Kollaboratives und kooperatives Lernen im Berufsalltag

Bei kollaborativem Arbeiten steht der gemeinsame Arbeits- und Lernprozess im Vordergrund, beim kooperativen das Ergebnis. In jedem Fall aber geht es um Zusammenarbeit – auch beim Lernen.

Goldenes Zeitalter des Wissens

Es ist ein bekanntes Faktum: Die Menschheit befindet sich im goldenen Zeitalter des Wissens. Man beobachtet schon seit vielen Jahrzehnten eine enorme Wissensexplosion. Das anschauliche Beispiel der immer schnelleren Verdopplung des Wissens ist dabei allgemein bekannt: Der Zeitraum, in dem sich das Wissen der Menschheit verdoppelt, wird immer kürzer. 1950 waren es noch 50 Jahre, 1980 sieben Jahre, 2010 noch knapp vier Jahre und laut Expertenschätzungen verdoppelt sich das Wissen heute, im Jahr 2020, innerhalb von nur 73 Tagen (Bayerisches Ärzteblatt, Ausgabe 4/2017).

Generalisten vs. Spezialisten

Bis etwa zum 17. Jahrhundert gab es noch „Universalgelehrte“. Das waren Menschen, die quasi alles wussten, was man zu dieser Zeit so wissen konnte. Das wäre heute undenkbar! Heutzutage ist es schon nahezu unmöglich, auch nur eine einzige Disziplin mit all ihren Unterbereichen komplett zu überblicken. Deshalb vollzog sich eine Änderung vom Universalgelehrten hin zum Spezialisten. Das ist in der Sache sinnvoll, um hochwertige Arbeitsergebnisse zu erzielen, stellt jedoch bestimmte Anforderungen an das gemeinsame Arbeiten. Denn viele Probleme lassen sich nicht mehr nur aus einer einzelnen Spezialistenperspektive betrachten.

Ein gutes Beispiel ist die Corona-Pandemie, die als komplexes Problem die Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen notwendig gemacht hat:

  • Experten für Arbeitsschutz und -sicherheit haben sich um eine Arbeitsumgebung gekümmert, die für die Gesundheit der Mitarbeitenden sorgt.
  • IT-Experten haben sich aufgemacht, um verteiltes Arbeiten zu erleichtern
  • Führungspersonen haben sich der Herausforderung gestellt, Zusammenarbeit unter den neuen Bedingungen zu organisieren und zu strukturieren
  • Für Personen, die entweder erkrankt waren, Symptome hatten oder in Quarantäne verbleiben mussten, mussten Regelungen gefunden werden.
  • Impulse aus der Umgebung (Regeln, Vorgaben, Empfehlungen, Best Practice-Beispiele) mussten ständig gesichtet werden und haben sich wiederum auf alle Ebenen des Arbeitens niedergeschlagen und mit allen Einrichtungen, Ämtern und Dezernaten, die Schnittstellen bildeten, galt dies gleichermaßen.

Die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten ist also nötig, um erfolgreiche, ganzheitliche Lösungen generieren zu können. Diesen Prozess nennt man kollaboratives und kooperatives Arbeiten und Lernen, wobei in den beiden Arbeitsformen der Schwerpunkt jeweils anders gesetzt wird.

Begriffsklärung: kollaborativ vs. kooperativ

Beide Begriffe – kollaborativ und kooperativ - werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym verwendet, unterscheiden sich aber bei genauem Hinsehen durchaus voreinander:

Bei kollaborativem Arbeiten und Lernen steht der Arbeits- und Lernprozess einer Arbeitsgruppe im Vordergrund. Das gemeinsame Wissenteilen und -erarbeiten und die Interaktion der einzelnen Mitglieder werden hier hervorgehoben und führen zu einem ganzheitlichen Arbeitsergebnis. Es wird während des Prozesses Wert darauf gelegt, dass die einzelnen Teilnehmenden auch abteilungs- oder organisationsübergreifend dazulernen und wieder Wissen mit zurück in ihren ursprünglichen Arbeitsbereich tragen.

Kooperatives Arbeiten hingegen orientiert sich am Ergebnis des Arbeits- und Lernprozesses einer Gruppe. Bei dieser Arbeitsweise ist jedes Individuum der Gruppe für einen Teilaspekt des Ergebnisses verantwortlich. Die Summe aller Teilaspekte ergibt am Ende Prozesses das Arbeitsergebnis der gesamten Gruppe. Ein Wissenteilen oder gemeinsam erarbeiten und zusammenarbeiten ist dabei nicht unbedingt vorgesehen. Kurzum: bei kollaborativem Arbeiten arbeiten alle Mitglieder einer Gruppe gemeinsam in ständigem Austausch an einem Projekt und seiner Lösung, bei kooperativen Arbeiten wird das Projekt in Teilprojekten auf die Spezialisten aufgeteilt und deren jeweiligen Ergebnisse am Ende zu einem umfassenden Arbeitsergebnis zusammengesetzt.

