Digitale Transformation: Herausforderungen für HR

Wie kann die tradierte Industrie die digitale Transformation meistern und welche Herausforderungen bringt das für HR mit sich? Diese Frage stand im Zentrum der Debatte von Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmensvertretern beim Kongress "Digitale Transformation - gibt es einen eigenen Weg für Deutschland?"

"Digitalisierung ist ein Führungsthema", betonte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede am 19. September im Audimax der TU München. Führungskräfte bräuchten ein neues Mindset. Sie müssten selbständiges Denken und Handeln bei ihren Mitarbeitern fördern und der "großen Versuchung des Übersteuerns" widerstehen. Heute gehe es nicht mehr darum, Informationen zu bekommen, sondern richtig mit der gigantischen Datenmenge umzugehen. "Das schwierigste Thema ist für mich das Thema Algorithmen", betonte von der Leyen. "Algorithmen basieren stets auf bestimmten Annahmen, die wir kennen müssen und es sind immer nur Wahrscheinlichkeiten." Der Umgang mit Algorithmen sei Führungsaufgabe. Führungskräfte müssten das Prinzip verstehen. Das sei nicht nur Aufgabe von IT.

Rund tausend Teilnehmer, darunter auch zahlreiche Studenten, konnten sich bei der Veranstaltung zur digitalen Transformation in München informieren, wie Politiker, Wissenschaftler und Unternehmensvertreter die Chancen Deutschlands im Zeitalter der digitalen Disruption sehen. Eingeladen hatten der Münchner Kreis, die Technische Universität München, das Zentrum Digitalisierung Bayern und die Initiative "MINT Zukunft schaffen".

Neue Arbeitswelt: Innovation statt Effizienz und Kosten

"In der alten Welt zählen Effizienz und Kosten, nun tritt zunehmend Innovation in den Vordergrund", konstatierte Isabell Welpe, Professorin am Lehrstuhl für Strategie und Organisation der TUM. "Doch können wir Innovation?" So setzten die erfolgreichsten Firmen nicht unbedingt auf Technologie, sondern auf eine bessere Organisation ihrer Geschäftsprozesse.

"Wer zu früh ist, wird bestraft. Wer zu spät ist, riskiert sein Unternehmen", brachte Claudia Nemat, Vorstand für Technologie und Innovation bei der Deutschen Telekom, die Herausforderung für die Unternehmen auf den Punkt. Ein gutes Beispiel sei die SMS, einer der großen Profitbringer für Telekommunikationsunternehmen bis Whatsapp kam. "Wir haben auf die SMS gesetzt, weil sie sicherer ist, aber dabei übersehen, dass Bequemlichkeit und Nützlichkeit für Kunden wichtiger ist als Datenschutz", so Nemat. "Wir müssen die Spielregeln des digitalen Marktes begreifen und den Kundenfokus im Auge haben." Statt bei Innovationen auf einzelne Genies zu setzen, müssten die Unternehmen vor allem ihre Diversität stärken. Elementar wichtig sei es dabei, die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erkennen und zu verstehen, so Nemat. Die digitale Transformation sei daher bei weitem das spannendste Thema für HR.

Mitbestimmung: neues soziales Machtgefüge

Digitalisierung verändere das soziale Machtgefüge, betonte Thomas Sattelberger, Vorstandsvorsitzender der Initiative "MINT Zukunft schaffen". Die Digitalisierung werde vor allem die Mitbestimmung fordern, da hier die Logiken der industriellen Arbeit und der digitalen und kreativen Arbeit aufeinanderprallen. Die Frage sei, ob sie für die Mitarbeiter eher mehr Freiheit oder Dressur-Potentiale bringe. Bei der neuen Debatte zur digitalen sozialen Marktwirtschaft gebe es daher neben den Unternehmen und Gewerkschaften auch noch die Individuen als dritten Mitspieler.

Dass die Mitbestimmung agiler werden müsse, bestätigte auch Constanze Kurz vom Gesamtbetriebsrat bei Robert Bosch. Doch leider hätten im Personalbereich großer Konzerne oft Juristen das Sagen, die "weit weit weg" von Technologie, agilen Organisationsformen und den realen Verhältnissen in der Fertigung und den Büros sind. Zwar arbeiteten bei Bosch 2.000 Mitarbeiter am Thema künstliche Intelligenz und in der Entwicklung sei alles agil, aber in der Fertigung sei bisher nichts passiert. Auch dort müsse man jedoch Projekte aufsetzen, die eine größere Agilität ermöglichen.

Gegensatz aus Mitbestimmung 2.0 und Industrie 4.0

"Mitbestimmung 1.0 und 2.0 funktioniert in der Industrie 4.0 nicht mehr", warnte Stefan Ries, Personalvorstand bei SAP. "Wenn wir in Deutschland nicht die Voraussetzungen für Flexibilität schaffen, gehen wir als Unternehmen ins Ausland." In Deutschland meine man stets, man müsse alles "global-galaktisch für alle" regeln. Doch die gesetzlichen Regelungen hemmten die Unternehmen. 2025 seien 75 Prozent der Mitarbeiter Millennials. "Wenn wir da um 18 Uhr die Kommunikationsmittel abschalten, wird es schwer sein, die für unser Unternehmen zu begeistern." Bei SAP könne daher jeder Mitarbeiter seine eigenen mobilen Endgeräte mitbringen. "Sonst gewinnen Sie die Talente nicht."

In der Personalarbeit setzt SAP künftig verstärkt auf künstliche Intelligenz. So habe man eine Software entwickelt, die anzeigt, ob eine Stellenausschreibung Männer und Frauen gleichermaßen anspricht. Und beim Auswahlprozess könne die Software auf unbewusste Bevorzugungen aufmerksam machen.

Leitplanken für die Agilität

"Man braucht Leitplanken statt detaillierte Regeln", betonte Sabine Bendiek, Geschäftsführerin Microsoft Deutschland. "Bei uns ist intern zwar alles auf agil ausgerichtet, aber dennoch ist es für mich weiterhin wichtig, gute Mitarbeiter an die Organisation zu binden und weiterzuentwickeln." Das Wichtigste sei die Öffnung im Kopf. "Es gibt ganz viele tolle Ideen, lasst uns das anschauen", so Bendiek.

Grundaufgabe der Führungskräfte: Sicherheit vermitteln

Darauf setzt auch Frederik G.Pferdt. Der Chief Innovation Evangelist bei Google appellierte an die Führungskräfte, die kindliche Neugier ihrer Mitarbeiter wieder zu wecken. Ihre Aufgabe sei es, mit Fragen zu motivieren und nicht Antworten zu geben. Statt "ja aber" sollten sie "ja und" verwenden und so die Fragen "größer denken". "Wir müssen den Mut haben, unsere Fragen zu teilen", so der Google-Manager. So habe man sich bei Google 280 Teams angeschaut und versucht herauszufinden, was ein innovatives und produktives Team ausmacht. Heraus kam letztlich nur ein entscheidender Faktor: die psychologische Sicherheit, ein Risiko eingehen zu dürfen, ohne dass etwas passiert. Darum das Resümee von Pferdt: "Ihre einzige Aufgabe als Führungskraft ist es, diese Sicherheit herzustellen."