Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachrang der Sozialhilfe gegenüber dem Beihilfeanspruch
Leitsatz (amtlich)
- Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) gilt gegenüber dem Beihilfeanspruch des öffentlichen Dienstes auch, soweit ein beihilfeberechtigter Elternteil einen Anspruch auf Beihilfe zu den Kosten der Unterbringung und Verpflegung eines volljährigen Kindes geltend macht.
- Darauf, daß der Beihilfeberechtigte in diesem Fall nicht dem Personenkreis des § 28 BSHG angehört, kommt es nicht an. Die darin liegende Durchbrechung des Nachrangprinzips kommt dem Beihilfeberechtigten als dem Angehörigen des Hilfesuchenden zugute. Sie wirkt jedoch nicht zugunsten des beihilfeverpflichteten öffentlichen Arbeitgebers (Weiterentwicklung von BAGE 37, 361 = AP Nr. 4 zu Nr. 1 Beihilfevorschriften).
Normenkette
BAT §§ 40, 29 Abschn. B Abs. 3; 66. Änderungstarifvertrag zum BAT § 2 Abs. 1 Buchst. c; Tarifvertrag über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Lehrlinge und Anlernlinge des Bundes (BhTV) vom 15. Juni 1959, geändert durch Ergänzungstarifvertrag Nr. 1 vom 26. Mai 1964, §§ 1, 3; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 § 3 Abs. 1 Nr. 2; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 § 5 Abs. 4 Nr. 1; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 § 6 Abs. 1 Nr. 6; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 § 9; Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 § 17 Abs. 10; BSHG §§ 2, 28, 85 Nr. 1, §§ 90, 91 Abs. 1, 3; BGB §§ 195, 196 Abs. 1 Nr. 8, §§ 197-198, 201, 288, 291, 1601-1603; BKGG § 2 Abs. 2 Nr. 3; TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 29.10.1992; Aktenzeichen 10 Sa 355/92) |
ArbG Bonn (Urteil vom 10.03.1992; Aktenzeichen 1 Ca 2881/91) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Oktober 1992 – 10 Sa 355/92 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10. März 1992 – 1 Ca 2881/91 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 284.156,23 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Januar 1992 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Anspruch auf Beihilfe zu den Kosten der dauernden Anstaltsunterbringung ihres behinderten volljährigen Sohnes zusteht, nachdem die Kosten vom Träger der Sozialhilfe erbracht wurden.
Die Klägerin ist seit 1968 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und der Tarifvertrag über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Lehrlinge und Anlernlinge des Bundes (BhTV) vom 15. Juni 1959, geändert durch Ergänzungstarifvertrag Nr. 1 vom 26. Mai 1964, Anwendung.
Die Klägerin ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Der am 19. April 1965 geborene behinderte und pflegebedürftige Sohn der Klägerin ist seit 1977 in den von-Bodelschwinghschen-Anstalten Bethel untergebracht. Die Kosten der Unterbringung werden vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) als dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe erbracht.
Mit Schreiben vom 13. Mai 1983 leitete die Stadt Bonn, die die Leistungsbescheide des LVR bearbeitet, den Unterhaltsanspruch des Sohnes gegen die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1983 bis auf weiteres in Höhe der jeweiligen Kosten auf sich über.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Beihilfe gegenüber dem LVR ab, weil die Klägerin als in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherte Angestellte nicht beihilfeberechtigt sei.
