Interview mit dem CHRO of the Year 2025

"HR kann der ganzen Organisation zeigen, wie Digitalisierung geht"


Interview mit dem CHRO of the Year 2025 Markus Fink

Wie kann HR Künstliche Intelligenz erfolgreich nutzen und die Digitalisierung der ganzen Organisation vorantreiben? Das wollte Matthias Haller, Chefredakteur des Personalmagazins, von Markus Fink wissen, Chief Human Resources Officer bei Infineon Technologies und frisch gekürter "CHRO of the Year 2025". Das Interview fand bei der Verleihung des renommierten Preises der HR-Community im Rahmen der Human Work/s Konferenz in München statt.

Matthias Haller: Die HR-Arbeit bei Infineon ist zukunftsweisend: Sie haben frühzeitig die Chancen Künstlicher Intelligenz erkannt und mit MyHR eine Plattform geschaffen, die Führungskräften und Mitarbeitenden weltweit alle relevanten Informationen bereitstellt und Antworten auf die wichtigsten Fragen gibt. Wie sind Sie vorgegangen? 

Markus Fink: Um diese Plattform aufbauen zu können, waren viele Jahre Basisarbeit notwendig. Das war mühsam und wenig glamourös. Damit meine ich nicht nur die Datenqualität, Prozessharmonisierung und -standardisierung auf globaler Ebene, sondern auch die Schaffung von Strukturen im Unternehmen und in der HR-Organisation. Wir haben vor zwei Jahren als HR-Organisation beschlossen, diesen One-Stop-Shop für alle Mitarbeitenden zu etablieren. Zudem haben wir global die Grundlagen für eine funktionale HR-Organisation geschaffen, um dies zu orchestrieren. 

Ein langer Weg bis zur Plattform als One-Stop-Shop

Haller: Stichwort Datenqualität. Wie lange hat es gedauert, diese herzustellen? 

Markus Fink: Wir haben schon vor zwölf Jahren mit einer "Operational Excellence"-Initiative gestartet. Hier ging es zunächst um die Datendefinition, also die Frage, welche Daten im System hinterlegt werden sollen. Wir denken ja immer, wir hätten ein weltweit gleiches Verständnis davon, was wir in unsere Systeme eintragen. Zusätzlich ging es in der Vergangenheit um das Thema Systemlandschaft. Insgesamt hat der Aufbau der Basis also einige Jahre gedauert.  

Haller: Das waren die Hausaufgaben, die erledigt werden mussten, um heute KI nutzen zu können. Was haben Sie konkret daraus gemacht? 

Markus Fink: Wir haben den bereits erwähnten One-Stop-Shop aufgebaut, den wir MyHR nennen. Dann haben wir all unsere Informationen – Policies, Intranetartikel und so weiter – in dieses System integriert und nutzen Gen AI, um das System intuitiver und effektiver nutzbar zu machen. Mittlerweile beobachten wir zum Beispiel, dass in unserem Service Center weniger Fragen von Managern und Mitarbeitenden ankommen. Denn auf viele Fragen kann die Plattform hilfreiche Antworten liefern, und zwar für alle Standorte weltweit. Unsere Plattform erlaubt darüber hinaus das Starten aller People-Prozesse. Dazu kommen immer neue Releases, zuletzt beispielsweise eine Organisationssimulation.  

Haller: Sie bauen auf globale Prozesse, auf globale Standards, setzen auf Effizienz und möchten Extraschleifen und Sonderlocken abschneiden. Wo stoßen Sie als globales Unternehmen an Grenzen, wo braucht es vielleicht doch die Sonderlösung? 

Markus Fink: Natürlich gibt es lokale Anforderungen – zum Beispiel braucht man in Malaysia eine bestimmte Bescheinigung, um eine Wohnung anmieten zu können. Das müssen wir lokal abdecken. Wir haben versucht – und sind noch dabei – alles, was global in einen Prozess passt, so abzudecken, dass es für alle Länder praktikabel ist. Aber MyHR unterstützt auch lokale Prozesse. So haben wir einen Entscheidungsmechanismus etabliert: Wir prüfen zuerst, ob es global möglich ist. Wenn nicht, lösen wir es lokal. Ziel ist, dass wir alle transaktionalen Prozesse digitalisieren. 

