neue Kampagne eingeflossen. Wir wollen darstellen, dass Lidl als Handelsunternehmen viel mehr ist als das, was der Kunde sieht, wenn er in der Filiale einkaufen geht. Bei uns gibt es vielfältige Jobprofile. Darüber hinaus sind wir ein Unternehmen, das stetig wächst und seine Geschäftsfelder laufend ausweitet. Dafür brauchen wir Leute – nicht irgendwelche, sondern solche, die sich etwas zutrauen, die versiert sind und denen wir Lidl beibringen können, sodass sie möglichst bald sagen: „Ich kann Lidl“.

Haufe Online-Redaktion: An welche Zielgruppe richten Sie sich damit?

Urich: Die Kampagne ist bewusst breit angelegt. Sie ist auch so konzipiert, dass wir sie nach innen und nach außen spielen können. Wir haben sie seit Mai zunächst intern kommuniziert, um unsere 83.000 Mitarbeiter als Markenbotschafter zu gewinnen. Sie wirkt nach innen sehr gut. Die Mitarbeiter sind stolz, Teil dieses Teams zu sein. Und auch nach außen wird sie wirken, denn wir versprechen nichts, was wir nicht halten können. Im Arbeitgebermarketing geht es darum, so breit wie möglich aufgestellt zu sein. Wenn wir Aufmerksamkeit bei potenziellen Bewerbern erreicht haben und konkret ins Recruiting gehen, spitzen wir die Kampagne zu und erzählen eine Geschichte zu jedem Jobprofil.

Die Bandbreite der zu besetzenden Stellen ist groß 

Haufe Online-Redaktion: In welchen Bereichen, bei welchen Profilen ist Ihr Mitarbeiterbedarf am größten?

Urich: Wir haben extrem vielfältige Profile und Jobs. Wir suchen Immobilienkaufleute, ITler, Einkäufer oder auch Verkäufer. Wir wachsen und viele Abteilungen haben einen Personalbedarf. Rein zahlenmäßig benötigen wir die meisten Mitarbeiter für den Vertrieb, da wir auch bei der Anzahl der Filialen weiter wachsen. Wir hatten vor zwei Jahren eine Kampagne in Berlin, über die wir 1.000 Jobs ausgeschrieben haben. In Frankfurt hatten wir eine Kampagne mit einer dreistelligen Stellenzahl.

Haufe Online-Redaktion: Können Sie noch mehr Zahlen nennen: Wie haben sich die Bewerberzahlen in den vergangenen Jahren verändert?

Urich: Zu den Bewerberzahlen kann ich sagen, dass wir eine positive Entwicklung verzeichnen. Aber die Qualität ist für uns viel entscheidender als die Quantität. Als Personaler bin ich der Meinung: Die beste Anzahl für eine offene Stelle ist eine Bewerbung, wenn es genau die richtige Bewerbung ist. Wir sehen aber auch, dass wir als Arbeitgeber an Attraktivität gewinnen. Das zeigen zum Beispiel unsere Kununu-Bewertungen, die aktuell bei 3,62 liegen. Im Vergleich dazu schneiden andere Handelsunternehmen schlechter ab. Besonders wichtig ist die positive Entwicklung bei den Kununu-Bewertungen. Das zeigt: Die Arbeit, die wir in die Arbeitgebermarke gesteckt haben, zahlt sich aus, genauso wie die Arbeit, die unsere Führungskräfte vor Ort leisten. Auch in Mitarbeiterbefragungen spiegeln unsere Mitarbeiter, dass wir uns sehr positiv entwickeln.

Bewertungen auf Kununu werden situativ kommentiert

Haufe Online-Redaktion: Auf der Arbeitgeberbewertungs-Plattform Kununu sind mir bei einer kurzen Durchsicht Ihrer Bewertungen zwei Punkte aufgefallen: Zum einen wird oftmals der Teamgeist positiv erwähnt. Das bestätigt das, was Sie vorhin gesagt haben. Zum anderen habe ich keine Reaktionen Ihres Unternehmens auf Bewertungen gesehen, die nicht so positiv ausgefallen waren. Ist es bei Ihnen Hauspolitik, dass sie sich zu Bewertungen nicht äußern?

Urich: Seit einem Jahr kommentieren wir auch auf Kununu. Dort haben wir bereits knapp 300 Kommentare verfasst oder Fragen beantwortet. Aber wir machen das situativ. Manchmal muss man eine Bewertung auch einfach so stehen lassen. Es macht keinen Sinn, jedes Mal die gleiche Antwort zu geben. Das ist in anderen Branchen auch so üblich. Wenn auf Reiseportalen hinter jeder Hotelbewertung eine Rechtfertigung steht, ist das auch nicht zielführend. Wir wissen, dass es Dinge gibt, die wir besser machen können, und nutzen Kununu als Quelle, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. Aber es ist nicht die einzige Quelle. Zusätzlich führen wir Mitarbeiterbefragungen durch und haben ein neues Format, bei dem sich die Geschäftsleitung mit Mitarbeitern trifft und die Stimmung aufnimmt. Nur wenn wir zuhören, können wir entsprechend handeln.