Mit Schreiben vom 27. Mai 1987 wandte sich der LVR an die Klägerin und forderte diese unter Beifügung der entsprechenden Pflegekostenaufstellungen auf, Beihilfe zu den Aufwendungen für die Unterbringung des Sohnes in der Zeit vom 12. September 1977 bis zum 31. Dezember 1986 zu beantragen. Im Juli 1987 stellte die Klägerin diesen Antrag. Auch in der Folgezeit forderte der LVR die Klägerin wiederholt auf, Beihilfe für die in den Pflegekostenaufstellungen bezeichneten Unterbringungskosten zu beantragen. Die Klägerin beantragte daraufhin am 19. Mai 1988 Beihilfe für den Zeitraum vom 8. Januar 1984 bis zum 30. September 1987, am 28. November 1988 für den Zeitraum vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. Juni 1988, am 20. März 1989 für den Zeitraum vom 1. Juli 1988 bis zum 31. Dezember 1988, am 1. März 1990 für das gesamte Jahr 1989, am 7. Oktober 1991 für das gesamte Jahr 1990 sowie für den Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Juli 1991. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1990, 22. Oktober 1991 und 12. November 1991 lehnte die Beklagte die Gewährung von Beihilfe ab, weil es sich bei den Leistungen des LVR um Sachleistungen gehandelt habe.
Mit der am 24. Dezember 1991 eingereichten und am 2. Januar 1992 zugestellten Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung begehrt, weil ihr beihilfefähige Aufwendungen i.S. des § 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften – BhV –) vom 19. April 1985 (GMBl. S. 290) entstanden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 417.458,23 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 2. Januar 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, es lägen keine beihilfefähigen Sachleistungen vor. Eine Überleitung des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Sohnes sei nicht möglich gewesen. Im übrigen seien die Beihilfeansprüche zum Teil ausgeschlossen, da die Klägerin die Beihilfe nicht rechtzeitig nach § 17 Abs. 10 BhV beantragt habe. Teilweise sei die Klageforderung auch nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjährt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage auf Beihilfeansprüche für die Zeit vom Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes (19. April 1983) bis zum 31. Juli 1991 beschränkt und nur noch die Zahlung von 284.156,23 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin Zahlung in der zuletzt geforderten unstreitigen Höhe.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. Die Klage ist hinsichtlich des Beihilfeanspruchs in vollem Umfang und hinsichtlich der Zinsen teilweise begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der Beihilfeanspruch nicht zu, da ihr keine beihilfefähigen Aufwendungen entstanden seien. Die Klägerin sei aufgrund der Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Sohn nicht verpflichtet gewesen, die durch die Sozialhilfe gedeckten Leistungen zu erbringen. Die Bestimmungen der §§ 28 und 90 BSHG begrenzten die Rückgriffsmöglichkeiten des Sozialhilfeträgers. Für die Zeit bis zum 31. August 1988 sei der Beihilfeanspruch gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjährt.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts können aus Rechtsgründen keinen Bestand haben.
II. Der Beihilfeanspruch der Klägerin ist in der noch zur Entscheidung stehenden Höhe von 284.156,23 DM begründet. Auf diesen Betrag beläuft sich unstreitig die Beihilfe für die in der Zeit vom 19. April 1983 bis zum 31. Juli 1991 entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung der dauernden Anstaltsunterbringung des Sohnes der Klägerin.
1. Der Anspruch beruht auf der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 BhV, die die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen bei dauernder Anstaltsunterbringung regelt.
a) Nach § 40 BAT werden für die Gewährung von Beihilfen im Krankheitsfall die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen angewendet. Zwar sind nach § 40 Satz 2 BAT in der Fassung des 66. Änderungstarifvertrags vom 24. April 1991 seit 1. April 1991 Aufwendungen i.S. des § 9 BhV nicht mehr beihilfefähig. Diese Neuregelung gilt im vorliegenden Fall jedoch nicht. Nach § 2 Abs. 1 Buchst. c des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT besteht die Beihilfefähigkeit bis zum 31. Dezember 1992 weiter, wenn für solche Aufwendungen für dieselbe Person vor dem 1. April 1991 Beihilfe zu gewähren war. Dies war vorliegend der Fall. § 40 BAT gilt somit ohne die genannte Einschränkung auch insoweit, als die Klage die Zeit nach dem 1. April 1991 betrifft.
b) Weiter richtet sich der Beihilfeanspruch nach dem BhTV. Dieser zum 30. September 1970 gekündigte Tarifvertrag findet auf das 1968 begründete Arbeitsverhältnis entweder vereinbarungsgemäß oder, falls beide Parteien tarifgebunden sind, kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) Anwendung.
