Fachkräftesicherung

Arbeiten statt Ausbildung


Arbeiten statt Ausbildung beginnen

Viele jungen Menschen wollen nach dem Schulabschluss lieber direkt Arbeiten, anstatt eine Ausbildung zu beginnen, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Damit könnten dem Arbeitsmarkt qualifizierte Nachwuchsfachkräfte verloren gehen.

Die duale Berufsausbildung ist bei jungen Menschen weiterhin der beliebteste Bildungsweg nach dem Schulabschluss. Doch jeder bzw. jede Fünfte möchte nach der Schule erst einmal arbeiten, anstatt eine formale Berufsausbildung aufzunehmen. Besonders häufig trifft diese auf Schülerinnen und Schüler mit niedrigem Bildungsniveau zu. Das geht aus der Studie  "Ausbildungsperspektiven 2025" hervor, für die die Bertelsmann Stiftung 1.755 junge Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren repräsentativ befragt. 

Quote an Ungelernten auf dem Arbeitsmarkt droht zu steigen

Die Studienautoren halten den Befund für besorgniserregend – auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und demografischen Wandels: Ohne reguläre Ausbildung steigt das Risiko, arbeitslos zu werden oder mit Helferjobs im Niedriglohnsektor zu verharren", warnt Helen Renk, Expertin für berufliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung. "Das ist zum einen schwierig für die Betroffenen, zum anderen geht dadurch viel Potenzial für den Arbeitsmarkt verloren." Jüngst prognostizierten Forscher des Insitituts der Deutschen Wirtschaft (IW) einen rasanten Anstieg der Fachkräftelücke bis zum Jahr 2028.

Warum sich junge Menschen gegen eine Ausbildung entscheiden

Gefragt nach den persönlichen Gründen, die gegen eine Ausbildung sprechen, nennen die meisten Befragten (48 Prozent) eine zu geringe Vergütung. 43 Prozent der Befragten sehen in einem Studium die bessere Option, ebenso viele gaben an, sie fühlten sich nicht ausreichend vorbereitet. Fehlende passende Stellen spielen für rund ein Drittel eine Rolle.

Auch der Wunsch nach einem sofortigen Einstieg in die Arbeitswelt wird hier neben weiteren Gründen von einem Viertel der Befragten (26 Prozent) zwischen 14 und 25 Jahren als zutreffend dafür genannt, warum man keine Ausbildung begonnen hat oder beginnen möchte. 21 Prozent gaben an, dass andere von ihnen erwarteten, ohne Ausbildung in den Beruf einzusteigen.

Übergang von Schule in den Beruf: Indivuelle Begleitung 

Die Befragungsergebnisse lassen den Studienautoren zufolge auch Rückschlüsse darauf zu, welche Ansatzpunkte vielversprechend sind, um der Entwicklung gegenzusteuern. Demnach führen Befragte mit niedriger Schulbildung ihre Probleme bei der Ausbildungsplatzsuche vor allem darauf zurück, dass ihnen das Schreiben einer Bewerbung schwerfällt oder dass sie nicht die geforderten Qualifikationen vorweisen können. "Um junge Menschen beim nachschulischen Übergang optimal zu unterstützen, müssen die entsprechenden Angebote auf die individuellen Schwierigkeiten und Probleme der jungen Menschen zugeschnitten sein", sagt Helen Renk, Studienautorin und Expertin für berufliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Eine solche passgenaue Unterstützung könne auch durch Ansprechpartner:innen außerhalb der Schule erfolgen, etwa durch Begleiter:innen für den Übergang von Schule in den Beruf oder Berater:innen der Arbeitsagenturen.