Haufe Online-Redaktion: Eine Arbeitgebermarketing-Kampagne ist nur die halbe Miete, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Welche Arbeitgeberleistungen bieten Sie Ihren Mitarbeitern an?

Urich: Für mich sind die Themen Umfeld und Miteinander ganz entscheidend. Das hat zum einen mit dem bereits genannten Teamgeist zu tun, zum anderen mit Führung. Darauf legen wir großen Wert. Darüber hinaus bieten wir sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten an. Mitarbeiter können bei uns im Grunde alles werden. Ich habe als Verkaufsleiter angefangen, war Vertriebsleiter und Geschäftsführer und bin nun in der Geschäftsleitung für Personal zuständig. Wir verzeichnen Erfolgsstories von Menschen, die bei uns als geringfügig Beschäftigte anfangen, heute als Verkaufsleiter arbeiten und weitere Aufstiegsmöglichkeiten haben. Eine Entwicklung von der Filiale bis in den Vorstand wäre auch möglich. Wir haben auch internationale Job-Rotation-Programme. Ein weiteres Thema ist die Entlohnung: Wir führten vor zehn Jahren den Mindesteinstiegslohn ein, der damals bei zehn Euro lag und heute 12,50 Euro beträgt. Der gesetzliche Mindestlohn liegt heute immer noch unter zehn Euro. Zusätzlich bezahlen wir alle Mitarbeiter übertariflich und schließen unbefristete Arbeitsverträge. Wir haben eine große Brandbreite an Benefits von Altersvorsorge über betriebliche Gesundheitsmaßnahmen bis hin zu Sabbatical.

Mit dem Abiprogramm in drei Jahren zur Filialleitung

Haufe Online-Redaktion: Für Berufseinsteiger bieten Sie ein sogenanntes Abiprogramm an. Wie unterscheidet sich das von einer „normalen“ Berufsausbildung?

Urich: 2012 fingen wir mit dem Programm im Vertrieb an und bieten es seit 2017 auch in der Logistik an. Das Abiprogramm ist eine Mischung aus Aus- und Fortbildung. Mit der Zugangsvoraussetzung Abitur haben die Teilnehmer die Möglichkeit, innerhalb von drei Jahren drei Abschlüsse zu erwerben: Kaufmann/-frau im Einzelhandel, geprüfte/r Handelsfachwirt/in und den Ausbilderschein. Über 2.000 junge Leute haben mittlerweile das Ausbildungsprogramm bei Lidl absolviert. Das Ziel ist die Filialleiterposition. Wer sein Abitur mit 18 in der Tasche hat und die Ausbildung absolviert, übernimmt mit Anfang oder Mitte 20 eine Filiale und somit die Führung von 20 bis 40 Mitarbeitern. Mittlerweile gibt es die ersten Absolventen, die zwei Jahre als Filialleiter gearbeitet haben und nun weiter zum Verkaufsleiter aufsteigen.

Haufe Online-Redaktion: Es ist sicherlich nicht einfach, mit Anfang 20 eine Filiale zu leiten, in der Mitarbeiter tätig sind, die mindestens 20 Jahre Berufserfahrung haben. Wie stellen sie sicher, dass das gutgeht?

Urich: Einer unserer Werte ist „Zutrauen“. Wenn wir das nicht hätten, wären ganz viele Karrieren nicht zustande gekommen. Wenn wir sagen würden, dass jemand zunächst fünf oder zehn Jahre in einer Position überzeugen muss, um den nächsten Schritt gehen zu können, stünden wir nicht da, wo wir heute stehen. Wir trauen den jungen Leuten zu, dass sie das können, und lassen sie dabei nicht alleine. Wir begleiten sie und wir haben Führungskräfte, die sie coachen. Wir bereiten sie während der Ausbildung und in Seminaren gezielt auf ihre neue Aufgabe vor. Begabung ist nicht eine Frage von Erfahrung. Wer Begabung mitbringt – und da sind wir wieder bei unserem Claim „Lidl muss man können“, ist dieser Aufgabe auch gewachsen.


Jens Urich hat bei Lidl als Verkaufsleiter angefangen und ist heute als Geschäftsleiter Personal tätig.

Schlagworte zum Thema:  Personalmarketing, Recruiting