Nach § 1 BhTV erhalten Angestellte in Krankheitsfällen Beihilfe in sinngemäßer Anwendung der Beihilfevorschriften, soweit sie für Beamte vorgesehen und im folgenden nicht Abweichungen bestimmt sind. § 3 BhTV steht dem Beihilfeanspruch der Klägerin nicht entgegen. Dort ist bestimmt (Abs. 1 Satz 1), daß Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich auf die ihnen zustehenden Sachleistungen angewiesen sind. Ob die vom LVR für den Sohn der Klägerin erbrachte Leistung eine Sachleistung war, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. § 3 Abs. 1 Satz 1 BhTV verweist nur auf die Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Um eine solche handelt es sich hier jedoch nicht.
c) Nach § 9 Abs. 1 BhV sind aus Anlaß einer wegen Pflegebedürftigkeit notwendigen dauernden Unterbringung körperlich oder geistig Kranker in Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalten sowie Pflegeheimen neben anderen beihilfefähigen Aufwendungen abweichend von § 6 Abs. 1 Nr. 6 BhV die Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zum niedrigsten Satz in den für die Unterbringung in Betracht kommenden öffentlichen oder freien gemeinnützigen Anstalten oder Pflegeheimen am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung insoweit beihilfefähig, als sie monatlich bestimmte Beträge übersteigen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, daß diese Voraussetzungen bei der Unterbringung des Sohnes der Klägerin gegeben sind.
d) Der Sohn ist ein berücksichtigungsfähiges Kind der beihilfeberechtigten Klägerin. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV sind berücksichtigungsfähige Angehörige die im Ortszuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz berücksichtigungsfähigen Kinder des Beihilfeberechtigten. Nach § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT handelt es sich dabei um Kinder, die bei der Gewährung von Kindergeld zu berücksichtigen sind. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 BKGG werden Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, berücksichtigt, wenn sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Diese Voraussetzungen sind bei dem Sohn der Klägerin unstreitig gegeben.
e) Entgegen der Auffassung der Revision entfällt die Beihilfefähigkeit nicht nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 BhV, weil es sich bei der Unterbringung um eine Sachleistung des LVR an den Sohn der Klägerin handelte. Eine Sachleistung liegt vor, wenn dem Beihilfeberechtigten oder seinem beihilfeberücksichtigungsfähigen Familienangehörigen die medizinische Leistung als solche zur Verfügung gestellt wird, ohne daß ihm hierfür eigene Aufwendungen entstehen (BVerwGE 20, 44, 45). Die Beihilfefähigkeit setzt mithin grundsätzlich voraus, daß der Berechtigte zum Erhalt der medizinischen Leistung etwas aus seinem Vermögen aufwenden muß oder aufgewendet hat, ihm also eine finanzielle Belastung erwächst, die bestimmungsgemäß Beihilfe durch den Arbeitgeber erfährt. Stellt der Sozialhilfeträger die ihm entstandenen Kosten dem Angestellten ganz oder teilweise in Rechnung, so ist die Rechtslage in Höhe der geltend gemachten Aufwendungen nicht anders zu beurteilen als hätte der Angestellte unmittelbar die Rechnung von dem die medizinischen Leistungen Erbringenden erhalten (vgl. auch BVerwG Urteil vom 25. Juni 1992 – 2C 12.90 – n.v.). Dadurch, daß der LVR die Klägerin mit Schreiben vom 27. Mai 1987 in Anspruch genommen hat (vgl. unten 2c), ist der Sachleistungscharakter der vom LVR erbrachten Aufwendungen für die Unterbringung des Sohnes entfallen.
Aber auch wenn man die Leistungen des LVR an den Sohn als Sachleistungen ansähe, wären sie nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 BhV beihilfefähig, da der LVR den Unterhaltsanspruch des Sohnes auf sich übergeleitet hat (vgl. unten 2b).
