Bad Habits in der Arbeitswelt

Schlechte Gewohnheiten hat jeder. Egal ob Stress-Esser oder "Couch Potato", alle tun sich schwer, die Automatismen loszuwerden. Was im Privatleben noch harmlos er­scheint, kann jedoch bei der Arbeit immense Kosten verursachen.

Schon einmal darüber nachgedacht, wie viel Geld schlechte Gewohnheiten kosten? Was ist der Preis einer Politik der offenen Tür, wodurch Mitarbeitende ständig in ihrer Arbeit unterbrochen werden? Wer hat einmal ausgerechnet, was Vielredner bei einem Meeting kosten oder eine schlechte Moderation? Keiner. Und genau das ist das Problem. Höchste Zeit also, die vielen "Bad Habits" in Augenschein zu nehmen. 

Vor- und Nachteile von Gewohnheiten in der Arbeitswelt

Nähern wir uns dem Thema mit der Frage, was überhaupt eine Gewohnheit ist. Die Lernpsychologie betrachtet eine Gewohnheit als gut gekoppelte Reiz-Reaktionsverbindung, die durch Wiederholung entsteht und nach einer gewissen Zeit automatisch abläuft. Wir kommen zum Beispiel in die Arbeit, gehen in die Teeküche, holen uns einen Kaffee, halten ein Schwätzchen auf dem Gang und machen dann den PC an.

Der Vorteil von Gewohnheiten ist, dass sie uns helfen, weniger nachdenken und Entscheidungen treffen zu müssen. Der Nachteil ist, dass sie uns auch begrenzen können, weil wir nichts Neues ausprobieren. Wenn wir nämlich einen bestimmten Arbeitsstil entwickelt haben, der gefühlt funktioniert, bleiben wir dabei. Solch eine Gewohnheit kann sein, dass ich mir meinen Terminkalender überbuche, weil ich so denke, meine ganze Arbeit überhaupt schaffen zu können. Gewohnheiten sind so stabil, dass wir auch dabei bleiben, selbst wenn sich die Situation verändert. Eine neue Firma, ein neuer Chef, neue Kollegen – wir machen weiter wie bisher, obwohl es gar nicht mehr so nützlich ist wie früher. War es bisher angezeigt, sich aktiv einzubringen, kann es auf einmal kontraproduktiv sein, weil Proaktivität nicht mehr gefragt ist. Das führt dann auch unweigerlich zu der Frage, wann Gewohnheiten eigentlich zu Bad Habits mutieren, oder ob es gar typische Bad Habits gibt.

Wann Gewohnheiten zu Bad Habits werden

Bei der Recherche fällt auf, dass es kaum Studien zu positiven und negativen Arbeitsgewohnheiten gibt. Auch nicht zu deren Kosten. Eine Forschungsarbeit fällt dabei besonders ins Auge, nämlich von der Arbeits- und Organisationspsychologin Sabine Sonnentag von der Universität Mannheim, die sich in ihrer Studie mit 145 Teilnehmenden mit der Überwindung von unerwünschten Gewohnheiten am Arbeitsplatz näher befasst hat. 

Der Blick in die wissenschaftliche Literatur offenbart einige Gewohnheiten, die die Beschäftigten selbst nervt. Sei es, eingehende Mails sofort zu checken oder Aufgabenhopping. Schlechte Gewohnheiten lassen sich unterscheiden in aufgabenbezogene Gewohnheiten (wie das Erlauben von Unterbrechungen durch Mails oder das Aufschieben von unliebsamen Aufgaben) oder in kontextabhängige Gewohnheiten (wie genervte Reaktionen über Kollegen und Kolleginnen, das Vermeiden von Kommunikation). 

In solchen schlechten Gewohnheiten steckt viel Zündstoff. Sie erhöhen die Arbeitsbelastung, senken die Qualität der Arbeit oder kosten zusätzliche Zeit. Die schlechten Gewohnheiten der Kolleginnen und Kollegen wirken sich auch nachteilig auf die eigene Arbeitsmoral aus. Kurzum: Die Produktivität geht flöten und wenn es schlecht läuft, führt dies zu mehr Fluktuation und einem schlechten Unternehmensimage. Angesichts dieser Effekte, wollten wir in einer explorativen Studie mehr darüber erfahren, wie Führungskräfte über Bad Habits in der Arbeit denken.

