Glosse: Wer braucht schon die Viertagewoche?

Zurück in die Büros. Mehr Leistung statt gemütlicher New-Work-Hängematte. Führung muss zielorientierter werden. Und die Viertagewoche braucht wirklich keiner, weil die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sie mit ein paar Krankheitstagen doch sowieso schon haben. – Stimmt genau! Und da geht sogar noch mehr. Unsere Glosse zum Jahresende.

Rauchen gilt gemeinhin nicht als gesündester Zeitvertreib. Eine Umfrage von Yougov im Auftrag des Online-Händlers Haypp unter rund 1.000 Raucherinnen und Rauchern in Deutschland brachte nun zutage, dass bei einer Fünftagewoche mehr als zwei ganze Stunden der wöchentlichen Arbeitszeit mit dem Rauchen zugebracht werden - täglich 25 Minuten. Multipliziert man das mit 220 Arbeitstagen im Jahr, kommt man auf 92 Stunden jährlich. Demnach haben Raucher über zwei Wochen pro Jahr zusätzlich frei.

Ich selbst habe nie geraucht. Aber jetzt habe ich mir von der Tankstelle mal eine Schachtel Zigaretten mitgebracht. Zwei Wochen zusätzlicher Urlaub pro Jahr. Wäre ich Marketingmanager in der Tabakindustrie wüsste ich, womit ich werben würde.

Kinder helfen

Denkt man das mal konsequent zu Ende, bieten sich weitere Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich der jährlichen Arbeitszeit. Kinder beispielsweise können sich hier ebenfalls als nützlich erweisen - zumal der Gesetzgeber für 2024 die Zahl der Kinderkrankentage erhöht hat. Es gibt jetzt 15 Kinderkrankengeldtage pro Kind (geben Sie Ihre schüchterne Zurückhaltung auf und werden Sie aktiv; auch die Rentenkasse braucht dringend künftige Beitragszahler), für Alleinerziehende (hier kurz überlegen: lohnt sich eventuell eine Trennung vom Partner?) sogar 30 Tage. Wer vor einer Trennung zurückschreckt, hat die Möglichkeit, sich zusätzlich die Anspruchstage des anderen gesetzlich versicherten Elternteils übertragen zu lassen (die hierfür nötige Zustimmung des Arbeitgebers sollte bei einem verständnisvollen Arbeitgeber eine Selbstverständlichkeit sein).

Sollten die Kinder über eine robuste Gesundheit verfügen, helfen ein paar erprobte Tricks: Den Nachwuchs nie mit dem Fahrrad in virenfreier Luft zur Schule schicken, sondern immer mit den morgens chronisch überfüllten Bussen und Straßenbahnen. Und natürlich das Kind zur sportlichen Ertüchtigung nicht beim Tischtennis anmelden, sondern vorzugsweise fürs Skifahren, Kickboxen oder Eishockey. Dann sollten 15 Krankheitstage pro Jahr locker zu schaffen sein.  

Ein Lob auf das Ehrenamt

Haben Sie am fünften Dezember verfolgt, wie der Bundespräsident im Schloss Bellevue am Tag des Ehrenamtes Bundesverdienstkreuze verliehen hat? Wir alle könnten da mehr tun. Schöffen bei Gericht sind für ihre Tätigkeit von der Arbeit freizustellen. Auch die freiwillige Feuerwehr und das Technische Hilfswerk freuen sich immer über Helfer, die für ihre Einsätze selbstverständlich freizustellen sind. Oder wollten Sie schon immer mal in die Kommunalpolitik? Nein. Selbst für eine Freistellung würde man nicht alles tun. Obwohl man dort nicht nur für Sitzungen der Kommunalparlamente freizustellen wäre, sondern sogar für Vorbereitungssitzungen. Allerdings nicht mehr – da haben die Gerichte Einhalt geboten – zur Vorbereitung der Vorbereitungssitzung.

Wenn Sie sich als Kinder- und Jugendbetreuer engagieren möchten, sollten Sie darüber nachdenken, sich einen Arbeitgeber im richtigen Bundesland zuzulegen. In Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen müssen Kinder- und Jugendbetreuer bezahlt freigestellt werden, wenn sie beispielsweise auf eine Ferienfreizeit mitreisen. Und das nimmt dann gleich mal fünf Arbeitstage in Anspruch.

Politische Weiterbildung nicht vergessen

Doch selbst wer dienstbeflissen bei THW und Feuerwehr im Einsatz ist, muss damit rechnen, dass noch ein paar lästige Arbeitstage im Jahr übrig bleiben. Dafür gibt es dann den Bildungsurlaub! Jedenfalls in 14 von 16 Bundesländern - in Bayern und Sachsen nämlich nicht. Das sind in der Regel nochmal fünf Arbeitstage pro Jahr, die man als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin für berufliche und politische Weiterbildung nutzen kann.

Menstruationsfreistellung nur mit Tarifvertrag

Neuerdings gibt es auch schon erste Tarifverträge, die zwei Tage Menstruationsurlaub im Jahr vorsehen. Ob das geplante Selbstbestimmungsgesetz, das die Festlegung der eigenen Geschlechtszugehörigkeit deutlich erleichtert, hier auch für bisherige Männer ein Türchen öffnet, ist allerdings fraglich. Es menstruiert sich dann doch nicht so ganz einfach …

Wehrübende Feuerwehrleute mit fünf Kindern klar im Vorteil

Wem in unruhigen Zeiten daran gelegen ist, die Wehrfähigkeit der Bundeswehr aufrecht zu erhalten, der kann seinen Teil dazu beitragen, indem er an einer Wehrübung teilnimmt. Das sind locker mal zehn Arbeitstage pro Wehrübung, der gesetzliche Freistellungsanspruch gibt zur Not auch mehrere Wehrübungen und eine längere Dauer her.

Rechnet man das alles zusammen, fallen - bei geschickter Kombination - unter dem Strich auf 220 Arbeitstage rund 230 Freistellungstage (mal mit fünf Kindern und einem festen Willen zur Vaterlandsverteidigung gerechnet). Arbeitnehmende können sich nun vertrauensvoll an ihren Arbeitgeber wenden um abzuklären, wie er die zehn Freistellungstage abgelten möchte, die ihnen eigentlich noch zustünden. Oder sie lassen das Rauchen einfach wieder sein - dann kommt man genau auf Null raus.


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