2. Die beihilfefähigen Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung des Sohnes sind der Klägerin entstanden. Dies folgt daraus, daß der LVR die Aufwendungen zulässigerweise von der Klägerin verlangt hat.
a) Die Klägerin war aufgrund ihrer Unterhaltspflicht ihrem Sohn gegenüber verpflichtet, die beihilfefähigen Aufwendungen zu tragen.
aa) Der Sohn der Klägerin kann aufgrund seines Unterhaltsanspruchs, der ihm gegen die Klägerin zusteht, von dieser verlangen, daß sie ihm in Höhe der Beihilfeleistungen Unterhalt gewährt, die sie deshalb fordern kann, weil er ein berücksichtigungsfähiger Angehöriger i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BhV ist (vgl. 1d).
bb) Der dem Sohn gegen die Klägerin nach § 1601 BGB zustehende Unterhaltsanspruch ist durch die Vorleistung des LVR nicht erfüllt worden, noch mindert diese die in § 1602 BGB geforderte Bedürftigkeit des Sohnes, da sie wegen ihres subsidiären Charakters den Unterhaltspflichtigen nicht von seiner Leistungspflicht befreien soll (vgl. BGHZ 115, 228, 230). Auch ist die Klägerin leistungsfähig i.S. des § 1603 BGB, weil sich ihre Leistung auf die Mobilisierung des Beihilfeanspruchs beschränkt, wodurch sie ihren eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet. Die Beihilfeleistungen, auf die die Klägerin Anspruch hat, muß sie einsetzen. Dies folgt aus § 85 Nr. 1 BSHG.
Nach dieser Bestimmung kann die Aufbringung der Mittel verlangt werden, soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck gewährt werden, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Zweckidentität verneint. Die weitgehend den beamtenrechtlichen Regelungen nachgebildeten Beihilfeansprüche dienen der Fürsorge (so zuletzt BAG Urteil vom 17. Februar 1993 – 4 AZR 52/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Sie sind daher wie der Sozialhilfeanspruch (vgl. § 3 Abs. 1 BSHG) am Bedarf ausgerichtet.
Zu Unrecht meint die Beklagte, die Verpflichtung der Klägerin entfalle, weil nach § 28 BSHG für die Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen bei volljährigen Hilfesuchenden nicht auf die wirtschaftliche Lage der Eltern abgestellt werde. Richtig ist, daß diese Bestimmung den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) durchbricht. Zugunsten der in § 28 BSHG bezeichneten Personen wird dem Hilfesuchenden in besonderen Lebenslagen seitens des Sozialhilfeträgers Hilfe auch insoweit gewährt, als diesen Personen (Ehegatte bzw. Eltern) die Auferlegung der Mittel nicht zuzumuten ist. Darin liegt eine Erweiterung gegenüber dem engen Hilfsbedürftigkeitsbegriff des § 11 Abs. 1 BSHG, der für die Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich den vollen Einsatz von Einkommen und Vermögen verlangt. Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. BAGE 37, 361, 366 = AP Nr. 4 zu Nr. 1 Beihilfevorschriften, m.w.N.) angenommen, daß dadurch nicht Dritten, wie etwa dem beihilfepflichtigen Arbeitgeber, Rechtsvorteile zugewendet werden sollen, die der Gesetzgeber ersichtlich nur einem beschränkten Kreis von Familienangehörigen hat zukommen lassen wollen. Nichts anderes kann gelten, soweit der Gesetzgeber gegenüber Eltern eines volljährigen Hilfesuchenden über den Rechtsvorteil des § 28 BSHG hinaus auf die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen auch insoweit verzichtet, als diese zumutbar wäre.