Das sind die kostspieligsten Gewohnheiten

Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden neun erfahrene Führungskräfte aus verschiedenen Branchen zu den Kosten von schlechten Gewohnheiten befragt. Insgesamt ließen sich 44 schlechte Gewohnheiten identifizieren. Am häufigsten nannten die Befragten schlechte Gewohnheiten in den Bereichen Engagement/Fokus (46 Prozent), Meetings (19 Prozent) und Kommunikation/Zusammenarbeit im Team (15 Prozent). Unter Engagement/Fokus fallen Gewohnheiten wie das Vermeiden zusätzlicher Aufgaben oder das Gefühl, für bestimmte Aufgaben nicht zuständig zu sein. Bei Meetings sind es vor allem schlecht organisierte oder vorbereitete Treffen ohne klare Agenda, die als problematisch angesehen werden. In der Kategorie Kommunikation/Zusammenarbeit im Team geht es um zwischenmenschliche Probleme, wie das Vermeiden von Konflikten oder mangelnde Kundenorientierung.

Die Studie offenbarte, dass es nicht die eine schlechte Gewohnheit gibt, sondern dies auch immer im Auge des Betrachters liegt. Es hängt von den Bewertungsmaßstäben der Führungskräfte ab, die von eigenen und auch Unternehmenswerten, aber auch persönlichen Erwartungen und Einstellungen abhängt. Eine andere interessante Beobachtung ist, dass es schlechte Gewohnheiten gibt, die sehr gut ins Auge fallen und andere, die gar nicht so offensichtlich sind.

Negative Effekte aus Sicht der Führungskräfte

Spannend war dann vor allem, was aus Sicht der Führungskräfte die Effekte dieser Bad Habits sind. Insgesamt ließen sich 20 negative Auswirkungen identifizieren. Als größter Kostenfaktor kam hier Zeitverlust zum Ausdruck, den fast alle Befragten nannten. Eine Führungskraft beschrieb es in dem Interview wie folgt: "Bei Meetings wird viel Zeit vergeudet, die man besser nutzen könnte für andere Aufgaben, und es kommen keine Ergebnisse zustande. Es werden keine Entscheidungen getroffen. Projekte dauern länger, die Umsetzung dauert länger, Fehlerbehebung dauert länger.” Ein anderer Interviewpartner ergänzte: "Du verlierst Zeit und bist projekt- und termingetrieben und das heißt im Endeffekt, dass du einen Termin nicht einhalten kannst.” Die zweite große Auswirkung ist eng damit verbunden und lässt sich mit "Stillstand" beschreiben. Projekte oder Aufgaben können nicht weiter bearbeitet werden. Die Arbeit bleibt liegen, was andere Kollegen dann zusätzlich belastet. Ein Befragter beschrieb es so: "Wenn dann deswegen Arbeit liegen bleibt, dann kostet das natürlich Zeit und irgendein anderer muss es machen". Damit beeinträchtigen schlechte Gewohnheiten die Zusammenarbeit und das Klima im Team. Konflikte nehmen zu. Der dritte Aspekt betrifft einen Imageschaden für die Firma. Kunden sind sauer und enttäuscht. Sie beschweren sich. 

Schließlich ging die Studie der Frage nach, was passieren würde, wenn die schlimmste schlechte Gewohnheit wegfallen würde. Hierbei ergaben sich 13 unterschiedliche Effekte. Als vielversprechendsten Effekt sehen die Führungskräfte den Zeitgewinn und dass Aufgaben besser und schneller bearbeitet werden können. Ein Befragter drückte dies so aus: "Weniger Zeit, weniger Kosten, die Mitarbeitenden können sich um andere Dinge, um andere Aufgaben kümmern, die auch erledigt werden müssen". Zudem könnte die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigen und der Teamzusammenhalt wachsen, die Mitarbeitenden arbeiten gerne im Team zusammen. 

Es bleibt noch viel zu tun

Insgesamt lässt sich festhalten: Schlechte Gewohnheiten der Mitarbeitenden sind weit verbreitet und allgegenwärtig. Doch sie existieren verborgen im Alltag und bleiben versteckt. Eine systematische Analyse von schlechten Gewohnheiten und deren Veränderung hätte ungeahnte Effizienzvorteile. Es lohnt sich also, den Bad Habits mehr Aufmerksamkeit zu schenken.


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Literatur:

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Schlagworte zum Thema:  Change Management, Coaching