Übernimmt der Arbeitgeber für angestellte Rechtsanwälte Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung oder zur Rechtsanwaltskammer handelt es sich um Arbeitslohn. Der Arbeitgeber handelt nach Ansicht des Finanzgerichts Münster nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse.
Eine Rechtsanwaltssozietät in Form einer GbR übernahm für eine angestellte Rechtsanwältin die Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung, zur Rechtsanwaltskammer, zum Anwaltsverein sowie die Umlage für das elektronische Anwaltspostfach - ohne dafür Lohnsteuer abzuführen. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung erließ das Finanzamt diesbezüglich einen Lohnsteuerhaftungs- und -nachforderungsbescheid.
Übernahme von Versicherungs- und Kammerbeiträgen ist Arbeitslohn
Nach dem Urteil des Finanzgerichts Münster handelt es sich um Arbeitslohn. Die Übernahme der Beiträge habe nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gelegen.
Übernahme der Beitragszahlung durch Arbeitgeber liegt im eigenen Interesse des Arbeitnehmers
Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. Ist aber – neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers – ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung.
In seinem Urteil stellt das Gericht folgende Grundsätze auf.
- Eine Berufshaftpflichtversicherung ist unabdingbar für die Ausübung des Anwaltsberufs und deckt das persönliche Haftungsrisiko von Anwälten ab. Nur durch diesen Versicherungsschutz ist eine interessengerechte Mandantenvertretung möglich.
- Auch die Übernahme der Beiträge zur Rechtsanwaltskammer führt zu Arbeitslohn. Die Anwaltszulassung ist zwar auch im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Sie ist jedoch auch zwingende Voraussetzung für die selbstständige Ausübung einer Anwaltstätigkeit.
- Die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs erfolgt für jeden Rechtsanwalt einzeln. Deshalb stehen die Kosten für das Postfach im eigenen beruflichen Interesse des jeweiligen Anwalts bzw. der Anwältin.
- Auch die Übernahme der Beiträge zum Deutschen Anwaltsverein stellt Arbeitslohn dar. Die Vorteile der Mitgliedschaft, insbesondere die berufliche Vernetzung sowie der vergünstigte Zugang zu Fortbildungsangeboten und zu Rabattaktionen, gelten unabhängig vom Anstellungsverhältnis.
Übernahme von Beiträgen als Arbeitslohn: BFH bestätigt Rechtsauffassung
Das Finanzgericht Münster hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, die unter dem Aktenzeichen VI R 11/18 anhängig ist. In der Vergangenheit hat der BFH zumindest zu Teilen der hier vorliegenden Kosten eine ähnliche Auffassung vertreten:
- Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsanwälte durch den Arbeitgeber führt zu Arbeitslohn (vergleiche Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Juli 2007, Aktenzeichen VI R 64/06).
Eine Ausnahme soll aber gelten für die Versicherung der eigenen Berufstätigkeit einer Rechtsanwalts-GmbH (vergleiche Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. November 2015, Aktenzeichen VI R 74/14). - Für Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater hat der BFH entschieden, dass die Übernahme der Beiträge zu den Berufskammern durch den Arbeitgeber zu Arbeitslohn führt (vergleiche Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. Januar 2008 Az. VI R 26/06).
Quelle: Finanzgericht Münster, Urteil vom 1. Februar 2018, Aktenzeichen 1 K 2943/16 L.