Das Landesarbeitsgericht meint, da nach § 28 BSHG bei einem volljährigen Hilfesuchenden Unterhaltsverpflichtungen anderer als der in dieser Bestimmung genannten Personen bei Prüfung der Zumutbarkeit nicht berücksichtigt würden, sei ein “Durchgriff” des LVR auf die Beihilfeansprüche der Klägerin über § 85 Nr. 1 BSHG ausgeschlossen. Dem ist nicht zu folgen. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß auch insoweit, als Sozialhilfe trotz Zumutbarkeit der Mittelaufbringung gewährt wird, der das gesamte Sozialhilferecht beherrschende Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gilt, wonach im Sinne des demgemäß normierten Subsidiaritätsprinzips keine Sozialhilfe erhält, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderer Seite erhält (§ 2 BSHG). Das Gesetz enthält keinen Hinweis darauf, daß dieser Grundsatz im vorliegenden Fall durchbrochen werden soll. Vielmehr weist § 85 Nr. 1 BSHG auf das Gegenteil hin.
Dies bedeutet, daß die Beihilfeleistungen, die die Beklagte nach den für das Arbeitsverhältnis der Parteien geltenden Bestimmungen zu den Aufwendungen für die Krankheit des Sohnes der Klägerin gewährt, Vorrang haben vor den Leistungen nach dem BSHG und somit für die Unterhaltsfähigkeit der Klägerin konstitutiv sind.
b) Den Unterhaltsanspruch des Sohnes hat der LVR als Sozialhilfeträger auf sich übergeleitet (§ 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Die rechtlichen Bedenken, die die Revision dagegen erhebt, greifen nicht durch.
Der Nachrang der Sozialhilfe ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es dem LVR nach § 90 Abs. 1 BSHG verwehrt war, den Beihilfeanspruch der Klägerin auf sich überzuleiten. Nach dieser Bestimmung kann der Sozialhilfeträger nur einen Anspruch, den der Beihilfeempfänger selbst hat oder den eine Person nach § 28 BSHG besitzt, auf sich überleiten. In dem noch streitigen Zeitraum war der Sohn der Klägerin jedoch bereits volljährig, so daß die Klägerin nicht mehr zu den in § 28 BSHG bezeichneten Personen gehörte. Die fehlende Möglichkeit, den Beihilfeanspruch überzuleiten, hinderte aber nicht die Inanspruchnahme der Klägerin als Unterhaltsverpflichtete. Die Beschränkung des § 90 BSHG auf den Personenkreis des § 28 BSHG, soweit es sich um die Überleitung von Ansprüchen gegen einen anderen handelt, führt nicht dazu, dem Sozialhilfeträger die Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten zu verwehren. Gehört der Unterhaltsverpflichtete nicht zu den Personen des § 28 BSHG, wird er dadurch von seiner Haftung nicht frei. Der Unterhaltsverpflichtete kann dann als bürgerlich-rechtlich Unterhaltsverpflichteter nach §§ 90, 91 BSHG in Anspruch genommen werden (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl., § 91 Rz 38).
Der Überleitung des Unterhaltsanspruchs steht auch § 91 BSHG nicht entgegen. Weder aus dem Überleitungsverbot des § 91 Abs. 1 BSHG noch aus der Überleitungsbeschränkung gemäß § 91 Abs. 3 BSHG kann hergeleitet werden, daß § 91 BSHG über diese Ausnahmeregelung hinaus für seinen Bereich den Subsidiaritätsgrundsatz nach § 2 Abs. 2 BSHG abschwächen oder gar die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsvorschriften abändern wollte (BGHZ 115, 228, 231 f.).
c) Der LVR hat den Unterhaltsanspruch in Höhe der Unterbringungs- und Verpflegungskosten gegen die Klägerin geltend gemacht.
