Nach Kirchenaustritt den Job verloren - Kündigung war rechtens

Aus Enttäuschung über die Missbrauchsfälle tritt ein Sonderpädagoge aus der Kirche aus und verliert prompt seinen Job bei der Caritas. Seine Kündigung ist jedoch gerechtfertigt.

Mitarbeiter in katholischen Einrichtungen müssen auch künftig bei einem Kirchenaustritt mit Kündigung rechnen. Der Austritt sei ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der die Entlassung aus dem kirchlichen Dienst rechtfertigen könne, entschied das Bundesarbeitsgericht und bestätigte erneut den arbeitsrechtlichen Sonderstatus der Kirchen.

Damit blieb ein Sonderpädagoge aus Mannheim auch in der letzten Instanz mit der Klage gegen seinen Rauswurf erfolglos. Der 60-Jährige war 2011 wegen der zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen aus der Kirche ausgetreten. Daraufhin verlor er seinen Job in einem von der Caritas getragenen Kinderbetreuungszentrum. Die Motive des Klägers genügten nicht, um von dem katholischen Wohlfahrtsverband die Weiterbeschäftigung des Pädagogen zu verlangen, argumentierten die Richter.

Kirchliche Arbeitgeber haben Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsrecht

Geschützt durch das Grundgesetz verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst. Dieses Recht kommt neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen zu. Es ermöglicht ihnen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst auch im Rahmen privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln.

Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zulässt. Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer - etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit - und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen.

Kirchenaustritt ist ein schwerer Loyalitätsverstoß

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat - wie die Vorinstanzen - die Klage eines seit 1992 beim beklagten Caritasverband beschäftigten Sozialpädagogen gegen eine auf seinen Austritt aus der katholischen Kirche gestützte Kündigung abgewiesen. Der Kläger arbeitete in einem sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Gegenüber dem Beklagten nannte er als Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die „Piusbruderschaft“ und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijudaische Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.

Weiterbeschäftigung war unzumutbar

Der Kläger hat durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Aufgrund dessen war es dem Beklagten nicht zumutbar, ihn als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistete der Kläger unmittelbar „Dienst am Menschen“ und nahm damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Ihm fehlt infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubensverständnis des Beklagten die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar hat auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers ein hohes Gewicht. Sie musste aber hier hinter das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten zurücktreten. Dieser kann im vorliegenden Fall von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden ist, sondern sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht.

Für Sozialpädagogen gibt es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Kläger wird durch die Kündigung nicht iSv. § 1, § 7 AGG diskriminiert. Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion ist nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Eine entscheidungserhebliche Frage der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 stellte sich angesichts der Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht.

Kirchliche Arbeitgeber haben Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsrecht

Nach kirchlichem Selbstverständnis habe der Kläger unmittelbar «Dienst am Menschen» geleistet. Mit seinem Kirchenaustritt habe er nach dieser Lesart die Eignung für eine Weiterbeschäftigung verloren. Die Caritas könne nicht gezwungen werden, im Erziehungsbereich einen Mitarbeiter anzustellen, der sich von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe. Außerdem gebe es für Sozialpädagogen auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.

Gleichwohl gebe es keinen absoluten Kündigungsgrund, stellte das Gericht klar. Es käme im Einzelnen immer auf die Interessensabwägung an. Im vorliegenden Fall müsse die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zurücktreten. Dieses grundgesetzlich verankerte Recht erlaubt es den Kirchen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

Die Deutsche Bischofskonferenz sieht sich durch das Urteil in ihrer Rechtsauffassung bestärkt, dass kirchliche Arbeitnehmer, die sich zu einem Kirchenaustritt entschließen, damit ihre fundamentale Abwendung von der Kirche zum Ausdruck bringen. Damit würden sie die notwendige Vertrauensgrundlage für eine Zusammenarbeit zerstören.

Forderung: Sonderstatus der Kirche abschaffen

Der Kläger erwägt nun eine Verfassungsbeschwerde. «Das Bundesarbeitsgericht hat sich an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gehalten, diese entsprechen aber nicht mehr den heutigen Gegebenheiten», sagte sein Rechtsanwalt Hilmar Hoppe. Das kirchliche Arbeitsrecht ist immer wieder Streitfall vor Gericht. So hatte 2011 der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses erfolgreich in Erfurt gegen seine Kündigung wegen erneuter Heirat geklagt. Der Zweite Senat wog damals die Interessen des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses höher als die seines kirchlichen Arbeitgebers. Zuletzt hatte der Erste Senat im vergangenen November das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen gelockert. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verfolgt aber weiter ein generelles Streikrecht und will dieses jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einklagen. Die Kirchen gehören mit zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. (BAG, Urteil vom 25.4.2013, 2 AZR 579/12).

PM BAG 29/13 / dpa
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