HR kann und muss Vorreiter sein

Haller: Bei Infineon ist HR ein Vorbild für die Digitalisierung im Unternehmen. Das steht im Gegensatz zum verbreiteten Bild des Personalmanagements als vornehmlich menschelnder Funktion, die sich mit Daten eher schwertut. Warum fällt Ihnen das leichter? 

Markus Fink: Möglicherweise, weil wir ein Unternehmen mit vielen Ingenieuren sind – und Ingenieure und Bauchgefühl nicht immer zusammenpassen. Wir sind also schon allein deshalb gezwungen, in Diskussionen viel mehr über Daten zu sprechen. Und dann habe ich diesen Traum: Die HR-Funktion eignet sich hervorragend, um der ganzen Organisation zu zeigen, welche Vorteile Digitalisierung bringt. Wir wollen Ängste nehmen und zeigen: Da tut sich was. Es ist ein Weg und den gestalten wir gemeinsam. Schließlich hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin regelmäßig mit HR zu tun und wir können hier Digitalisierung in Echtzeit erleben. Das hilft auch, die Kultur diesbezüglich weiterzuentwickeln. In puncto KI hat sich Infineon bereits vor einigen Jahren mit dem verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit der Technologie auseinandergesetzt und diesen im KI-Manifest geregelt.  

Haller: Teil der Infineon-DNA ist es, als Tech-Unternehmen immer vorne mit dabei zu sein – auch aus der Angst heraus, das nächste große Ding zu verpassen. Was ist das nächste große Ding aus HR-Sicht? 

Markus Fink: Neben dem Einsatz von KI – nicht nur bei HR, sondern im ganzen Unternehmen – geht es darum, die digitale Transformation zu gestalten. Digitalisierung und KI sind wesentliche Treiber und Enabler, um mit der rapide zunehmenden Komplexität, Geschwindigkeit und Variabilität unseres Geschäfts umzugehen. Wie schaffen wir es, die Organisation darauf vorzubereiten, was die nächsten Jahre kommt? Da haben wir aus meiner Sicht noch nicht die perfekte Antwort. Wichtig ist, dass man sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt, Prioritäten und Ziele definiert und es dann vor allem über Piloten konkret ausprobiert. Auch müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Menschen befähigen, diese Möglichkeiten zu nutzen, um Freiräume für Neues zu schaffen. So ermöglichen wir mehr Raum für Innovation und damit neues Geschäft.  

Haller: Das nächste große Versprechen der Tech-Anbieter sind sogenannte KI-Agenten. Siehst du mit der Technologie konkrete Chancen, zum Beispiel in HR-Rollen einzusparen oder diese anders zu gestalten? 

Markus Fink: Bei uns sind ab Februar 2026 die ersten KI-Agenten bei HR im Einsatz. Diese werden die Fälle, die im Service Center eingehen, zuordnen – mit der Perspektive, dass die Agenten die Cases künftig auch vorbereiten und beispielsweise Antwortvorschläge geben können. Aber es wird immer darauf ankommen, dass noch einmal jemand das Ganze in persona prüft und final entscheidet. KI-Agenten können also helfen, Prozesse mitarbeiterfreundlicher zu gestalten, sie ersetzen jedoch nicht die Interaktion zwischen Menschen.  

Haller: Die "Halbleiterei", wie Sie Ihre Branche selbst bezeichnen, ist ein zyklisches Geschäft: Es unterliegt wirtschaftlichen Auf- und Abschwüngen und technischen Innovationszyklen. Heute müssen Sie Personal aufbauen, morgen wird es vielleicht schon an anderer Stelle gebraucht. Wie sieht unter diesen Umständen eine langfristige und strategische Personalplanung aus?  

Markus Fink: Im aktuellen Marktumfeld ist das eine Herausforderung. Einerseits profitieren wir beispielsweise davon, dass gerade zahlreiche KI-Data-Center gebaut werden. Das begünstigt unser Geschäft. Andere Bereiche sind in einem eher schwierigen Marktumfeld unterwegs. Da müssen wir jonglieren. Wir versuchen immer, die nächsten zwei bis drei Jahre gut vorzuplanen. In diesem Umfeld ist es wichtig, das Unternehmen für Veränderung fit zu machen und die Agilität von Mitarbeitenden zu fördern, etwa durch Upskilling. Das Entscheidende ist dabei, dass die Business Partner mit am Tisch sind, diese Diskussion führen und die Abweichungen und Korrekturen vornehmen.  