Der Klägerin sind erstmals mit Schreiben vom 27. Mai 1987 in voller Höhe die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung des Sohnes in Rechnung gestellt worden. Sie waren entgegen der Auffassung der Revision nicht auf die zu erwartende Beihilfe beschränkt. Der LVR hat dadurch, daß er die Kosten der Unterbringung gegenüber der Klägerin rechnungsmäßig belegt und diese aufgefordert hat, Beihilfe geltend zu machen, nur zu erkennen gegeben, daß er die tatsächlichen Kosten der Unterbringung nicht in Höhe der Beihilfe tragen will. Der Fall ist nicht mit dem zu vergleichen, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 1992 (aaO) zugrunde lag. Dort hat der Sozialhilfeträger den Unterhaltsanspruch der Höhe nach auf einen bestimmten Betrag beschränkt. Durch den Verzicht auf eine weitergehende Inanspruchnahme hatte er teilweise auf den Nachrang der Sozialhilfe verzichtet, so daß dem dortigen Unterhaltsverpflichteten insoweit keine beihilfefähigen Aufwendungen entstanden sein konnten. An einer solchen ziffernmäßigen Beschränkung fehlt es hier.
3. Die Klägerin hat die Beihilfe auch rechtzeitig beantragt.
Nach § 17 Abs. 10 BhV wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte sie innerhalb einer Antragsfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen oder der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt hat. Eine Rechnung ist nach dieser Vorschrift dann ausgestellt, wenn eine Kostenaufstellung und -anforderung desjenigen vorliegt, der die Aufwendungen im Sinne des § 5 BhV selbst unmittelbar erbracht hat. Wird diese Rechnung an den Beihilfeberechtigten gerichtet, beginnt die Antragsfrist mit Ausstellung der Rechnung. Eine Ausstellung der Rechnung im Sinne des § 17 Abs. 10 BhV liegt auch in der Mitteilung des Sozialhilfeträgers, der die Kosten zunächst übernommen hat (Senatsurteil vom 24. September 1992 – 6 AZR 307/91 – n.v.). Da die Klägerin aufgrund jeweiliger Aufforderungsschreiben mit Pflegekosten- aufstellung des LVR im gleichen Jahr Beihilfeanträge gestellt hat, ist die Frist des § 17 Abs. 10 BhV eingehalten.
4. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war der Beihilfeanspruch der Klägerin auch nicht verjährt. Nach § 198 BGB beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Da die Beihilfe nur auf Antrag gewährt wird, entsteht der Anspruch mit der Antragstellung. Damit begann gemäß § 201 BGB für die Anträge vom Juli 1987 und Mai sowie November 1988 die Verjährungsfrist am 1. Januar 1988 bzw. 1989. Damit waren diese Beihilfeansprüche der Klägerin im Zeitpunkt der Zustellung der Klage nicht verjährt (§ 270 Abs. 3 ZPO). Beihilfeansprüche verjähren nicht innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB (vgl. BAG Urteil vom 17. Februar 1993 – 4 AZR 52/92 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Soweit der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 24. September 1992 – 6 AZR 307/91 – ohne nähere Prüfung von einer zweijährigen Verjährungsfrist ausgegangen ist, war dies nicht tragend, weil der Kläger innerhalb dieses Zeitraums Klage erhoben hatte. Für den vorliegenden Rechtsstreit kann dahingestellt bleiben, ob Beihilfeansprüche der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 197 BGB oder der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 195 BGB unterfallen. Die Klägerin hat mit der Klageerhebung die vierjährige Verjährungsfrist eingehalten.
III. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 8 % seit Rechtshängigkeit ist nur in Höhe von 4 % begründet. Die Klägerin hat den Zinsanspruch damit begründet, daß ihr Anlagezinsen in Höhe von mindestens 8 % entgangen seien. Aus dem Klagevorbringen geht jedoch hervor, daß die geltend gemachten Beträge, wenn sie nicht bereits unmittelbar an den Landschaftsverband Rheinland geleistet werden sollten, so doch von der Klägerin an diesen weitergeleitet worden wären, so daß der Verzugsschaden gemäß § 284 BGB nur bei diesem hätte eintreten können. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, daß sie einen solchen Schaden, etwa im Wege der Drittschadensliquidation, ersetzt verlange. Der Klägerin steht deshalb nur ein Zinsanspruch gemäß §§ 288, 291 BGB in Höhe von 4 % zu.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Kapitza, Schwarck
Fundstellen
Haufe-Index 848151 |
BAGE, 333 |
NVwZ 1994, 1247 |