Was bedeutet das für unseren Arbeitsalltag?

Kollaboratives und kooperatives Arbeiten findet eigentlich ständig und überall statt – wir sind uns dessen nur nicht immer bewusst. Nahezu jedes Projekt, jeder Ausschuss, jede Arbeitsgruppe bedient sich kollaborativer und kooperativer Instrumente. Es lohnt sich, schon im Vorfeld darüber nachzudenken, ob der kollaborative oder der kooperative Aspekt im Vordergrund stehen soll. Bei einem Problem, für dessen Lösung erst noch eine passende Strategie oder ein neuer Prozess kreiert werden muss, ist ein kollaborativer Prozess geeignet, der stark auf das Generieren neuer Erkenntnisse setzt. Eine Arbeitsgruppe, die möglichst bunt aus vielen Bereichen zusammengesetzt ist, erzielt für eine solche Aufgabe in aller Regel die besten Ergebnisse, wenn auch um den Preis einer etwas reduzierten Geschwindigkeit. Da es noch keinen fest angelegten Prozess gibt, sollte eine Gruppe mit kollaborativem Fokus am Anfang etwas Zeit darauf verwenden, sich einen Rahmen zu geben und zu klären, wie bei Uneinigkeit Entscheidungen getroffen werden.

Ein Projekt, das in guten Teilen schon bekannt ist und z. B. eine wiederkehrende Aufgabe darstellt, kann ein kooperatives Herangehen günstiger sein: Es ist bereits das Ziel deutlich vorformuliert und lässt sich daraus ableiten, welche Experten aus welchen Bereichen beteiligt sein sollten, ist die Kooperation einfacher organisiert und auch die Definition der Schnittstellen gestaltet sich einfacher. Es bleiben vorrangig organisatorische Fragen zu klären sowie ein verlässlicher Zeitrahmen für bestimmte Arbeitsschritte. Dabei ist besonders in Sonderprojekten die Frage der Arbeitsauslastung zu klären: Die ansonsten anstehenden täglichen Arbeiten müssen entweder anders verteilt oder der Umfang sollte reduziert werden.

Digitale Förderung von kollaborativem und kooperativem Arbeiten

Gerade in der heutigen Zeit, die von Pandemie und Home-Office geprägt ist, aber auch zu „normalen“ Zeiten, ist es sinnvoll, sich hierfür digitaler Werkzeuge zu bedienen. Kollaborative/kooperative Tools zum kommunikativen Austausch stehen dabei an vorderster Stelle. E-Mails und organisationsinterne Messenger dienen der schnellen Kommunikation und erste Fragen können auf kurzem Dienstweg geklärt und Wissen ausgetauscht werden.

Besonders in kollaborativen Projekten stellt der Aufbau von Wissensdatenbanken, sogar bereichs- oder organisationsübergreifend, den reibungslosen Wissensaustausch sicher. Wertvolle Elemente können Wikis oder Glossare sein, die gemeinsam erstellt und gepflegt werden. Ein fortlaufender Blog kann besonders bei großen Gruppen über den Projektfortschritt und gemeinsam erzielte Erkenntnisse Auskunft geben. Mit Instrumenten wie virtuellen Whiteboards (zum Beispiel Conceptboard) können Ideen gesammelt werden – ein Ersatz für das „echte“ Brainstorming.

Für kooperative Vorhaben gibt es ebenfalls eine Vielzahl von Instrumenten. Hier ist es besonders wichtig, den Projektfortschritt zu visualisieren und Zeitpunkte für Zuarbeiten für alle zuverlässig festzuhalten. Zur (selbstregulierten) Steuerung von Mitarbeitern, Gruppen und Aufgaben gibt es mittlerweile viele bewährte Tools, wie zum Beispiel Trello oder Slack.

Für beide Zusammenarbeitsformen ist es außerdem wichtig, Instrumente für synchrone wie asynchrone Kommunikation zu finden. Vielfach ist Microsoft Teams inzwischen das Mittel der Wahl, wo man in Foren und Channels gemeinsam kommunizieren, Dateien teilen, Dokumente bearbeiten und auch spontan Videokonferenzen einberufen kann. Ein Blick auf die unzähligen Möglichkeiten lohnt sich und steht für erste Testphasen häufig auch kostenlos zur Verfügung, wobei jeweils zu klären ist, welche Tools alle behördlichen Vorgaben erfüllen. Vor der Entscheidung für ein Tool ist also – ganz im Sinne von Spezialistentum – eine Rückfrage bei der IT eine sinnvolle Sache.