HR aus allen Perspektiven betrachten

Haller: Sie haben in der Vergangenheit häufiger von End-to-End-Verantwortung im HR-Bereich gesprochen, können Sie hier Beispiele nennen?  

Markus Fink: Wir sind im HR-Bereich in HR Business Partner, Global-Functional-Teams und People Services aufgeteilt. Ein Global-Functional-Team, zum Beispiel Talent Acquistion, hat hier eine End-to-End-Verantwortung vom Öffnen bis zum Schließen der Stelle. Das ermöglicht, dass wir Expertise bündeln. Im Bereich Talent Acquisition sehen wir, dass KI für sehr viele Funktionen im Unternehmen eine Rolle spielt. Der HR Business Partner erkennt den Bedarf für den Bereich und gibt die Bedarfe ans Talent-Acquisition-Team. Das wiederum kümmert sich darum, Talente zu akquirieren – und zwar extern wie intern. Wenn Bewerbungen reinkommen, dann kommt unsere intelligente Talentplattform zum Einsatz, um diese Talente auf offene Positionen zu matchen oder intern nach Kandidaten und Kandidatinnen zu suchen. Für bestimmte Rollen übernimmt das Talent-Acquisition-Team dann auch die Interviews und die finale Einstellung. Somit ist es ein End-to-End-Prozess mit End-to-End-Verantwortung.  

Haller: Sie genießen bei Infineon die Wertschätzung des Top-Managements, gehören jedoch selbst nicht dem Vorstand an. Mit welchen Themen dringen Sie durch, wie verschaffen Sie sich Gehör? 

Markus Fink: Indem ich hartnäckig bin, indem ich meine Meinung sage und indem ich mich nicht verbiege. Ich habe das Glück, dass ich in einem Unternehmen arbeite, in dem ich nie um die Wertschätzung von HR kämpfen musste – deswegen bin ich wahrscheinlich auch schon so lange dort. Alle unsere HR Business Partner sind Teil der Business-Leitungskreise und sind dort bestens verankert.   

Haller: Sie sind seit 25 Jahren im HR von Infineon – die Station im Business haben Sie ausgelassen. Ist das ein Manko? 

Markus Fink: Das glaube ich nicht. Ich bin viel im Business unterwegs und habe mit der Zeit sicherlich das nötige Verständnis aufgebaut. Außerdem habe ich HR inzwischen von vielen unterschiedlichen Perspektiven gesehen. Zudem war ich viele Jahre für die Region Asien gesamtverantwortlich. Ich habe schon immer versucht, nicht in meiner Komfortzone zu verharren und neue Perspektiven einzunehmen. Das ist die Voraussetzung, um eine HR-Organisation gestalten zu können.

Haller: Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? 

Markus Fink: Ich will nah dran sein an den Menschen, ich möchte verstehen, was Sache ist. Ich führe mit einer langen Leine. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass wir als HR-Leadership-Team nah am Business und deren Herausforderungen sind und die richtigen Impulse in die Organisation geben. Auch lege ich Wert auf den regelmäßigen Austausch in meinem Leadership Team, damit wir nach außen als eine HR-Organisation wahrgenommen werden und nicht als einzelne Teile. Unseren internen Kunden helfen Silo-Antworten nicht weiter, die brauchen gute Lösungen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Markus Fink ist CHRO of the Year 2025

Interview mit Judith Wiese, CHRO of the Year 2024: "Wir sollten uns größere Sprünge zutrauen"

St. Galler Leadership Award 2025 geht an Festo



Schlagworte zum Thema:  Award , HR-Management , Veranstaltung
0 Kommentare
Das Eingabefeld enthält noch keinen Text oder nicht erlaubte Sonderzeichen. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe, um den Kommentar veröffentlichen zu können.
Noch keine Kommentare - teilen Sie Ihre Sicht und starten Sie die Diskussion