Bessere Berufsorientierung und persönliche Beratung

Bei den Befragten mit höherer Schulbildung sieht die Lage der Studie zufolge anders aus: Mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) gab an, dass es zwar genügend Informationen zur Berufswahl gebe, es aber schwer sei, sich darin zurechtzufinden. Hierin dürfte einer der wichtigsten Gründe dafür liegen, warum sie hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft noch großteils unentschlossen sind. Ihrer Ansicht nach müsste es, insbesondere in den Schulen, mehr Angebote zur Berufsorientierung geben, vor allem in Form persönlicher Beratung. Fehlende Beruforientierung beklagten Jugendliche auch in der jährlichen Studie "Azubi-Recruiting-Trends".

Ausbildung ist beliebtester Bildungsweg 

Positiv stimmt, dass junge Menschen die Ausbildung weiterhin als beliebtesten Bildungsweg nach dem Schulabschluss betrachten: 43 Prozent der befragten Schüler und Schülerinnen streben eine Ausbildung an, 40 Prozent möchten auf jeden Fall studieren. Von den Befragten mit niedriger Schulbildung können sich sogar fast neun von zehn Befragten grundsätzlich vorstellen, in Zukunft eine Ausbildung zu beginnen. Zugleich aber schätzen die jungen Menschen mit niedriger Schulbildung ihre Chancen auf einen Ausbildungsplatz deutlich pessimistischer ein als der Rest. Mehr als ein Drittel von ihnen (35 Prozent) glaubt nicht daran oder ist sich nicht sicher, dass sie einen Ausbildungsplatz bekommen werden.

Jugendliche mit niedriger Schulbildung zweifeln an ihren Chancen

"Ausgerechnet diejenigen jungen Menschen, für die eine Ausbildung die naheliegendste Wahl nach der Schule ist, zweifeln am häufigsten an ihren Chancen. Das kann einer der Gründe dafür sein, warum viele von ihnen zunächst lieber in Aushilfsjobs arbeiten möchten. Deshalb ist es wichtig, gerade junge Menschen mit niedriger Schulbildung am Übergang von der Schule in den Beruf bedarfsgerecht zu unterstützen und ihnen konkrete Ausbildungsperspektiven aufzuzeigen", betont Clemens Wieland, ebenfalls Studienautor und Experte für berufliche Bildung bei der Bertelsmann Stiftung. Zugleich müssten auch diejenigen jungen Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen (zuletzt 52.300 im Jahr 2022 laut Nationalem Bildungsbericht), als Potenzial für den Ausbildungsmarkt betrachtet und gezielt unterstützt werden.

DIHK: Tariflohn für Azubis besser als ihr Ruf

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fordert angesichts der aktuellen Befunde eine fest verankerte Berufsorientierung als Pflichtaufgabe an allen Schulen. Besonders junge Menschen mit niedriger Schulbildung müssten besser unterstützt und Ausbildungsperspektiven deutlicher aufgezeigt werden, fordert DIHK-Ausbildungsexperte Markus Kiss. Die Verdienstmöglichkeiten in der Ausbildung seien besser als ihr Ruf: Die tariflichen Azubi-Gehälter hätten in den letzten Jahren deutlich stärker zugelegt als die allgemeinen Löhne: "2024 lag das durchschnittliche Azubi-Gehalt in tarifgebundenen Betrieben bei 1.133 Euro im Monat", so Kiss. Hier brauche es mehr Aufklärungsarbeit.

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DGB: Betriebe müssen mehr ausbilden - auch Hauptschüler

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Ausbildungsbetriebe am Zuge: «Nicht einmal mehr 19 Prozent der hiesigen Unternehmen bildet überhaupt noch aus - Tendenz weiter sinkend.», kritisiert Elke Hannack, Vize-DGB-Vorsitzende. Vor allem junge Menschen mit Hauptschulabschluss hätten viel geringere Chancen auf einem betrieblichen Ausbildungsplatz. "Daher müssen die Betriebe mehr in die Ausbildung investieren und sich stärker öffnen für junge Menschen mit niedrigem Schulabschluss", betonte sie.


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dpa

Schlagworte zum Thema:  Ausbildung , Fachkräftemangel
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